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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Krach.

fischen Unterhause herrscht eben kein Überfluß an bedeutenden Staatsmännern.
Ein Mangel der gegenwärtige" Einrichtungen ist, daß sie die begabtesten Po¬
litiker bewegen, sich im Senat eine ruhige und würdige Stelle zu suchen, ein Be¬
streben, welches die Deputirten ihrer am meisten zu Führern geeigneten Mitglieder
beraubt. Alle Exminister flüchten sich in das Oberhaus wie in einen Ruhehafen.
Nähme diese Körperschaft im Staate eine Stellung ein wie der Senat in den
Vereinigten Staaten, so würde das gut sür das Land sein. Wie die Dinge
stehen, ist die Eigenschaft des Senats, auf Männer von Fähigkeiten starke An¬
ziehungskraft auszuüben, el" Nachteil für die Deputirtenkammer, der umso ge¬
fährlicher ist, je größerer Macht sich diese Körperschaft erfreut. Wir werden
jetzt einen Konflikt der beiden Kammern erleben, und das neue Ministerium
wird die nicht beneidenswerte Aufgabe haben, sich eine Politik auszusinnen,
die auf eine Versöhnung hinzuwirken geeignet ist.




Der zweite pariser Krach.
3.

MWas zweite Kaiserreich galt als der Höhepunkt politischer und wirt¬
schaftlicher Reaktion^ es ist von den Koryphäen des heutigen
Regiments oft genug so bezeichnet worden. Dennoch hat die dritte
Republik den Cäsnrismus auch in dieser Beziehung in den
Schatten gestellt.

Es erschien freilich als ein Triumph ohne gleichen, daß die Regierung
eines geschlagenen Landes binnen zwei Jahren Anleihen im Betrage von sechs
Milliarden Franks ohne formelle Schwierigkeiten mit einem beispiellosen Über¬
angebot von Kapital zustande brachte, während das siegreiche Nachbarland vor
dem Ausbruche des Krieges von den Börsen des eignen Landes im Stiche ge¬
lassen worden war und sich an die englische Börse hatte wenden müssen. Selbst
diese Börsen, die damals dem eignen Lande versagt hatten, waren jetzt eilig,
den Segen des Kapitals über Frankreich auszuschütten. Allein dieser merk¬
würdige Eifer für das "Beste" Frankreichs hat eine starke Schattenseite in der
Thatsache, daß die direkten Bankiersprovisionen, um welche der Ertrag der allein
in den Jahren 1871 bis 1878 gemachten französischen Anleihen dem Staate
gekürzt wurde, den Betrag von 300 Millionen Franks erheblich übersteigen --
ganz abgesehen von den Zwischenposten der schwebenden Anleihen, deren Betrag
man gegenwärtig aus 2 Milliarden beziffert und an denen die "Bankiers" direkt


Grenzbote,, 1. 1883, SO
Der zweite Pariser Krach.

fischen Unterhause herrscht eben kein Überfluß an bedeutenden Staatsmännern.
Ein Mangel der gegenwärtige» Einrichtungen ist, daß sie die begabtesten Po¬
litiker bewegen, sich im Senat eine ruhige und würdige Stelle zu suchen, ein Be¬
streben, welches die Deputirten ihrer am meisten zu Führern geeigneten Mitglieder
beraubt. Alle Exminister flüchten sich in das Oberhaus wie in einen Ruhehafen.
Nähme diese Körperschaft im Staate eine Stellung ein wie der Senat in den
Vereinigten Staaten, so würde das gut sür das Land sein. Wie die Dinge
stehen, ist die Eigenschaft des Senats, auf Männer von Fähigkeiten starke An¬
ziehungskraft auszuüben, el» Nachteil für die Deputirtenkammer, der umso ge¬
fährlicher ist, je größerer Macht sich diese Körperschaft erfreut. Wir werden
jetzt einen Konflikt der beiden Kammern erleben, und das neue Ministerium
wird die nicht beneidenswerte Aufgabe haben, sich eine Politik auszusinnen,
die auf eine Versöhnung hinzuwirken geeignet ist.




Der zweite pariser Krach.
3.

MWas zweite Kaiserreich galt als der Höhepunkt politischer und wirt¬
schaftlicher Reaktion^ es ist von den Koryphäen des heutigen
Regiments oft genug so bezeichnet worden. Dennoch hat die dritte
Republik den Cäsnrismus auch in dieser Beziehung in den
Schatten gestellt.

Es erschien freilich als ein Triumph ohne gleichen, daß die Regierung
eines geschlagenen Landes binnen zwei Jahren Anleihen im Betrage von sechs
Milliarden Franks ohne formelle Schwierigkeiten mit einem beispiellosen Über¬
angebot von Kapital zustande brachte, während das siegreiche Nachbarland vor
dem Ausbruche des Krieges von den Börsen des eignen Landes im Stiche ge¬
lassen worden war und sich an die englische Börse hatte wenden müssen. Selbst
diese Börsen, die damals dem eignen Lande versagt hatten, waren jetzt eilig,
den Segen des Kapitals über Frankreich auszuschütten. Allein dieser merk¬
würdige Eifer für das „Beste" Frankreichs hat eine starke Schattenseite in der
Thatsache, daß die direkten Bankiersprovisionen, um welche der Ertrag der allein
in den Jahren 1871 bis 1878 gemachten französischen Anleihen dem Staate
gekürzt wurde, den Betrag von 300 Millionen Franks erheblich übersteigen —
ganz abgesehen von den Zwischenposten der schwebenden Anleihen, deren Betrag
man gegenwärtig aus 2 Milliarden beziffert und an denen die „Bankiers" direkt


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[0401] Der zweite Pariser Krach. fischen Unterhause herrscht eben kein Überfluß an bedeutenden Staatsmännern. Ein Mangel der gegenwärtige» Einrichtungen ist, daß sie die begabtesten Po¬ litiker bewegen, sich im Senat eine ruhige und würdige Stelle zu suchen, ein Be¬ streben, welches die Deputirten ihrer am meisten zu Führern geeigneten Mitglieder beraubt. Alle Exminister flüchten sich in das Oberhaus wie in einen Ruhehafen. Nähme diese Körperschaft im Staate eine Stellung ein wie der Senat in den Vereinigten Staaten, so würde das gut sür das Land sein. Wie die Dinge stehen, ist die Eigenschaft des Senats, auf Männer von Fähigkeiten starke An¬ ziehungskraft auszuüben, el» Nachteil für die Deputirtenkammer, der umso ge¬ fährlicher ist, je größerer Macht sich diese Körperschaft erfreut. Wir werden jetzt einen Konflikt der beiden Kammern erleben, und das neue Ministerium wird die nicht beneidenswerte Aufgabe haben, sich eine Politik auszusinnen, die auf eine Versöhnung hinzuwirken geeignet ist. Der zweite pariser Krach. 3. MWas zweite Kaiserreich galt als der Höhepunkt politischer und wirt¬ schaftlicher Reaktion^ es ist von den Koryphäen des heutigen Regiments oft genug so bezeichnet worden. Dennoch hat die dritte Republik den Cäsnrismus auch in dieser Beziehung in den Schatten gestellt. Es erschien freilich als ein Triumph ohne gleichen, daß die Regierung eines geschlagenen Landes binnen zwei Jahren Anleihen im Betrage von sechs Milliarden Franks ohne formelle Schwierigkeiten mit einem beispiellosen Über¬ angebot von Kapital zustande brachte, während das siegreiche Nachbarland vor dem Ausbruche des Krieges von den Börsen des eignen Landes im Stiche ge¬ lassen worden war und sich an die englische Börse hatte wenden müssen. Selbst diese Börsen, die damals dem eignen Lande versagt hatten, waren jetzt eilig, den Segen des Kapitals über Frankreich auszuschütten. Allein dieser merk¬ würdige Eifer für das „Beste" Frankreichs hat eine starke Schattenseite in der Thatsache, daß die direkten Bankiersprovisionen, um welche der Ertrag der allein in den Jahren 1871 bis 1878 gemachten französischen Anleihen dem Staate gekürzt wurde, den Betrag von 300 Millionen Franks erheblich übersteigen — ganz abgesehen von den Zwischenposten der schwebenden Anleihen, deren Betrag man gegenwärtig aus 2 Milliarden beziffert und an denen die „Bankiers" direkt Grenzbote,, 1. 1883, SO

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/401>, abgerufen am 06.05.2024.