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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Notizen,

er durch die Annahme derselben einem persönlich ausgesprochenen Wunsche jener
Fürstin nachkommen würde, die für den Künstler das wärmste Interesse gezeigt
habe. Freudestrahlend eilte Oswald mit diesem Schreiben, das er im
Atelier empfangen hatte, in die untern Räume, wo Francesca um den kranken
Marchese beschäftigt war. Er teilte ihr in freudiger Aufregung den Inhalt der
beiden Briefe mit, aber der traurige Blick, den sie auf Don Baldassare warf,
belehrte ihn bald, mit wie gemischen Gefühlen Francesca diese Kunde aufnahm.
Er wagte es nicht, mit ihr die Situation zu erörtern, auch sie trug Scheu, alle
ihre Empfindungen Oswald aufs neue darzulegen, und so wurden die Briefe fast
totgeschwiegen. Nach einigen Tagen dankte Oswald dem Minister und bat ihn,
die Ablehnung der Professur mit Verhältnissen in der Familie entschuldigen zu
wollen; er versprach, sobald sich die Krankheit eines nahen Angehörigen seiner
Frau entschieden habe, seine Dienste freiwillig seinem Vaterlande zur Verfügung
zu stellen. Seit dieser Zeit war das Haus, dessen Charakter sich in den letzten
Monaten verändert zu haben schien, wieder still geworden. Zwischen den Ehe¬
gatten war eine gewisse Entfremdung eingetreten; Oswald studirte eifrig in alten
^ostümwerken und ließ sich nur ungern von seiner Frau stören, obwohl diese
nicht aufhörte, ihre Zeit zwischen ihrem Manne und ihrem Oheim zu teilen
und sich vergeblich bemühte, dem erstem durch desto größere Zärtlichkeit das
Fehlschlagen seiner Pläne vergessen zu machen.

(Schluß folgt.)




Notizen.
Goethe und Hummel.

In der langen Reihe von Komponisten, die mit
Goethe in Berührung gekommen sind -- sie beginnt Ende der sechziger und An¬
fang der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts mit Breitkopf, Kupfer und Andree
und endigt sechzig Jahre später mit Zelter, Hummel und Mendelssohn --, ist der
Weimarer Kapellmeister Hummel, der gefeiertste Klavierspieler und zugleich einer
der fruchtbarsten und anmutigsten Komponisten seiner Zeit, derjenige, über dessen
Beziehungen zu Goethe bisher am wenigsten bekannt geworden ist. Ferdinand
Hiller, der letzte, der das schon oft behandelte Thema "Goethe und die Musik" nochmals
behandelt hat (Westermanns Monatshefte, 1382, Band 62), spricht nur von dem
Klavierspieler Hummel und führt nur die paar Stellen aus den "Tag- und
Jahresheften" und aus "Eckcrmanus Gesprächen" an, die sich auf Goethes Be¬
wunderung des Hummelschen Klavicrspicls beziehen. Des Komponisten Hummel,
des Komponisten Gocthischcr Lieder, gedenkt Hiller mit keiner Silbe, und doch war
Hiller Hummcls Schüler und ist als solcher sogar von Goethe 1827 besungen
worden ("Ein Talent, das jedem frommt," Hempcl III, 365).


Notizen,

er durch die Annahme derselben einem persönlich ausgesprochenen Wunsche jener
Fürstin nachkommen würde, die für den Künstler das wärmste Interesse gezeigt
habe. Freudestrahlend eilte Oswald mit diesem Schreiben, das er im
Atelier empfangen hatte, in die untern Räume, wo Francesca um den kranken
Marchese beschäftigt war. Er teilte ihr in freudiger Aufregung den Inhalt der
beiden Briefe mit, aber der traurige Blick, den sie auf Don Baldassare warf,
belehrte ihn bald, mit wie gemischen Gefühlen Francesca diese Kunde aufnahm.
Er wagte es nicht, mit ihr die Situation zu erörtern, auch sie trug Scheu, alle
ihre Empfindungen Oswald aufs neue darzulegen, und so wurden die Briefe fast
totgeschwiegen. Nach einigen Tagen dankte Oswald dem Minister und bat ihn,
die Ablehnung der Professur mit Verhältnissen in der Familie entschuldigen zu
wollen; er versprach, sobald sich die Krankheit eines nahen Angehörigen seiner
Frau entschieden habe, seine Dienste freiwillig seinem Vaterlande zur Verfügung
zu stellen. Seit dieser Zeit war das Haus, dessen Charakter sich in den letzten
Monaten verändert zu haben schien, wieder still geworden. Zwischen den Ehe¬
gatten war eine gewisse Entfremdung eingetreten; Oswald studirte eifrig in alten
^ostümwerken und ließ sich nur ungern von seiner Frau stören, obwohl diese
nicht aufhörte, ihre Zeit zwischen ihrem Manne und ihrem Oheim zu teilen
und sich vergeblich bemühte, dem erstem durch desto größere Zärtlichkeit das
Fehlschlagen seiner Pläne vergessen zu machen.

(Schluß folgt.)




Notizen.
Goethe und Hummel.

In der langen Reihe von Komponisten, die mit
Goethe in Berührung gekommen sind — sie beginnt Ende der sechziger und An¬
fang der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts mit Breitkopf, Kupfer und Andree
und endigt sechzig Jahre später mit Zelter, Hummel und Mendelssohn —, ist der
Weimarer Kapellmeister Hummel, der gefeiertste Klavierspieler und zugleich einer
der fruchtbarsten und anmutigsten Komponisten seiner Zeit, derjenige, über dessen
Beziehungen zu Goethe bisher am wenigsten bekannt geworden ist. Ferdinand
Hiller, der letzte, der das schon oft behandelte Thema „Goethe und die Musik" nochmals
behandelt hat (Westermanns Monatshefte, 1382, Band 62), spricht nur von dem
Klavierspieler Hummel und führt nur die paar Stellen aus den „Tag- und
Jahresheften" und aus „Eckcrmanus Gesprächen" an, die sich auf Goethes Be¬
wunderung des Hummelschen Klavicrspicls beziehen. Des Komponisten Hummel,
des Komponisten Gocthischcr Lieder, gedenkt Hiller mit keiner Silbe, und doch war
Hiller Hummcls Schüler und ist als solcher sogar von Goethe 1827 besungen
worden („Ein Talent, das jedem frommt," Hempcl III, 365).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/423>, abgerufen am 03.05.2024.