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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Verlagshandlung kündigt hierdurch den Lesern an, daß die "Grenzboten" in dem
bevorstehenden neuen Jahrgange, mit welchem sie in das fünfte Jahrzehnt ihres Bestehens
eintreten, insofern eine Erweiterung und Bereicherung ihres Inhaltes erfahren werden,
als den bisherigen politischen und wissenschaftlichen Theilen derselben sich von setzt an ein
rein belletristischer anschließen wird. ,Zie freut sich, zunächst einen Roman von besonders
hervorragendem Werth und Interesse in Aussicht stellen zu können, der von Ur. z des
neuen Jahrganges an zum Abdrucke gelangen wird:
VnKchen und LhursoFtrÄger
von
August Mjemann.

Vie letzten Reichstagsreden des Kanzlers.

le Liberalen haben, wie im letzten Briefe vorausgesagt wurde, in
der That zu früh triumphirt, als sie rühmten, ihre Gegner hätten
nach der Rede Richters bei der Generaldebatte über das Rcichs-
budget schweigen müssen, weil diese Rede unanfechtbar und un¬
widerlegbar gewesen. Die parlamentarischen Kämpfe der letzten
Woche haben gezeigt, daß die Phrasen und Sophismen des Vorfechters der
Fortschrittspartei nicht mir auf recht schwachen Füßen stehen, sondern eitel Nich¬
tigkeiten sind, wenn der rechte Mann über sie kommt. Und mit den Kund¬
gebungen der übrigen Koryphäen des liberalen Lagers verhält sichs nicht anders.
Welch ein Bild: der Kanzler gegenüber dieser Opposition! Wesen gegenüber dem
Schein, Fülle gegenüber der Leere. Hier eine tiefe Ueberzeugung, ein starker
Wille, ein mächtiges Pflichtgefühl, ein vornehmer Sinn, dort, tief unter alle-
dem, ein Breittreten oberflächlicher Meinungen, schwächliche Velleitäten, hohles
Pathos und -- wir finden das parlamentarische Wort nicht, welches das be¬
zeichnen würde, was dem vornehmen Sinne gegenüber sich kundgab. Hier ein
großer Patriot, ein Staatsmann ersten Ranges, ein schöpferischer Geist, dort
ein Gezerr und Genörgel superkluger Professoren- und rechthaberischer Advocaten-
weisheit, Kunststücke von Handwerkspvlitikern, öde Doctrin, kleine Gesichtspunkte,
Sterilität und Impotenz. Hier der Odem der Weltgeschichte, dort das ärmliche
Gerede von Fractionsphilistern. Hier der Humor des Genius, dort Späße
und schwanke, die meist ans Bierhaus denken ließen. In der That, wenn man
sich das Ganze des viertägiger Redekampfes jetzt vergegenwärtigt, sieht es un¬
gefähr wie Herakles und die Pygmäen aus.

Wir wollen aber nicht weiter auf Dinge aufmerksam machen, welche sich
jedem, der sich nicht in die Denkweise der Fortschrittspartei und ihrer Berbün-


Grenzbotm IV. 1381. SS


Die Verlagshandlung kündigt hierdurch den Lesern an, daß die „Grenzboten" in dem
bevorstehenden neuen Jahrgange, mit welchem sie in das fünfte Jahrzehnt ihres Bestehens
eintreten, insofern eine Erweiterung und Bereicherung ihres Inhaltes erfahren werden,
als den bisherigen politischen und wissenschaftlichen Theilen derselben sich von setzt an ein
rein belletristischer anschließen wird. ,Zie freut sich, zunächst einen Roman von besonders
hervorragendem Werth und Interesse in Aussicht stellen zu können, der von Ur. z des
neuen Jahrganges an zum Abdrucke gelangen wird:
VnKchen und LhursoFtrÄger
von
August Mjemann.

Vie letzten Reichstagsreden des Kanzlers.

le Liberalen haben, wie im letzten Briefe vorausgesagt wurde, in
der That zu früh triumphirt, als sie rühmten, ihre Gegner hätten
nach der Rede Richters bei der Generaldebatte über das Rcichs-
budget schweigen müssen, weil diese Rede unanfechtbar und un¬
widerlegbar gewesen. Die parlamentarischen Kämpfe der letzten
Woche haben gezeigt, daß die Phrasen und Sophismen des Vorfechters der
Fortschrittspartei nicht mir auf recht schwachen Füßen stehen, sondern eitel Nich¬
tigkeiten sind, wenn der rechte Mann über sie kommt. Und mit den Kund¬
gebungen der übrigen Koryphäen des liberalen Lagers verhält sichs nicht anders.
Welch ein Bild: der Kanzler gegenüber dieser Opposition! Wesen gegenüber dem
Schein, Fülle gegenüber der Leere. Hier eine tiefe Ueberzeugung, ein starker
Wille, ein mächtiges Pflichtgefühl, ein vornehmer Sinn, dort, tief unter alle-
dem, ein Breittreten oberflächlicher Meinungen, schwächliche Velleitäten, hohles
Pathos und — wir finden das parlamentarische Wort nicht, welches das be¬
zeichnen würde, was dem vornehmen Sinne gegenüber sich kundgab. Hier ein
großer Patriot, ein Staatsmann ersten Ranges, ein schöpferischer Geist, dort
ein Gezerr und Genörgel superkluger Professoren- und rechthaberischer Advocaten-
weisheit, Kunststücke von Handwerkspvlitikern, öde Doctrin, kleine Gesichtspunkte,
Sterilität und Impotenz. Hier der Odem der Weltgeschichte, dort das ärmliche
Gerede von Fractionsphilistern. Hier der Humor des Genius, dort Späße
und schwanke, die meist ans Bierhaus denken ließen. In der That, wenn man
sich das Ganze des viertägiger Redekampfes jetzt vergegenwärtigt, sieht es un¬
gefähr wie Herakles und die Pygmäen aus.

Wir wollen aber nicht weiter auf Dinge aufmerksam machen, welche sich
jedem, der sich nicht in die Denkweise der Fortschrittspartei und ihrer Berbün-


Grenzbotm IV. 1381. SS
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/443>, abgerufen am 28.04.2024.