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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

pagner, das Himmelreich auf Erden verwirklichen würden. Dementsprechend
bin ich zu dem Bewußtsein meiner eignen Bedeutung gelangt. Und das alles
zusammen ist wohl eine Reise nach Wien werth!


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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 2.

eure und Landschaft sind die Matadore. Es ist immer so ge¬
wesen. So lange es Kunstkritiker von Profession giebt -- die
Sorte existirt erst seit etwa hundert Jahren --, so lange läßt
sich ans ihren Jeremiaden auch nachweisen, daß Genre und Land¬
schaft immer das Uebergewicht, numerisch wenigstens, über die
sogenannte "ideale" Malerei gehabt haben. Goethe hat sich auch darüber ge¬
ärgert. Aber seine Versuche, durch Preisaufgaben den Sinn für den hohen
Stil in der Malerei zu wecken, verschlugen ebensowenig etwas wie in unsrer
Zeit die Bemühungen der "Verbindung für historische Kunst." Nur der Staat
kaun durch Bestellungen der Malerei großen Stils aufhelfen. Es ist wirklich
immer so gewesen. Als der Enthusiasmus der Geistlichen, der Gemeinden und
einzelner Personen aus dem Laienstande in Italien, Deutschland, Spanien und
den Niederlanden nachgelassen hatte, als die kirchliche Kunst in Verfall gerieth
und die Künstler deshalb genöthigt waren, sich in der Welt umzusehen, wurde
die realistische Kunstanschauung geboren. Den Künstlern wurden nicht mehr
die Stoffe dictirt, sondern die Künstler dictirten sie dem Publieum, indem sie
demselben eine neue Welt eröffneten. Aus der Nachfrage wurde ein Angebot.
Bilder waren nicht mehr das Privilegium der Kirchen, sondern die Kunst kehrte
ins Haus ein und mußte sich demnach auch den Bedürfnissen des Hauses an¬
bequemen. Das Individuum aber will sich im Individuum oder in der für
seine subjective Stimmung zurechtgemachten Natur spiegeln, nicht in den Heroen
der Weltgeschichte. Erst in neuerer Zeit, seit Friedrich dem Großen, allgemeiner
seit der großen französischen Revolution, ist der Heroencultus auch in Haus
und Familie eingezogen. Aber man bethätigt ihn durch Porträts, Büsten und
Statuen. Die historische Malerei gewinnt durch ihn wenig an Terrain. Die
Vervielfältigung durch Steindruck, Photographie und Oelfarbendruck läßt die


Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

pagner, das Himmelreich auf Erden verwirklichen würden. Dementsprechend
bin ich zu dem Bewußtsein meiner eignen Bedeutung gelangt. Und das alles
zusammen ist wohl eine Reise nach Wien werth!


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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 2.

eure und Landschaft sind die Matadore. Es ist immer so ge¬
wesen. So lange es Kunstkritiker von Profession giebt — die
Sorte existirt erst seit etwa hundert Jahren —, so lange läßt
sich ans ihren Jeremiaden auch nachweisen, daß Genre und Land¬
schaft immer das Uebergewicht, numerisch wenigstens, über die
sogenannte „ideale" Malerei gehabt haben. Goethe hat sich auch darüber ge¬
ärgert. Aber seine Versuche, durch Preisaufgaben den Sinn für den hohen
Stil in der Malerei zu wecken, verschlugen ebensowenig etwas wie in unsrer
Zeit die Bemühungen der „Verbindung für historische Kunst." Nur der Staat
kaun durch Bestellungen der Malerei großen Stils aufhelfen. Es ist wirklich
immer so gewesen. Als der Enthusiasmus der Geistlichen, der Gemeinden und
einzelner Personen aus dem Laienstande in Italien, Deutschland, Spanien und
den Niederlanden nachgelassen hatte, als die kirchliche Kunst in Verfall gerieth
und die Künstler deshalb genöthigt waren, sich in der Welt umzusehen, wurde
die realistische Kunstanschauung geboren. Den Künstlern wurden nicht mehr
die Stoffe dictirt, sondern die Künstler dictirten sie dem Publieum, indem sie
demselben eine neue Welt eröffneten. Aus der Nachfrage wurde ein Angebot.
Bilder waren nicht mehr das Privilegium der Kirchen, sondern die Kunst kehrte
ins Haus ein und mußte sich demnach auch den Bedürfnissen des Hauses an¬
bequemen. Das Individuum aber will sich im Individuum oder in der für
seine subjective Stimmung zurechtgemachten Natur spiegeln, nicht in den Heroen
der Weltgeschichte. Erst in neuerer Zeit, seit Friedrich dem Großen, allgemeiner
seit der großen französischen Revolution, ist der Heroencultus auch in Haus
und Familie eingezogen. Aber man bethätigt ihn durch Porträts, Büsten und
Statuen. Die historische Malerei gewinnt durch ihn wenig an Terrain. Die
Vervielfältigung durch Steindruck, Photographie und Oelfarbendruck läßt die


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[0044] Die akademische Kunstausstellung in Berlin. pagner, das Himmelreich auf Erden verwirklichen würden. Dementsprechend bin ich zu dem Bewußtsein meiner eignen Bedeutung gelangt. Und das alles zusammen ist wohl eine Reise nach Wien werth! 5 >>- Die akademische Kunstausstellung in Berlin. von Adolf Rosenberg. 2. eure und Landschaft sind die Matadore. Es ist immer so ge¬ wesen. So lange es Kunstkritiker von Profession giebt — die Sorte existirt erst seit etwa hundert Jahren —, so lange läßt sich ans ihren Jeremiaden auch nachweisen, daß Genre und Land¬ schaft immer das Uebergewicht, numerisch wenigstens, über die sogenannte „ideale" Malerei gehabt haben. Goethe hat sich auch darüber ge¬ ärgert. Aber seine Versuche, durch Preisaufgaben den Sinn für den hohen Stil in der Malerei zu wecken, verschlugen ebensowenig etwas wie in unsrer Zeit die Bemühungen der „Verbindung für historische Kunst." Nur der Staat kaun durch Bestellungen der Malerei großen Stils aufhelfen. Es ist wirklich immer so gewesen. Als der Enthusiasmus der Geistlichen, der Gemeinden und einzelner Personen aus dem Laienstande in Italien, Deutschland, Spanien und den Niederlanden nachgelassen hatte, als die kirchliche Kunst in Verfall gerieth und die Künstler deshalb genöthigt waren, sich in der Welt umzusehen, wurde die realistische Kunstanschauung geboren. Den Künstlern wurden nicht mehr die Stoffe dictirt, sondern die Künstler dictirten sie dem Publieum, indem sie demselben eine neue Welt eröffneten. Aus der Nachfrage wurde ein Angebot. Bilder waren nicht mehr das Privilegium der Kirchen, sondern die Kunst kehrte ins Haus ein und mußte sich demnach auch den Bedürfnissen des Hauses an¬ bequemen. Das Individuum aber will sich im Individuum oder in der für seine subjective Stimmung zurechtgemachten Natur spiegeln, nicht in den Heroen der Weltgeschichte. Erst in neuerer Zeit, seit Friedrich dem Großen, allgemeiner seit der großen französischen Revolution, ist der Heroencultus auch in Haus und Familie eingezogen. Aber man bethätigt ihn durch Porträts, Büsten und Statuen. Die historische Malerei gewinnt durch ihn wenig an Terrain. Die Vervielfältigung durch Steindruck, Photographie und Oelfarbendruck läßt die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/44>, abgerufen am 28.04.2024.