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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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schon erklärt haben, warum ich jenen Zug so und nicht anders gethan." "El
freilich," erwiederte der verehrte Prinz und wiederholte: "Man muß nicht
fragen." Es wurde nun nach geendigtem Spiele von mehreren Personen
viel gefragt und mauches besprochen, allein es würde zu weitläufig und er¬
müdend werden, wollte ich alle ausgesprochenen Bemerkungen hier wiedergeben.
Jedoch kann ich in Wahrheit versichern, daß dieses Spiel nicht nur sämmtlichen
Anwesenden neu, sondern auch der soeben geführte Kampf allen ein besonders
Interesse gewährte und beiden Brüdern Lob gespendet ward. Auch wurde leise
angedeutet, dieses Spiel vielleicht in den nächsten Tagen in Gegenwart unsers
Königs wiederholen zu lassen, allein es waren die sogenannten Schwarzen
im Anzug und also unterbliebs. So nahe schon hatte man diese nicht er¬
wartet. "

Diese Schwarzen waren keine andern als die tapfern Truppen des Her¬
zogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig - Oels, der von Böhmen aus einen
Einfall in Sachsen machte, um dieses in die Erhebung gegen Napoleon hinein¬
zuziehen -- ein verfehltes Unternehmen. Für den von Napoleon gänzlich schutz¬
los gelassenen sächsischen Hof aber verhängte dieser Einfall, dein am 11. Juni
die Besetzung Dresdens folgte, die Notwendigkeit weiterer Flucht; am 13. Juni
verließ der König Leipzig, um sich uach Frankfurt a. M. zu begeben. So mußte
die Wiederholung des Kriegsspiels unterbleiben.

Es sei gestattet, noch die Betrachtung beizufügen, mit welcher Schmorr
diese Erzählung beschließt. "Zufrieden mit der uns bewiesenen Aufnahme kehrten
wir still ueben einander her nach Hause. Doch regte sich so mancher Gedanke
in meinem Innersten, der hinwiederum manche Betrachtungen zur Folge hatte-
Indem ich nämlich noch einen Blick auf das so harmlose Kinderspiel in Gegen¬
wart unseres Königs Brüder und ihrer Umgebung warf, fand ich in dein an
und für sich bedeutungslosen Vorgang etwas ominöses, denn dieser Stnbenkcunpf
war nicht ohne Teilnahme zweier Parteien geführt worden, aber es hatte viel¬
leicht keiner von den Zuschauern eine Ahnung von der Wendung der Dinge,
wie solche nach vier Jahren sich in der Wirklichkeit gestalteten. Denn kein
Sterblicher vermag das kommende zu durchschauen. Jetzt war ich mit meinen
Söhnen zu Hause angekommen, und hier verlor sich das ungewisse in unsrer
häuslichen Wirklichkeit."

Das Kriegsspiel blieb bei allen Teilnehmern in gutem Gedächtnis. Als
Prinz Friedrich August im Jahre 1835 -- damals Mitregent König Autors --
in München weilte und den um diese Zeit schon weit berühmten Maler der'
Nibelungensäle wiedersah, gedachten beide Teile der vergangenen Zeit und des
Kriegsspieles vom Jahre 1809.")



*) Briefe von Veit Hans Schnurr von Ccirolsfeld an seinen Sohn Julius Schmorr von
Carolsfeld, 19. Dezember 1885, und ein seine Tochter Ottilie, 2. Dezember 1836.

schon erklärt haben, warum ich jenen Zug so und nicht anders gethan.« »El
freilich,« erwiederte der verehrte Prinz und wiederholte: »Man muß nicht
fragen.« Es wurde nun nach geendigtem Spiele von mehreren Personen
viel gefragt und mauches besprochen, allein es würde zu weitläufig und er¬
müdend werden, wollte ich alle ausgesprochenen Bemerkungen hier wiedergeben.
Jedoch kann ich in Wahrheit versichern, daß dieses Spiel nicht nur sämmtlichen
Anwesenden neu, sondern auch der soeben geführte Kampf allen ein besonders
Interesse gewährte und beiden Brüdern Lob gespendet ward. Auch wurde leise
angedeutet, dieses Spiel vielleicht in den nächsten Tagen in Gegenwart unsers
Königs wiederholen zu lassen, allein es waren die sogenannten Schwarzen
im Anzug und also unterbliebs. So nahe schon hatte man diese nicht er¬
wartet. "

Diese Schwarzen waren keine andern als die tapfern Truppen des Her¬
zogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig - Oels, der von Böhmen aus einen
Einfall in Sachsen machte, um dieses in die Erhebung gegen Napoleon hinein¬
zuziehen — ein verfehltes Unternehmen. Für den von Napoleon gänzlich schutz¬
los gelassenen sächsischen Hof aber verhängte dieser Einfall, dein am 11. Juni
die Besetzung Dresdens folgte, die Notwendigkeit weiterer Flucht; am 13. Juni
verließ der König Leipzig, um sich uach Frankfurt a. M. zu begeben. So mußte
die Wiederholung des Kriegsspiels unterbleiben.

Es sei gestattet, noch die Betrachtung beizufügen, mit welcher Schmorr
diese Erzählung beschließt. „Zufrieden mit der uns bewiesenen Aufnahme kehrten
wir still ueben einander her nach Hause. Doch regte sich so mancher Gedanke
in meinem Innersten, der hinwiederum manche Betrachtungen zur Folge hatte-
Indem ich nämlich noch einen Blick auf das so harmlose Kinderspiel in Gegen¬
wart unseres Königs Brüder und ihrer Umgebung warf, fand ich in dein an
und für sich bedeutungslosen Vorgang etwas ominöses, denn dieser Stnbenkcunpf
war nicht ohne Teilnahme zweier Parteien geführt worden, aber es hatte viel¬
leicht keiner von den Zuschauern eine Ahnung von der Wendung der Dinge,
wie solche nach vier Jahren sich in der Wirklichkeit gestalteten. Denn kein
Sterblicher vermag das kommende zu durchschauen. Jetzt war ich mit meinen
Söhnen zu Hause angekommen, und hier verlor sich das ungewisse in unsrer
häuslichen Wirklichkeit."

Das Kriegsspiel blieb bei allen Teilnehmern in gutem Gedächtnis. Als
Prinz Friedrich August im Jahre 1835 — damals Mitregent König Autors —
in München weilte und den um diese Zeit schon weit berühmten Maler der'
Nibelungensäle wiedersah, gedachten beide Teile der vergangenen Zeit und des
Kriegsspieles vom Jahre 1809.»)



*) Briefe von Veit Hans Schnurr von Ccirolsfeld an seinen Sohn Julius Schmorr von
Carolsfeld, 19. Dezember 1885, und ein seine Tochter Ottilie, 2. Dezember 1836.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/286>, abgerufen am 26.05.2024.