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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Friedrichs dos Großen erster waffengcmg.

und Gesellschaft in großen Krisen erhalten will, muß sie nehmen wie sie sind,
muß wie ein Arzt deren Krankheiten studiren und die Heilmittel wählen ohne
Rücksicht auf ein System, wie logisch es auch aufgebaut sein möge!




Friedrichs des Großen erster ZVaffengang.
2,

in 24, Hefte dieses Jahrgangs der "Grenzboten" war im An¬
schluß an den ersten Band von C, Grünhagcns "Geschichte des
ersten schlesischen Krieges" erörtert worden, wie dieser Krieg, ganz
abgesehen von den Erfolgen, die er für Preußen gehabt hat,
hauptsächlich dadurch ein hervorragendes Interesse erwecke, daß
der junge König von Preußen gleich in seiner ersten Unternehmung die poli¬
tische Lage des damaligen Europas mit jener kaltblütigen Sicherheit beurtheilt
und für seine Pläne zu benutzen verstanden habe, die sofort den großen Herrscher
erkennen läßt. Zwischen dem englischen Drängen, ihn gegen möglichst geringe
Opfer Oesterreichs auf dessen Seite herüberzuziehen, und den französischen Be¬
mühungen, ihn für eine antiösterreichische Allianz zu gewinnen, hatte er mit
souveräner Überlegenheit seinen eignen Standpunkt eingenommen, und wenn
ihn schließlich im Sommer 1741 nach seinem Siege bei Mvllwitz die Starrheit
des Wiener Hofes, verbunden mit der kleinlichen und widerspruchsvollen Politik
Georgs II. von England zum Abschluß eines Bündnisses mit Frankreich trieb,
trotz der Abmahnungen seines Ministers Podewils, so war er doch entschlossen,
sich nicht die Rolle desjenigen vorschreiben zu lassen, der nur für die ander"
die Kastanien aus dem Feuer holt, und durch seine Waffenthaten an der Herbei¬
führung politischer Veränderungen zu arbeiten, die schließlich mehr den Fran¬
zosen als ihm zu Gute gekommen wären. Wenn das französische Cabinet dar¬
nach strebte, nußer Baier" und Preußen auch Sachsen in eine nutipragmatische
Koalition zu vereinigen und beinahe sämmtliche eisleithanische Länder Oester¬
reichs milder diese Staaten zu theilen, so mußte auf diese Weise Oesterreich zu
einer Macht zweiten Ranges herabgedrttckt werden, ohne daß eine andre deutsche
Macht stark genug wurde, um Frankreich ein Gegengewicht zu bieten und so
den europäische" Continent gegen die gefährliche Präpondcrcinz dieses Staates
zu schützen, wie es bisher das Hans Habsburg vermocht hatte. Andrerseits
waren dabei für Sachse" und Baiern Vergrößerungen in Aussicht genommen,


Grenzboten IV, 1881. S8
Friedrichs dos Großen erster waffengcmg.

und Gesellschaft in großen Krisen erhalten will, muß sie nehmen wie sie sind,
muß wie ein Arzt deren Krankheiten studiren und die Heilmittel wählen ohne
Rücksicht auf ein System, wie logisch es auch aufgebaut sein möge!




Friedrichs des Großen erster ZVaffengang.
2,

in 24, Hefte dieses Jahrgangs der „Grenzboten" war im An¬
schluß an den ersten Band von C, Grünhagcns „Geschichte des
ersten schlesischen Krieges" erörtert worden, wie dieser Krieg, ganz
abgesehen von den Erfolgen, die er für Preußen gehabt hat,
hauptsächlich dadurch ein hervorragendes Interesse erwecke, daß
der junge König von Preußen gleich in seiner ersten Unternehmung die poli¬
tische Lage des damaligen Europas mit jener kaltblütigen Sicherheit beurtheilt
und für seine Pläne zu benutzen verstanden habe, die sofort den großen Herrscher
erkennen läßt. Zwischen dem englischen Drängen, ihn gegen möglichst geringe
Opfer Oesterreichs auf dessen Seite herüberzuziehen, und den französischen Be¬
mühungen, ihn für eine antiösterreichische Allianz zu gewinnen, hatte er mit
souveräner Überlegenheit seinen eignen Standpunkt eingenommen, und wenn
ihn schließlich im Sommer 1741 nach seinem Siege bei Mvllwitz die Starrheit
des Wiener Hofes, verbunden mit der kleinlichen und widerspruchsvollen Politik
Georgs II. von England zum Abschluß eines Bündnisses mit Frankreich trieb,
trotz der Abmahnungen seines Ministers Podewils, so war er doch entschlossen,
sich nicht die Rolle desjenigen vorschreiben zu lassen, der nur für die ander»
die Kastanien aus dem Feuer holt, und durch seine Waffenthaten an der Herbei¬
führung politischer Veränderungen zu arbeiten, die schließlich mehr den Fran¬
zosen als ihm zu Gute gekommen wären. Wenn das französische Cabinet dar¬
nach strebte, nußer Baier» und Preußen auch Sachsen in eine nutipragmatische
Koalition zu vereinigen und beinahe sämmtliche eisleithanische Länder Oester¬
reichs milder diese Staaten zu theilen, so mußte auf diese Weise Oesterreich zu
einer Macht zweiten Ranges herabgedrttckt werden, ohne daß eine andre deutsche
Macht stark genug wurde, um Frankreich ein Gegengewicht zu bieten und so
den europäische» Continent gegen die gefährliche Präpondcrcinz dieses Staates
zu schützen, wie es bisher das Hans Habsburg vermocht hatte. Andrerseits
waren dabei für Sachse» und Baiern Vergrößerungen in Aussicht genommen,


Grenzboten IV, 1881. S8
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[0459] Friedrichs dos Großen erster waffengcmg. und Gesellschaft in großen Krisen erhalten will, muß sie nehmen wie sie sind, muß wie ein Arzt deren Krankheiten studiren und die Heilmittel wählen ohne Rücksicht auf ein System, wie logisch es auch aufgebaut sein möge! Friedrichs des Großen erster ZVaffengang. 2, in 24, Hefte dieses Jahrgangs der „Grenzboten" war im An¬ schluß an den ersten Band von C, Grünhagcns „Geschichte des ersten schlesischen Krieges" erörtert worden, wie dieser Krieg, ganz abgesehen von den Erfolgen, die er für Preußen gehabt hat, hauptsächlich dadurch ein hervorragendes Interesse erwecke, daß der junge König von Preußen gleich in seiner ersten Unternehmung die poli¬ tische Lage des damaligen Europas mit jener kaltblütigen Sicherheit beurtheilt und für seine Pläne zu benutzen verstanden habe, die sofort den großen Herrscher erkennen läßt. Zwischen dem englischen Drängen, ihn gegen möglichst geringe Opfer Oesterreichs auf dessen Seite herüberzuziehen, und den französischen Be¬ mühungen, ihn für eine antiösterreichische Allianz zu gewinnen, hatte er mit souveräner Überlegenheit seinen eignen Standpunkt eingenommen, und wenn ihn schließlich im Sommer 1741 nach seinem Siege bei Mvllwitz die Starrheit des Wiener Hofes, verbunden mit der kleinlichen und widerspruchsvollen Politik Georgs II. von England zum Abschluß eines Bündnisses mit Frankreich trieb, trotz der Abmahnungen seines Ministers Podewils, so war er doch entschlossen, sich nicht die Rolle desjenigen vorschreiben zu lassen, der nur für die ander» die Kastanien aus dem Feuer holt, und durch seine Waffenthaten an der Herbei¬ führung politischer Veränderungen zu arbeiten, die schließlich mehr den Fran¬ zosen als ihm zu Gute gekommen wären. Wenn das französische Cabinet dar¬ nach strebte, nußer Baier» und Preußen auch Sachsen in eine nutipragmatische Koalition zu vereinigen und beinahe sämmtliche eisleithanische Länder Oester¬ reichs milder diese Staaten zu theilen, so mußte auf diese Weise Oesterreich zu einer Macht zweiten Ranges herabgedrttckt werden, ohne daß eine andre deutsche Macht stark genug wurde, um Frankreich ein Gegengewicht zu bieten und so den europäische» Continent gegen die gefährliche Präpondcrcinz dieses Staates zu schützen, wie es bisher das Hans Habsburg vermocht hatte. Andrerseits waren dabei für Sachse» und Baiern Vergrößerungen in Aussicht genommen, Grenzboten IV, 1881. S8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/459>, abgerufen am 29.04.2024.