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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Das Mädchen von Tisza - Gszlar.

Ungefähr seit der Mitte des Jahrhunderts ist das Kriegsspiel zu einem
damals noch ungeahnten Ansehen in der Armee gelangt. Man betrachtet
es als ein wesentliches Hilfsmittel für die Ausbildung unsrer jungen Offiziere,
als eine Vorschule für die Truppensührnng im kleinen wie im großen. Dem
Manövriren im Felde voraus und zur Seite geht das Manövriren auf der
Karte, das nach allen Regeln der Kriegskunst und unter Berücksichtigung von
Zeit, Entfernung, Truppenstärke nud Terrainverhältnissen vor sich geht. Selbst¬
verständlich würde das Schnorrsche Spiel den Ansprüchen eines Fachmannes
von heute nicht mehr genügen. In einer Geschichte des Kriegsspieles aber wird
es einen Platz beanspruchen dürfen. Wem die Priorität der Idee gebührt,
mögen Kundigere beurteilen.


Gustav Buch holz.


Das Mädchen von Tisza-Eszlar.
2.

nlomvn Schwarz, Adolf Leopold Braun und Abraham Buxbaum
erscheine" auf Grund bestimmter, detnillirter und übereinstimmender
Zeugenaussagen und Geständnisse der Angeklagten beschuldigt, be¬
ziehungsweise der Schuld verdächtig, am 1. April d. I. in der
Vorhalle der Tisza-Eszlarcr jüdisch-orthodoxen Synagoge, wo
sie als Schächter angeblich behufs Abhalteus eines Probeschächteus und vou
Probegesängen versammelt waren, die unter hinterlistigen Vorspiegelungen dahin
gelockte Esther Solymosi mittels eiues am Halse derselben applizirten Schnittes
Mit dem Schächtermesser ermordet zu haben -- also heißt es in den amtlichen
Motiven zu dem Beschlusse der Anklage, welche am 29. Juli von dem k. unga¬
rischen Gerichtshöfe zu Nyiregyhnza gefaßt worden ist, nachdem die Unter¬
suchung über zwei Monate lang mit der größten Energie geführt worden war.

Was konnte zu dem Verbrechen die Ursache sein? Gewiß nicht Habsucht.
Eil" vierzehnjähriges Mädchen, das in Diensten steht, ist wohl am wenigsten
geeignet, Aussicht auf Befriedigung derselben zu gewähren. Oder Rachsucht?
^"es zu diesem Beweggrunde fehlt jeglicher Anstoß; redete doch der Haupt-
"ugeklagte, der Schächter Schwarz, die Mutter freundlich und vertraulich an,
was nicht möglich gewesen wäre, wenn vorher ein Zwist, der Rachsucht hätte
erwecke" können, vorgefallen wäre. Auch ein geschlechtliches oder politisches
Motiv zu der Blutthat anzunehmen, ist von vornherein ausgeschlossen. Dagegen


Das Mädchen von Tisza - Gszlar.

Ungefähr seit der Mitte des Jahrhunderts ist das Kriegsspiel zu einem
damals noch ungeahnten Ansehen in der Armee gelangt. Man betrachtet
es als ein wesentliches Hilfsmittel für die Ausbildung unsrer jungen Offiziere,
als eine Vorschule für die Truppensührnng im kleinen wie im großen. Dem
Manövriren im Felde voraus und zur Seite geht das Manövriren auf der
Karte, das nach allen Regeln der Kriegskunst und unter Berücksichtigung von
Zeit, Entfernung, Truppenstärke nud Terrainverhältnissen vor sich geht. Selbst¬
verständlich würde das Schnorrsche Spiel den Ansprüchen eines Fachmannes
von heute nicht mehr genügen. In einer Geschichte des Kriegsspieles aber wird
es einen Platz beanspruchen dürfen. Wem die Priorität der Idee gebührt,
mögen Kundigere beurteilen.


Gustav Buch holz.


Das Mädchen von Tisza-Eszlar.
2.

nlomvn Schwarz, Adolf Leopold Braun und Abraham Buxbaum
erscheine» auf Grund bestimmter, detnillirter und übereinstimmender
Zeugenaussagen und Geständnisse der Angeklagten beschuldigt, be¬
ziehungsweise der Schuld verdächtig, am 1. April d. I. in der
Vorhalle der Tisza-Eszlarcr jüdisch-orthodoxen Synagoge, wo
sie als Schächter angeblich behufs Abhalteus eines Probeschächteus und vou
Probegesängen versammelt waren, die unter hinterlistigen Vorspiegelungen dahin
gelockte Esther Solymosi mittels eiues am Halse derselben applizirten Schnittes
Mit dem Schächtermesser ermordet zu haben — also heißt es in den amtlichen
Motiven zu dem Beschlusse der Anklage, welche am 29. Juli von dem k. unga¬
rischen Gerichtshöfe zu Nyiregyhnza gefaßt worden ist, nachdem die Unter¬
suchung über zwei Monate lang mit der größten Energie geführt worden war.

Was konnte zu dem Verbrechen die Ursache sein? Gewiß nicht Habsucht.
Eil« vierzehnjähriges Mädchen, das in Diensten steht, ist wohl am wenigsten
geeignet, Aussicht auf Befriedigung derselben zu gewähren. Oder Rachsucht?
^»es zu diesem Beweggrunde fehlt jeglicher Anstoß; redete doch der Haupt-
"ugeklagte, der Schächter Schwarz, die Mutter freundlich und vertraulich an,
was nicht möglich gewesen wäre, wenn vorher ein Zwist, der Rachsucht hätte
erwecke« können, vorgefallen wäre. Auch ein geschlechtliches oder politisches
Motiv zu der Blutthat anzunehmen, ist von vornherein ausgeschlossen. Dagegen


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[0287] Das Mädchen von Tisza - Gszlar. Ungefähr seit der Mitte des Jahrhunderts ist das Kriegsspiel zu einem damals noch ungeahnten Ansehen in der Armee gelangt. Man betrachtet es als ein wesentliches Hilfsmittel für die Ausbildung unsrer jungen Offiziere, als eine Vorschule für die Truppensührnng im kleinen wie im großen. Dem Manövriren im Felde voraus und zur Seite geht das Manövriren auf der Karte, das nach allen Regeln der Kriegskunst und unter Berücksichtigung von Zeit, Entfernung, Truppenstärke nud Terrainverhältnissen vor sich geht. Selbst¬ verständlich würde das Schnorrsche Spiel den Ansprüchen eines Fachmannes von heute nicht mehr genügen. In einer Geschichte des Kriegsspieles aber wird es einen Platz beanspruchen dürfen. Wem die Priorität der Idee gebührt, mögen Kundigere beurteilen. Gustav Buch holz. Das Mädchen von Tisza-Eszlar. 2. nlomvn Schwarz, Adolf Leopold Braun und Abraham Buxbaum erscheine» auf Grund bestimmter, detnillirter und übereinstimmender Zeugenaussagen und Geständnisse der Angeklagten beschuldigt, be¬ ziehungsweise der Schuld verdächtig, am 1. April d. I. in der Vorhalle der Tisza-Eszlarcr jüdisch-orthodoxen Synagoge, wo sie als Schächter angeblich behufs Abhalteus eines Probeschächteus und vou Probegesängen versammelt waren, die unter hinterlistigen Vorspiegelungen dahin gelockte Esther Solymosi mittels eiues am Halse derselben applizirten Schnittes Mit dem Schächtermesser ermordet zu haben — also heißt es in den amtlichen Motiven zu dem Beschlusse der Anklage, welche am 29. Juli von dem k. unga¬ rischen Gerichtshöfe zu Nyiregyhnza gefaßt worden ist, nachdem die Unter¬ suchung über zwei Monate lang mit der größten Energie geführt worden war. Was konnte zu dem Verbrechen die Ursache sein? Gewiß nicht Habsucht. Eil« vierzehnjähriges Mädchen, das in Diensten steht, ist wohl am wenigsten geeignet, Aussicht auf Befriedigung derselben zu gewähren. Oder Rachsucht? ^»es zu diesem Beweggrunde fehlt jeglicher Anstoß; redete doch der Haupt- "ugeklagte, der Schächter Schwarz, die Mutter freundlich und vertraulich an, was nicht möglich gewesen wäre, wenn vorher ein Zwist, der Rachsucht hätte erwecke« können, vorgefallen wäre. Auch ein geschlechtliches oder politisches Motiv zu der Blutthat anzunehmen, ist von vornherein ausgeschlossen. Dagegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/287>, abgerufen am 06.05.2024.