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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite pariser Arach.

ebenfalls mehr als 300 Millionen Franks "verdient" haben. Hierzu kommt der
indirekte Gewinn, der sich aus der Agiotage ergiebt und dessen Betrag sich nach
Milliarden beziffert, da der erste Emissionskurs der fünfprozentigen Rente wenig
über 80 war und der letzte unter 90 blieb. Man kann aber ohne weiteres
behaupten, daß von den ersten Zeichnungen sämtlicher Anleihen nur ein ver¬
schwindender Betrag in die Hände des Publikums direkt gelangt ist, da die
Zeichnungen fast sämtlich durch die Hunde von Kommissionären liefen und von
diesen nach Belieben behandelt wurden. Dabei realisirte der Staat aus den
Anleihen von 1871 und 1872 allein 1140000000 Franks weniger, als er nach
dem Nominalbetrage hätte realisiren sollen. Später gestaltete es sich allerdings
günstiger; jedoch war auch dann der Hauptvorteil von der Börse bereits vorweg¬
genommen worden. Hierzu hatten die Anleihen des Staates bei der Bank in
erster Linie beigetragen. Denn diese Anleihen wurden zum unerhörtesten Staats-
geschenk an die HÄutö-tmanos gestaltet, indem man der Bank gestattete, den
vollen Betrag der bei ihr aufgenommenen verzinslichen Darlehen ihrerseits durch
Ausgabe unverzinslicher Noten auf das Publikum abzuwälzen.

Selbstverständlich wußte die Kg,nec-üimlio<z ihre Pfeifen daraus sofort zu
schneiden. Die Bankaktien, die größtenteils in ihrem Besitz waren, und zwar
von ihr vielfach billig gekauft im Laufe des Krieges, wo die kleinen Kapita¬
listen entmutigt waren und vielfach selbst Geld brauchten, wurden nun zu
einem Agivtagepapier ersten Ranges. Die großen Dividenden, die sie selbstver¬
ständlich verteilen konnte, wo sonst jedermann darbte, da ihr ja die Zinse" von
zwei Milliarden aus der Staatskasse zuflössen, während sie dafür keinen realen
Wert, sondern nur unverzinsliche Scheine ausgegeben hatte, mußten die Bank¬
aktien zum preiswertesten Papiere machen, was die Börscnpresse selbstverständ¬
lich in das beste Licht setzte. Und zu Kursen, welche an den Lawschen Schwindel
erinnerten, verkaufte Rothschild und Genossen die billig gekauften Aktien, um
sie dann, als normalere Verhältnisse zurückgekehrt waren, infolge deren die
Bankdividenden entsprechend zurückgingen, zu den niedrigern Kursen leicht wieder
an sich zu bringen. Ebensowenig wie die Hautö-tmknoö skrupulös war, als es
galt, auf dem Wege der gewöhnlichen Agiotage aus dem durch den Krieg ver¬
ursachten Unheil Nutzen zu ziehen, ebensowenig war sie jemals, wie wir schon
oben gesehen haben, skrupulös, wenn es galt, ihre bösartigsten Gründungen
dnrch den Staat "saniren" zu lassen. In der freundschaftlichsten Weise über¬
nahm denn auch der französische Staat einen Haufen echter Gründerbahncn, die
kaum die Betriebskosten deckten, und zahlte den Gründern, was sie dafür zu
fordern für gut fanden!

Thiers, den ehedem Rothschild befehdet und, wenigstens nach den Behaup¬
tungen der Finanzreklame jener Zeit, vom Ministerposten gestürzt hatte, war
längst der Mann Rothschilds geworden. Er war ja immer nur "Oppor¬
tunist," also einer jener Politiker, die nicht lenken, sondern sich lenken lassen.


Der zweite pariser Arach.

ebenfalls mehr als 300 Millionen Franks „verdient" haben. Hierzu kommt der
indirekte Gewinn, der sich aus der Agiotage ergiebt und dessen Betrag sich nach
Milliarden beziffert, da der erste Emissionskurs der fünfprozentigen Rente wenig
über 80 war und der letzte unter 90 blieb. Man kann aber ohne weiteres
behaupten, daß von den ersten Zeichnungen sämtlicher Anleihen nur ein ver¬
schwindender Betrag in die Hände des Publikums direkt gelangt ist, da die
Zeichnungen fast sämtlich durch die Hunde von Kommissionären liefen und von
diesen nach Belieben behandelt wurden. Dabei realisirte der Staat aus den
Anleihen von 1871 und 1872 allein 1140000000 Franks weniger, als er nach
dem Nominalbetrage hätte realisiren sollen. Später gestaltete es sich allerdings
günstiger; jedoch war auch dann der Hauptvorteil von der Börse bereits vorweg¬
genommen worden. Hierzu hatten die Anleihen des Staates bei der Bank in
erster Linie beigetragen. Denn diese Anleihen wurden zum unerhörtesten Staats-
geschenk an die HÄutö-tmanos gestaltet, indem man der Bank gestattete, den
vollen Betrag der bei ihr aufgenommenen verzinslichen Darlehen ihrerseits durch
Ausgabe unverzinslicher Noten auf das Publikum abzuwälzen.

Selbstverständlich wußte die Kg,nec-üimlio<z ihre Pfeifen daraus sofort zu
schneiden. Die Bankaktien, die größtenteils in ihrem Besitz waren, und zwar
von ihr vielfach billig gekauft im Laufe des Krieges, wo die kleinen Kapita¬
listen entmutigt waren und vielfach selbst Geld brauchten, wurden nun zu
einem Agivtagepapier ersten Ranges. Die großen Dividenden, die sie selbstver¬
ständlich verteilen konnte, wo sonst jedermann darbte, da ihr ja die Zinse» von
zwei Milliarden aus der Staatskasse zuflössen, während sie dafür keinen realen
Wert, sondern nur unverzinsliche Scheine ausgegeben hatte, mußten die Bank¬
aktien zum preiswertesten Papiere machen, was die Börscnpresse selbstverständ¬
lich in das beste Licht setzte. Und zu Kursen, welche an den Lawschen Schwindel
erinnerten, verkaufte Rothschild und Genossen die billig gekauften Aktien, um
sie dann, als normalere Verhältnisse zurückgekehrt waren, infolge deren die
Bankdividenden entsprechend zurückgingen, zu den niedrigern Kursen leicht wieder
an sich zu bringen. Ebensowenig wie die Hautö-tmknoö skrupulös war, als es
galt, auf dem Wege der gewöhnlichen Agiotage aus dem durch den Krieg ver¬
ursachten Unheil Nutzen zu ziehen, ebensowenig war sie jemals, wie wir schon
oben gesehen haben, skrupulös, wenn es galt, ihre bösartigsten Gründungen
dnrch den Staat „saniren" zu lassen. In der freundschaftlichsten Weise über¬
nahm denn auch der französische Staat einen Haufen echter Gründerbahncn, die
kaum die Betriebskosten deckten, und zahlte den Gründern, was sie dafür zu
fordern für gut fanden!

Thiers, den ehedem Rothschild befehdet und, wenigstens nach den Behaup¬
tungen der Finanzreklame jener Zeit, vom Ministerposten gestürzt hatte, war
längst der Mann Rothschilds geworden. Er war ja immer nur „Oppor¬
tunist," also einer jener Politiker, die nicht lenken, sondern sich lenken lassen.


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[0402] Der zweite pariser Arach. ebenfalls mehr als 300 Millionen Franks „verdient" haben. Hierzu kommt der indirekte Gewinn, der sich aus der Agiotage ergiebt und dessen Betrag sich nach Milliarden beziffert, da der erste Emissionskurs der fünfprozentigen Rente wenig über 80 war und der letzte unter 90 blieb. Man kann aber ohne weiteres behaupten, daß von den ersten Zeichnungen sämtlicher Anleihen nur ein ver¬ schwindender Betrag in die Hände des Publikums direkt gelangt ist, da die Zeichnungen fast sämtlich durch die Hunde von Kommissionären liefen und von diesen nach Belieben behandelt wurden. Dabei realisirte der Staat aus den Anleihen von 1871 und 1872 allein 1140000000 Franks weniger, als er nach dem Nominalbetrage hätte realisiren sollen. Später gestaltete es sich allerdings günstiger; jedoch war auch dann der Hauptvorteil von der Börse bereits vorweg¬ genommen worden. Hierzu hatten die Anleihen des Staates bei der Bank in erster Linie beigetragen. Denn diese Anleihen wurden zum unerhörtesten Staats- geschenk an die HÄutö-tmanos gestaltet, indem man der Bank gestattete, den vollen Betrag der bei ihr aufgenommenen verzinslichen Darlehen ihrerseits durch Ausgabe unverzinslicher Noten auf das Publikum abzuwälzen. Selbstverständlich wußte die Kg,nec-üimlio<z ihre Pfeifen daraus sofort zu schneiden. Die Bankaktien, die größtenteils in ihrem Besitz waren, und zwar von ihr vielfach billig gekauft im Laufe des Krieges, wo die kleinen Kapita¬ listen entmutigt waren und vielfach selbst Geld brauchten, wurden nun zu einem Agivtagepapier ersten Ranges. Die großen Dividenden, die sie selbstver¬ ständlich verteilen konnte, wo sonst jedermann darbte, da ihr ja die Zinse» von zwei Milliarden aus der Staatskasse zuflössen, während sie dafür keinen realen Wert, sondern nur unverzinsliche Scheine ausgegeben hatte, mußten die Bank¬ aktien zum preiswertesten Papiere machen, was die Börscnpresse selbstverständ¬ lich in das beste Licht setzte. Und zu Kursen, welche an den Lawschen Schwindel erinnerten, verkaufte Rothschild und Genossen die billig gekauften Aktien, um sie dann, als normalere Verhältnisse zurückgekehrt waren, infolge deren die Bankdividenden entsprechend zurückgingen, zu den niedrigern Kursen leicht wieder an sich zu bringen. Ebensowenig wie die Hautö-tmknoö skrupulös war, als es galt, auf dem Wege der gewöhnlichen Agiotage aus dem durch den Krieg ver¬ ursachten Unheil Nutzen zu ziehen, ebensowenig war sie jemals, wie wir schon oben gesehen haben, skrupulös, wenn es galt, ihre bösartigsten Gründungen dnrch den Staat „saniren" zu lassen. In der freundschaftlichsten Weise über¬ nahm denn auch der französische Staat einen Haufen echter Gründerbahncn, die kaum die Betriebskosten deckten, und zahlte den Gründern, was sie dafür zu fordern für gut fanden! Thiers, den ehedem Rothschild befehdet und, wenigstens nach den Behaup¬ tungen der Finanzreklame jener Zeit, vom Ministerposten gestürzt hatte, war längst der Mann Rothschilds geworden. Er war ja immer nur „Oppor¬ tunist," also einer jener Politiker, die nicht lenken, sondern sich lenken lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/402>, abgerufen am 26.05.2024.