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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Spiolhagens Angela.

vertiefte", Behandlung, sowie eine schärfer gegliederte und gesonderte Anordnung
zugelassen haben. Immerhin darf die vorliegende Schrift als ein dankenswerther
Veitrag zur Shakespeareliteratur begrüßt werden, welche den Freunden des Dichters
manche neue Anregung zu bieten geeignet ist.


R. Prölß.


Spielhagens Angela.

ährend der Import englischer und französischer Romane nach Deutsch¬
land vou Jahr zu Jahr höhere Zahlen aufweist -- sollen doch
von Zolas "Nana" allein in Berlin über tausend Exemplare ab¬
gesetzt worden sein schrumpft das kleine Häuflein hervorragender
deutscher Romanschriftsteller immer mehr zusammen, ohne daß die
Todtenliste dadurch verlängert würde. Gutzkow hat wenigstens noch das Glück
gehabt, daß er nicht schon bei Lebzeiten unter die Todten geworfen wurde. Aber
Gustav Freytag, Auerbach, Spielhagen, Paul Heyse -- konnten sie insgesammt
während der letzten Jahre so viele und so nachhaltige Erfolge erzielen wie der
einzige Daudet? In Bezug auf äußern Erfolg ist nur Georg Ebers mit den
Franzosen zu vergleichen. Aber wie lange wird der Geschmack des Publicums
dieser alexandrinischen Gelehrteupoesie gegenüber, die alles "mit Druckwerk und
Röhren" heraufpumpen muß, uoch stand halten? Wird man nicht bald dahinter¬
kommen, daß kein echter Dichter diesen hübschen Püppchen in ägyptischen, grie¬
chischen und römischen Gewändern lebendigen Odem cingeblasen hat?

Dem Verfasser der "Problematischen Naturen" und von "Hammer und
Ambos" wird man wenigstens den Namen des Dichters nicht bestreiten dürfen,
auch nach seiner "Angela"*) nicht, in welcher hie und da noch unter Asche und
Kehricht die alte Flamme emporlodert, um die Ruiuenstätte desto greller zu be-
leuchten. Seitdem Spielhagen den Lockungen der Verleger politischer Zeitungen
nachgegeben hat und seine Romane in Zeitnngsfenilletons unter die Leute bringen
läßt, ist es in Riesenschritten bergab mit ihm gegangen. Die großen französischen
und englischen Romanschriftsteller haben es ebenso gethan, und so soll auch dem
deutschen Dichter kein Vorwurf daraus gemacht werden. Aber jene erkoren sich
nur eine Zeitung aus, die den Roman vor seinem Erscheinen in Buchform ver¬
öffentlichte, während Spielhagens Romane in einem Dutzend von Zeitungen fast
zu gleicher Zeit erscheinen. Da rühmt sich eine dieser Zeitungen ihrer 70,000



*) Zwei Bände. Leipzig, L. Swackmann.
Spiolhagens Angela.

vertiefte«, Behandlung, sowie eine schärfer gegliederte und gesonderte Anordnung
zugelassen haben. Immerhin darf die vorliegende Schrift als ein dankenswerther
Veitrag zur Shakespeareliteratur begrüßt werden, welche den Freunden des Dichters
manche neue Anregung zu bieten geeignet ist.


R. Prölß.


Spielhagens Angela.

ährend der Import englischer und französischer Romane nach Deutsch¬
land vou Jahr zu Jahr höhere Zahlen aufweist — sollen doch
von Zolas „Nana" allein in Berlin über tausend Exemplare ab¬
gesetzt worden sein schrumpft das kleine Häuflein hervorragender
deutscher Romanschriftsteller immer mehr zusammen, ohne daß die
Todtenliste dadurch verlängert würde. Gutzkow hat wenigstens noch das Glück
gehabt, daß er nicht schon bei Lebzeiten unter die Todten geworfen wurde. Aber
Gustav Freytag, Auerbach, Spielhagen, Paul Heyse — konnten sie insgesammt
während der letzten Jahre so viele und so nachhaltige Erfolge erzielen wie der
einzige Daudet? In Bezug auf äußern Erfolg ist nur Georg Ebers mit den
Franzosen zu vergleichen. Aber wie lange wird der Geschmack des Publicums
dieser alexandrinischen Gelehrteupoesie gegenüber, die alles „mit Druckwerk und
Röhren" heraufpumpen muß, uoch stand halten? Wird man nicht bald dahinter¬
kommen, daß kein echter Dichter diesen hübschen Püppchen in ägyptischen, grie¬
chischen und römischen Gewändern lebendigen Odem cingeblasen hat?

Dem Verfasser der „Problematischen Naturen" und von „Hammer und
Ambos" wird man wenigstens den Namen des Dichters nicht bestreiten dürfen,
auch nach seiner „Angela"*) nicht, in welcher hie und da noch unter Asche und
Kehricht die alte Flamme emporlodert, um die Ruiuenstätte desto greller zu be-
leuchten. Seitdem Spielhagen den Lockungen der Verleger politischer Zeitungen
nachgegeben hat und seine Romane in Zeitnngsfenilletons unter die Leute bringen
läßt, ist es in Riesenschritten bergab mit ihm gegangen. Die großen französischen
und englischen Romanschriftsteller haben es ebenso gethan, und so soll auch dem
deutschen Dichter kein Vorwurf daraus gemacht werden. Aber jene erkoren sich
nur eine Zeitung aus, die den Roman vor seinem Erscheinen in Buchform ver¬
öffentlichte, während Spielhagens Romane in einem Dutzend von Zeitungen fast
zu gleicher Zeit erscheinen. Da rühmt sich eine dieser Zeitungen ihrer 70,000



*) Zwei Bände. Leipzig, L. Swackmann.
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[0257] Spiolhagens Angela. vertiefte«, Behandlung, sowie eine schärfer gegliederte und gesonderte Anordnung zugelassen haben. Immerhin darf die vorliegende Schrift als ein dankenswerther Veitrag zur Shakespeareliteratur begrüßt werden, welche den Freunden des Dichters manche neue Anregung zu bieten geeignet ist. R. Prölß. Spielhagens Angela. ährend der Import englischer und französischer Romane nach Deutsch¬ land vou Jahr zu Jahr höhere Zahlen aufweist — sollen doch von Zolas „Nana" allein in Berlin über tausend Exemplare ab¬ gesetzt worden sein schrumpft das kleine Häuflein hervorragender deutscher Romanschriftsteller immer mehr zusammen, ohne daß die Todtenliste dadurch verlängert würde. Gutzkow hat wenigstens noch das Glück gehabt, daß er nicht schon bei Lebzeiten unter die Todten geworfen wurde. Aber Gustav Freytag, Auerbach, Spielhagen, Paul Heyse — konnten sie insgesammt während der letzten Jahre so viele und so nachhaltige Erfolge erzielen wie der einzige Daudet? In Bezug auf äußern Erfolg ist nur Georg Ebers mit den Franzosen zu vergleichen. Aber wie lange wird der Geschmack des Publicums dieser alexandrinischen Gelehrteupoesie gegenüber, die alles „mit Druckwerk und Röhren" heraufpumpen muß, uoch stand halten? Wird man nicht bald dahinter¬ kommen, daß kein echter Dichter diesen hübschen Püppchen in ägyptischen, grie¬ chischen und römischen Gewändern lebendigen Odem cingeblasen hat? Dem Verfasser der „Problematischen Naturen" und von „Hammer und Ambos" wird man wenigstens den Namen des Dichters nicht bestreiten dürfen, auch nach seiner „Angela"*) nicht, in welcher hie und da noch unter Asche und Kehricht die alte Flamme emporlodert, um die Ruiuenstätte desto greller zu be- leuchten. Seitdem Spielhagen den Lockungen der Verleger politischer Zeitungen nachgegeben hat und seine Romane in Zeitnngsfenilletons unter die Leute bringen läßt, ist es in Riesenschritten bergab mit ihm gegangen. Die großen französischen und englischen Romanschriftsteller haben es ebenso gethan, und so soll auch dem deutschen Dichter kein Vorwurf daraus gemacht werden. Aber jene erkoren sich nur eine Zeitung aus, die den Roman vor seinem Erscheinen in Buchform ver¬ öffentlichte, während Spielhagens Romane in einem Dutzend von Zeitungen fast zu gleicher Zeit erscheinen. Da rühmt sich eine dieser Zeitungen ihrer 70,000 *) Zwei Bände. Leipzig, L. Swackmann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/257>, abgerufen am 28.04.2024.