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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Zola und der Naturalismus auf dem Theater.

tritt. Wir nehmen ebensowenig an, daß er den Reichstag auflösen wird. Wir
stellen uns den Verlauf der Dinge etwa folgendermaßen vor. Die Regierung
wird der Volksvertretung des Reiches vorerst nur den Etat des Reichshaushaltes
zur Berathung vorlegen, vielleicht auch den Gesetzentwurf über den Bau des
Reichstagspalastes. Dann wird man den Reichstag vertagen und den preu¬
ßischen Landtag einberufen und demselben den kirchenpolitischen Ausgleich in
Form von concreten Gesetzentwürfen zur Verhandlung und Beschlußfassung zu¬
gehen lassen. Hierbei wird sich zeigen, ob die Regierung imstande sein wird,
mit ihren Zugeständnissen das Centrum zufriedenzustellen und zu gewinnen, und
wie weit. ° Wird eine Verständigung erzielt, so wird der Kanzler den Versuch
machen, mit Hilfe des Centrums und der Konservativen seine socialpolitischen
Pläne in Gesetze zu verwandeln. Wird keine erreicht, so wird ein Stillstand
in der deutschen Gesetzgebung, soweit sie Hauptfragen angeht, eintreten, und
der erste geeignete Moment wird benutzt werden, den Reichstag aufzulösen und
noch einmal an die Nation zu appelliren. Für diesen Fall sollten die Conser-
vativen sich besser organisiren und unter einander zu verständigen suchen. Man
nehme sich an den Fortschrittsleuten ein Beispiel. Mehr Disciplin, mehr Hin¬
gebung, mehr Eifer, zu rechter Zeit beginnen, und der nächste Wahlkampf wird
bessere Resultate zeigen als der letzte.




Zola und der Naturalismus auf dem Theater.
von Robert prölß. (Schluß.)

via erwartet das Heil nur von dem neuen naturalistischen Drama.
Er ist der Meinung, daß jede Epoche ihre besondre dramatische
Form oder Formel (tormuls) verlange, daß wir uns schon lange
in der Entwicklung einer neuen befinden und es dieser nur noch
an dem Talente fehle, das für das Theater dasselbe vollbringe,
was für den Roman schon durch Balzac geschehen sei. Also doch das besondere
dramatische Talent! Oder warum vollbringt es Zola nicht selbst? "Ich bin
überzeugt -- schließt er diesen Theil seiner Betrachtung --, daß das Geld kein
Genie hervorzubringen im Stande ist, noch irgend etwas dazu beitragen wird,
daß es hervortritt. Gebt euer Geld, es wird der Mittelmäßigkeit, den Farceurs
der Geschichte und des Patriotismus zu Gute kommen. Es wird vielleicht mehr
Schaden als Gutes bewirken, aber es will doch jedermann leben. Die Zukunft
wird sich aber nur durch sich selbst machen, ohne eures Schutzes, eurer Unter-


Zola und der Naturalismus auf dem Theater.

tritt. Wir nehmen ebensowenig an, daß er den Reichstag auflösen wird. Wir
stellen uns den Verlauf der Dinge etwa folgendermaßen vor. Die Regierung
wird der Volksvertretung des Reiches vorerst nur den Etat des Reichshaushaltes
zur Berathung vorlegen, vielleicht auch den Gesetzentwurf über den Bau des
Reichstagspalastes. Dann wird man den Reichstag vertagen und den preu¬
ßischen Landtag einberufen und demselben den kirchenpolitischen Ausgleich in
Form von concreten Gesetzentwürfen zur Verhandlung und Beschlußfassung zu¬
gehen lassen. Hierbei wird sich zeigen, ob die Regierung imstande sein wird,
mit ihren Zugeständnissen das Centrum zufriedenzustellen und zu gewinnen, und
wie weit. ° Wird eine Verständigung erzielt, so wird der Kanzler den Versuch
machen, mit Hilfe des Centrums und der Konservativen seine socialpolitischen
Pläne in Gesetze zu verwandeln. Wird keine erreicht, so wird ein Stillstand
in der deutschen Gesetzgebung, soweit sie Hauptfragen angeht, eintreten, und
der erste geeignete Moment wird benutzt werden, den Reichstag aufzulösen und
noch einmal an die Nation zu appelliren. Für diesen Fall sollten die Conser-
vativen sich besser organisiren und unter einander zu verständigen suchen. Man
nehme sich an den Fortschrittsleuten ein Beispiel. Mehr Disciplin, mehr Hin¬
gebung, mehr Eifer, zu rechter Zeit beginnen, und der nächste Wahlkampf wird
bessere Resultate zeigen als der letzte.




Zola und der Naturalismus auf dem Theater.
von Robert prölß. (Schluß.)

via erwartet das Heil nur von dem neuen naturalistischen Drama.
Er ist der Meinung, daß jede Epoche ihre besondre dramatische
Form oder Formel (tormuls) verlange, daß wir uns schon lange
in der Entwicklung einer neuen befinden und es dieser nur noch
an dem Talente fehle, das für das Theater dasselbe vollbringe,
was für den Roman schon durch Balzac geschehen sei. Also doch das besondere
dramatische Talent! Oder warum vollbringt es Zola nicht selbst? „Ich bin
überzeugt — schließt er diesen Theil seiner Betrachtung —, daß das Geld kein
Genie hervorzubringen im Stande ist, noch irgend etwas dazu beitragen wird,
daß es hervortritt. Gebt euer Geld, es wird der Mittelmäßigkeit, den Farceurs
der Geschichte und des Patriotismus zu Gute kommen. Es wird vielleicht mehr
Schaden als Gutes bewirken, aber es will doch jedermann leben. Die Zukunft
wird sich aber nur durch sich selbst machen, ohne eures Schutzes, eurer Unter-


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[0313] Zola und der Naturalismus auf dem Theater. tritt. Wir nehmen ebensowenig an, daß er den Reichstag auflösen wird. Wir stellen uns den Verlauf der Dinge etwa folgendermaßen vor. Die Regierung wird der Volksvertretung des Reiches vorerst nur den Etat des Reichshaushaltes zur Berathung vorlegen, vielleicht auch den Gesetzentwurf über den Bau des Reichstagspalastes. Dann wird man den Reichstag vertagen und den preu¬ ßischen Landtag einberufen und demselben den kirchenpolitischen Ausgleich in Form von concreten Gesetzentwürfen zur Verhandlung und Beschlußfassung zu¬ gehen lassen. Hierbei wird sich zeigen, ob die Regierung imstande sein wird, mit ihren Zugeständnissen das Centrum zufriedenzustellen und zu gewinnen, und wie weit. ° Wird eine Verständigung erzielt, so wird der Kanzler den Versuch machen, mit Hilfe des Centrums und der Konservativen seine socialpolitischen Pläne in Gesetze zu verwandeln. Wird keine erreicht, so wird ein Stillstand in der deutschen Gesetzgebung, soweit sie Hauptfragen angeht, eintreten, und der erste geeignete Moment wird benutzt werden, den Reichstag aufzulösen und noch einmal an die Nation zu appelliren. Für diesen Fall sollten die Conser- vativen sich besser organisiren und unter einander zu verständigen suchen. Man nehme sich an den Fortschrittsleuten ein Beispiel. Mehr Disciplin, mehr Hin¬ gebung, mehr Eifer, zu rechter Zeit beginnen, und der nächste Wahlkampf wird bessere Resultate zeigen als der letzte. Zola und der Naturalismus auf dem Theater. von Robert prölß. (Schluß.) via erwartet das Heil nur von dem neuen naturalistischen Drama. Er ist der Meinung, daß jede Epoche ihre besondre dramatische Form oder Formel (tormuls) verlange, daß wir uns schon lange in der Entwicklung einer neuen befinden und es dieser nur noch an dem Talente fehle, das für das Theater dasselbe vollbringe, was für den Roman schon durch Balzac geschehen sei. Also doch das besondere dramatische Talent! Oder warum vollbringt es Zola nicht selbst? „Ich bin überzeugt — schließt er diesen Theil seiner Betrachtung —, daß das Geld kein Genie hervorzubringen im Stande ist, noch irgend etwas dazu beitragen wird, daß es hervortritt. Gebt euer Geld, es wird der Mittelmäßigkeit, den Farceurs der Geschichte und des Patriotismus zu Gute kommen. Es wird vielleicht mehr Schaden als Gutes bewirken, aber es will doch jedermann leben. Die Zukunft wird sich aber nur durch sich selbst machen, ohne eures Schutzes, eurer Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/313>, abgerufen am 29.04.2024.