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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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9le deutschen Kriegervereine.
Lin Beitrag zur Geschichte des Partikularismus.

KMmeer den verschiednen Faktoren, welche es dem tief gedemütigten
Preußen im zweiten Dezennium unsers Jahrhunderts ermöglichten,
aus der Zeit schwersten politischen Niederganges und äußerster
materieller Erschöpfung zu erneuter Kraftentwicklung sich aufzu¬
richten, nehmen die Anfänge der allgemeinen Wehrpflicht nicht die
letzte Stelle ein. Die gesunde Weiterentwicklung des hohen Gedankens, welcher
die Verteidigung des Vaterlandes der Gesamtheit aller waffenfähigen Männer
überträgt, statt die höchsten Güter der Nation einer besoldeten Klasse sogenannter
Berufssoldaten anzuvertrauen, hatte die Schaffung eines Heeres im Gefolge,
dessen Siegeslauf grundlegend geworden ist für die weitere Machtentfaltung
Preußens, wie später für die Weltstellung des neuen deutschen Reiches. Dies
hat man auch über die Grenzen Deutschlands hinaus wohl erkannt, und so
sehen wir jetzt die Heereseinrichtungen fast sämtlicher europäischen Großmächte
sich auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht stützen.

In Preußen wie in Deutschland überhaupt erblickt man in dem aus der
allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heere nicht allein das scharfe Kriegs¬
instrument, welches in jahrelanger mühevoller Friedensarbeit geschult worden ist,
äußere Feinde siegreich niederzuwerfen, und den roollsr as oror^ö, dessen ruhiges
und festes Eintreten fiir die Sache der legitimen Herrscher und der gesetzmäßigen
Institutionen über allem Zweifel erhaben ist, wenn, was Gott verhüten möge,
die Hydra revolutionärer Bestrebungen in unserm Vaterlande es wagen sollte,
ihr Haupt zu erheben. Zwar tritt die Leistung des Heeres als das Schwert
Deutschlands nach außen hin zuerst und am augenscheinlichsten hervor, doch
erwächst dem Staate und der Gesamtheit der Nation aus der allgemeinen Wehr¬
pflicht auch ein innerer Vorteil von hoher, nicht zu unterschützender Bedeutung.
Dieser liegt begründet in der pädagogischen Aufgabe der Armee, welche sich
nicht damit begnügt, die zu den Fahnen einberufenen Männer mit den Grund¬
zügen des eigentlichen Kriegshandwerks, dem Gebrauche der Waffen und der¬
gleichen bekannt zu machen, sondern bestrebt ist, die ihrer Fürsorge anvertrauten
Landeskinder zu körperlich und geistig gesunden Menschen weiterzubilden, das
Gefühl der Zusammengehörigkeit, Treue gegen das Vaterland und das ange¬
stammte Herrscherhaus, Gehorsam, willige Unterordnung, zugleich mit der ge¬
steigerten Urteilskraft des Gefühls der eignen Menschenwürde, zu wecken und
zu fördern und für die Vermehrung solcher Kenntnisse Sorge zu tragen, welche
dem Einzelnen im spätern bürgerlichen Leben nötig und von Vorteil sind.


9le deutschen Kriegervereine.
Lin Beitrag zur Geschichte des Partikularismus.

KMmeer den verschiednen Faktoren, welche es dem tief gedemütigten
Preußen im zweiten Dezennium unsers Jahrhunderts ermöglichten,
aus der Zeit schwersten politischen Niederganges und äußerster
materieller Erschöpfung zu erneuter Kraftentwicklung sich aufzu¬
richten, nehmen die Anfänge der allgemeinen Wehrpflicht nicht die
letzte Stelle ein. Die gesunde Weiterentwicklung des hohen Gedankens, welcher
die Verteidigung des Vaterlandes der Gesamtheit aller waffenfähigen Männer
überträgt, statt die höchsten Güter der Nation einer besoldeten Klasse sogenannter
Berufssoldaten anzuvertrauen, hatte die Schaffung eines Heeres im Gefolge,
dessen Siegeslauf grundlegend geworden ist für die weitere Machtentfaltung
Preußens, wie später für die Weltstellung des neuen deutschen Reiches. Dies
hat man auch über die Grenzen Deutschlands hinaus wohl erkannt, und so
sehen wir jetzt die Heereseinrichtungen fast sämtlicher europäischen Großmächte
sich auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht stützen.

In Preußen wie in Deutschland überhaupt erblickt man in dem aus der
allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heere nicht allein das scharfe Kriegs¬
instrument, welches in jahrelanger mühevoller Friedensarbeit geschult worden ist,
äußere Feinde siegreich niederzuwerfen, und den roollsr as oror^ö, dessen ruhiges
und festes Eintreten fiir die Sache der legitimen Herrscher und der gesetzmäßigen
Institutionen über allem Zweifel erhaben ist, wenn, was Gott verhüten möge,
die Hydra revolutionärer Bestrebungen in unserm Vaterlande es wagen sollte,
ihr Haupt zu erheben. Zwar tritt die Leistung des Heeres als das Schwert
Deutschlands nach außen hin zuerst und am augenscheinlichsten hervor, doch
erwächst dem Staate und der Gesamtheit der Nation aus der allgemeinen Wehr¬
pflicht auch ein innerer Vorteil von hoher, nicht zu unterschützender Bedeutung.
Dieser liegt begründet in der pädagogischen Aufgabe der Armee, welche sich
nicht damit begnügt, die zu den Fahnen einberufenen Männer mit den Grund¬
zügen des eigentlichen Kriegshandwerks, dem Gebrauche der Waffen und der¬
gleichen bekannt zu machen, sondern bestrebt ist, die ihrer Fürsorge anvertrauten
Landeskinder zu körperlich und geistig gesunden Menschen weiterzubilden, das
Gefühl der Zusammengehörigkeit, Treue gegen das Vaterland und das ange¬
stammte Herrscherhaus, Gehorsam, willige Unterordnung, zugleich mit der ge¬
steigerten Urteilskraft des Gefühls der eignen Menschenwürde, zu wecken und
zu fördern und für die Vermehrung solcher Kenntnisse Sorge zu tragen, welche
dem Einzelnen im spätern bürgerlichen Leben nötig und von Vorteil sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/200>, abgerufen am 06.05.2024.