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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Das Ministerium Gambetta.

raukreich hat in der letztverflossenen Woche große Dinge erlebt.
Die geheime und doch allbekannte Ncbenrcgieruug rieben dem Ca-
binet des Präsidenten Gropp ist hinter ihrem Vorhange hervor¬
getreten, Gambetta hat endlich die Verantwortlichkeit für sein
politisches Thun und Lassen übernommen, er ist als Minister¬
präsident vor die Kammern getreten, um ihnen sein Programm vorzulegen. Eine
dreizehnjährige unablässige Anstrengung hat ihn von der Stellung eines obscurer
kleinen Sachwalters, der 1868 Gelegenheit fand, sich als Politiker in den Mund
der Leute zu bringen, in das hohe Amt geführt, welches er soeben unter Be¬
dingungen angetreten hat, die an sich schon ein Zeugniß für seine persönliche
Macht sind. Bisher begnügte er sich, vorübergehende Ministeriell mehr oder
weniger mit seinen Anschauungen und Tendenzen zu stempeln und die, welche
sich das nicht gefallen ließen, von ihrem Posten hinwegznmanövriren. Jetzt
wird er genöthigt sei", auf Grund einer sorgfältig vorbereiteten und möglichst
gesicherten Stellung Frankreich mit seinen eignen Fähigkeiten zu dienen und sich
von den Vertretern desselben darüber zur Rechenschaft ziehen und richten zu
lassen. Niemand wird bestreite", daß er sich den Weg zu diesem Erfolge selbst
gebahnt und geebnet hat, und wenn der Erfolg zugleich der Beginn einer Prü¬
fung ist, so stellt er sich zu derselbe" in eiuer günstige" Position, dir gleich¬
falls zum großen Theil sein Werk ist. Er hat alle möglichen Nebenbuhler sich
verbrauchen und erschöpfen lasse". Die Fractionen der monarchische" Partei
sind in der Arena der Wahlen geschlagen worden und bilden nur "och Trümmer.
Die Republik, in einer Straßenemenle während eines unglücklichen Krieges ge¬
boren, hat sich befestigt. Er hat eine Deputirtenkammer vor sich, die ans Nen-
wahlen hervorgegangen und keinem besonder" Ministerium verpflichtet ist --
denn die Regierung Ferrhs war todt, ehe die beiden Hänser der Landesvertretung
sich versammelten -- und die erste Abstimmung derselben ergab, obwohl der be¬
treffende Antrag Barodets (auf Umgestaltung des Senats) von Clemeneean
unterstützt wurde, für Gambetta eine Majorität von 368 gegen 120 Stimmen.
Der neue Ministerpräsident hat endlich außer seinen Collegen keinen einzige",
der befähigt oder gewillt wäre, seine Pläne zu hindern oder zu vereiteln und
für sich selbst Carriere zu mache". Er ist vo" alte" und neuen Freunden um¬
geben, Bewunderer und Bundesgenosse", die nur darauf bedacht sein werden,
ihm Handreichung zu thun, und die er in der öffentlichen Meinung wie der
Montblanc seine Vorberge überragt.


Das Ministerium Gambetta.

raukreich hat in der letztverflossenen Woche große Dinge erlebt.
Die geheime und doch allbekannte Ncbenrcgieruug rieben dem Ca-
binet des Präsidenten Gropp ist hinter ihrem Vorhange hervor¬
getreten, Gambetta hat endlich die Verantwortlichkeit für sein
politisches Thun und Lassen übernommen, er ist als Minister¬
präsident vor die Kammern getreten, um ihnen sein Programm vorzulegen. Eine
dreizehnjährige unablässige Anstrengung hat ihn von der Stellung eines obscurer
kleinen Sachwalters, der 1868 Gelegenheit fand, sich als Politiker in den Mund
der Leute zu bringen, in das hohe Amt geführt, welches er soeben unter Be¬
dingungen angetreten hat, die an sich schon ein Zeugniß für seine persönliche
Macht sind. Bisher begnügte er sich, vorübergehende Ministeriell mehr oder
weniger mit seinen Anschauungen und Tendenzen zu stempeln und die, welche
sich das nicht gefallen ließen, von ihrem Posten hinwegznmanövriren. Jetzt
wird er genöthigt sei», auf Grund einer sorgfältig vorbereiteten und möglichst
gesicherten Stellung Frankreich mit seinen eignen Fähigkeiten zu dienen und sich
von den Vertretern desselben darüber zur Rechenschaft ziehen und richten zu
lassen. Niemand wird bestreite», daß er sich den Weg zu diesem Erfolge selbst
gebahnt und geebnet hat, und wenn der Erfolg zugleich der Beginn einer Prü¬
fung ist, so stellt er sich zu derselbe» in eiuer günstige» Position, dir gleich¬
falls zum großen Theil sein Werk ist. Er hat alle möglichen Nebenbuhler sich
verbrauchen und erschöpfen lasse». Die Fractionen der monarchische» Partei
sind in der Arena der Wahlen geschlagen worden und bilden nur »och Trümmer.
Die Republik, in einer Straßenemenle während eines unglücklichen Krieges ge¬
boren, hat sich befestigt. Er hat eine Deputirtenkammer vor sich, die ans Nen-
wahlen hervorgegangen und keinem besonder» Ministerium verpflichtet ist —
denn die Regierung Ferrhs war todt, ehe die beiden Hänser der Landesvertretung
sich versammelten — und die erste Abstimmung derselben ergab, obwohl der be¬
treffende Antrag Barodets (auf Umgestaltung des Senats) von Clemeneean
unterstützt wurde, für Gambetta eine Majorität von 368 gegen 120 Stimmen.
Der neue Ministerpräsident hat endlich außer seinen Collegen keinen einzige»,
der befähigt oder gewillt wäre, seine Pläne zu hindern oder zu vereiteln und
für sich selbst Carriere zu mache». Er ist vo» alte» und neuen Freunden um¬
geben, Bewunderer und Bundesgenosse», die nur darauf bedacht sein werden,
ihm Handreichung zu thun, und die er in der öffentlichen Meinung wie der
Montblanc seine Vorberge überragt.


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[0382] Das Ministerium Gambetta. raukreich hat in der letztverflossenen Woche große Dinge erlebt. Die geheime und doch allbekannte Ncbenrcgieruug rieben dem Ca- binet des Präsidenten Gropp ist hinter ihrem Vorhange hervor¬ getreten, Gambetta hat endlich die Verantwortlichkeit für sein politisches Thun und Lassen übernommen, er ist als Minister¬ präsident vor die Kammern getreten, um ihnen sein Programm vorzulegen. Eine dreizehnjährige unablässige Anstrengung hat ihn von der Stellung eines obscurer kleinen Sachwalters, der 1868 Gelegenheit fand, sich als Politiker in den Mund der Leute zu bringen, in das hohe Amt geführt, welches er soeben unter Be¬ dingungen angetreten hat, die an sich schon ein Zeugniß für seine persönliche Macht sind. Bisher begnügte er sich, vorübergehende Ministeriell mehr oder weniger mit seinen Anschauungen und Tendenzen zu stempeln und die, welche sich das nicht gefallen ließen, von ihrem Posten hinwegznmanövriren. Jetzt wird er genöthigt sei», auf Grund einer sorgfältig vorbereiteten und möglichst gesicherten Stellung Frankreich mit seinen eignen Fähigkeiten zu dienen und sich von den Vertretern desselben darüber zur Rechenschaft ziehen und richten zu lassen. Niemand wird bestreite», daß er sich den Weg zu diesem Erfolge selbst gebahnt und geebnet hat, und wenn der Erfolg zugleich der Beginn einer Prü¬ fung ist, so stellt er sich zu derselbe» in eiuer günstige» Position, dir gleich¬ falls zum großen Theil sein Werk ist. Er hat alle möglichen Nebenbuhler sich verbrauchen und erschöpfen lasse». Die Fractionen der monarchische» Partei sind in der Arena der Wahlen geschlagen worden und bilden nur »och Trümmer. Die Republik, in einer Straßenemenle während eines unglücklichen Krieges ge¬ boren, hat sich befestigt. Er hat eine Deputirtenkammer vor sich, die ans Nen- wahlen hervorgegangen und keinem besonder» Ministerium verpflichtet ist — denn die Regierung Ferrhs war todt, ehe die beiden Hänser der Landesvertretung sich versammelten — und die erste Abstimmung derselben ergab, obwohl der be¬ treffende Antrag Barodets (auf Umgestaltung des Senats) von Clemeneean unterstützt wurde, für Gambetta eine Majorität von 368 gegen 120 Stimmen. Der neue Ministerpräsident hat endlich außer seinen Collegen keinen einzige», der befähigt oder gewillt wäre, seine Pläne zu hindern oder zu vereiteln und für sich selbst Carriere zu mache». Er ist vo» alte» und neuen Freunden um¬ geben, Bewunderer und Bundesgenosse», die nur darauf bedacht sein werden, ihm Handreichung zu thun, und die er in der öffentlichen Meinung wie der Montblanc seine Vorberge überragt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/382>, abgerufen am 28.04.2024.