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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Zwei Moliüre-Bwgraphion.

trägt. Daß er den schlauen Cardinal überlistet, daß er Brühls Erwartungen
aufs grausamste getäuscht hatte, wäre ihm vielleicht verziehen worden, daß er
aber eine so große Provinz wie Schlesien bei dieser Gelegenheit gewonnen hatte,
war etwas, über das man nicht so leicht wegzukommen vermochte. Nicht die
Größe seiner Verschuldung, sondern die seines Gewinnes hielt die Gemüther
der Diplomaten in Aufregung. Die moralische Entrüstung zu beschwichtigen,
hätte denselben wenig Anstrengung gekostet; das Gefühl des Neides und der
Mißgunst niederzukämpfen, wäre über ihre Kräfte gegangen. Und doch, wer
wollte leugnen daß diese große Erwerbung theuer genug erkauft worden ist.
Wohl mag es wahr sein, daß es wenig Beispiele giebt, wo eine Eroberung von
solchem Umfange, solcher Bedeutung einem Herrscher als die Frucht eines kurzen
Feldzuges zugefallen ist; aber ebenso gewiß ist, daß nicht leicht eine Erwerbung
mit so furchtbaren Anstrengungen und Opfern hat vertheidigt und gesichert
werden müssen, als eben Schlesien. Der beste Theil dieser unvergleichlichen
Hcldenkraft hat sich aufgezehrt in den, Kampfe gegen halb Europa, das Preußen
den Landgewinn von 1742 wieder abzunehmen sich verbunden hatte, und keiner
der Neider des großen Königs hätte wohl den Preis zahlen mögen, den dieser
darangesetzt, oder mit ihm tauschen mögen in den furchtbaren Drangsalen des
siebenjährigen Krieges."

Wir scheiden hiermit von dem trefflichen Buche Grünhageus, indem wir
noch bemerken, daß außer dem, worauf schon hingewiesen ist. der zweite Band
auch sonst, fast mehr noch als der erste, neues bringt, so namentlich die Dar¬
stellung der Schlacht bei Chotusitz, der auch ein Plan beiliegt, die Verhand¬
lungen über den Grenzzug in Oberschlesien, die Einrichtungen des Königs in
der neuen Provinz n. a. in., dazu auch einige archivalische Beilagen.


H. Markgraf.


Zwei Molivre-Biographien.

on je haben die kosmopolitischen Deutschen deu Cultus von Geistes¬
heroen gepflegt, ohne nach deren Nationalität zu fragen, ja den
hervorragendsten unter ihnen hat man sogar eigne Stätten zu
ihrem Dienste zugerichtet. So haben wir neben dem Goethe-
Jahrbuche, das vor zwei Jahren entstanden ist, schon seit langem
ein Dante- und ein Shakespeare-Jahrbuch, und seit einiger Zeit ist auch Moliöre,
dem seiue Landsleute schon lange ein mikrologischcs Studium widmen, in Deutsch-


Zwei Moliüre-Bwgraphion.

trägt. Daß er den schlauen Cardinal überlistet, daß er Brühls Erwartungen
aufs grausamste getäuscht hatte, wäre ihm vielleicht verziehen worden, daß er
aber eine so große Provinz wie Schlesien bei dieser Gelegenheit gewonnen hatte,
war etwas, über das man nicht so leicht wegzukommen vermochte. Nicht die
Größe seiner Verschuldung, sondern die seines Gewinnes hielt die Gemüther
der Diplomaten in Aufregung. Die moralische Entrüstung zu beschwichtigen,
hätte denselben wenig Anstrengung gekostet; das Gefühl des Neides und der
Mißgunst niederzukämpfen, wäre über ihre Kräfte gegangen. Und doch, wer
wollte leugnen daß diese große Erwerbung theuer genug erkauft worden ist.
Wohl mag es wahr sein, daß es wenig Beispiele giebt, wo eine Eroberung von
solchem Umfange, solcher Bedeutung einem Herrscher als die Frucht eines kurzen
Feldzuges zugefallen ist; aber ebenso gewiß ist, daß nicht leicht eine Erwerbung
mit so furchtbaren Anstrengungen und Opfern hat vertheidigt und gesichert
werden müssen, als eben Schlesien. Der beste Theil dieser unvergleichlichen
Hcldenkraft hat sich aufgezehrt in den, Kampfe gegen halb Europa, das Preußen
den Landgewinn von 1742 wieder abzunehmen sich verbunden hatte, und keiner
der Neider des großen Königs hätte wohl den Preis zahlen mögen, den dieser
darangesetzt, oder mit ihm tauschen mögen in den furchtbaren Drangsalen des
siebenjährigen Krieges."

Wir scheiden hiermit von dem trefflichen Buche Grünhageus, indem wir
noch bemerken, daß außer dem, worauf schon hingewiesen ist. der zweite Band
auch sonst, fast mehr noch als der erste, neues bringt, so namentlich die Dar¬
stellung der Schlacht bei Chotusitz, der auch ein Plan beiliegt, die Verhand¬
lungen über den Grenzzug in Oberschlesien, die Einrichtungen des Königs in
der neuen Provinz n. a. in., dazu auch einige archivalische Beilagen.


H. Markgraf.


Zwei Molivre-Biographien.

on je haben die kosmopolitischen Deutschen deu Cultus von Geistes¬
heroen gepflegt, ohne nach deren Nationalität zu fragen, ja den
hervorragendsten unter ihnen hat man sogar eigne Stätten zu
ihrem Dienste zugerichtet. So haben wir neben dem Goethe-
Jahrbuche, das vor zwei Jahren entstanden ist, schon seit langem
ein Dante- und ein Shakespeare-Jahrbuch, und seit einiger Zeit ist auch Moliöre,
dem seiue Landsleute schon lange ein mikrologischcs Studium widmen, in Deutsch-


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[0465] Zwei Moliüre-Bwgraphion. trägt. Daß er den schlauen Cardinal überlistet, daß er Brühls Erwartungen aufs grausamste getäuscht hatte, wäre ihm vielleicht verziehen worden, daß er aber eine so große Provinz wie Schlesien bei dieser Gelegenheit gewonnen hatte, war etwas, über das man nicht so leicht wegzukommen vermochte. Nicht die Größe seiner Verschuldung, sondern die seines Gewinnes hielt die Gemüther der Diplomaten in Aufregung. Die moralische Entrüstung zu beschwichtigen, hätte denselben wenig Anstrengung gekostet; das Gefühl des Neides und der Mißgunst niederzukämpfen, wäre über ihre Kräfte gegangen. Und doch, wer wollte leugnen daß diese große Erwerbung theuer genug erkauft worden ist. Wohl mag es wahr sein, daß es wenig Beispiele giebt, wo eine Eroberung von solchem Umfange, solcher Bedeutung einem Herrscher als die Frucht eines kurzen Feldzuges zugefallen ist; aber ebenso gewiß ist, daß nicht leicht eine Erwerbung mit so furchtbaren Anstrengungen und Opfern hat vertheidigt und gesichert werden müssen, als eben Schlesien. Der beste Theil dieser unvergleichlichen Hcldenkraft hat sich aufgezehrt in den, Kampfe gegen halb Europa, das Preußen den Landgewinn von 1742 wieder abzunehmen sich verbunden hatte, und keiner der Neider des großen Königs hätte wohl den Preis zahlen mögen, den dieser darangesetzt, oder mit ihm tauschen mögen in den furchtbaren Drangsalen des siebenjährigen Krieges." Wir scheiden hiermit von dem trefflichen Buche Grünhageus, indem wir noch bemerken, daß außer dem, worauf schon hingewiesen ist. der zweite Band auch sonst, fast mehr noch als der erste, neues bringt, so namentlich die Dar¬ stellung der Schlacht bei Chotusitz, der auch ein Plan beiliegt, die Verhand¬ lungen über den Grenzzug in Oberschlesien, die Einrichtungen des Königs in der neuen Provinz n. a. in., dazu auch einige archivalische Beilagen. H. Markgraf. Zwei Molivre-Biographien. on je haben die kosmopolitischen Deutschen deu Cultus von Geistes¬ heroen gepflegt, ohne nach deren Nationalität zu fragen, ja den hervorragendsten unter ihnen hat man sogar eigne Stätten zu ihrem Dienste zugerichtet. So haben wir neben dem Goethe- Jahrbuche, das vor zwei Jahren entstanden ist, schon seit langem ein Dante- und ein Shakespeare-Jahrbuch, und seit einiger Zeit ist auch Moliöre, dem seiue Landsleute schon lange ein mikrologischcs Studium widmen, in Deutsch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/465>, abgerufen am 28.04.2024.