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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Vereinfachung der Schwurgerichte.

Allein dies ändert an der Thatsache nichts, daß die Kapitalisten in gedrückter
Lage sind. Vielleicht gleicht sich bei einigen oder auch bei vielen Nachteil und
Vorteil aus, indem sie zugleich Kapitalisten und Schuldner sind, aber gerade
bei den kleinsten Leuten wird dies kaum der Fall sein. Jedenfalls sind die
vorgetragenen Ergebnisse der Sparkassenstatistik gerade für das Königreich
Sachsen sehr bemerkenswert, weil dieses Land mehr als jedes andre von der
Sozialdemokratie unterwühlt ist und von dem Geschrei: Der Racker, das Kapital!
ertönt. (Fortsetzung folgt,)




Die Vereinfachung der Schwurgerichte.

ein Bundesrate ist neuerdings ein Gesetzentwurf vorgelegt worden,
welcher eine Vereinfachung der Schwurgerichte und damit eine
Erleichterung der Erfüllung des Geschworeneudieustes bezweckt.
Nach der bestehenden Gesehgebung sind zu den jedes Quartal
stattfindenden Schwurgerichtssitzungen, welche oft mehrere Wochen
dauern, stets dreißig Hauptgcschworene berufen, aus welchen je vor Beginn der
Verhandlung eines Falles zwölf Personen ausgelost werden, welche dann für
den betreffenden Fall Dienst zu leisten haben? die nicht gezogenen Personen sind
für diesen Fall zum Dienste nicht berufen, sie müssen dagegen je zu Beginn der
nächsten Verhandlung wieder erscheinen, um sich einer neuen Auslosung zu
unterziehen und können deshalb, auch wenn sie an dem betreffenden Tage nicht
zum Dienste nötig sind, sich vom Sitzuugsorte nicht entfernen, wenn sie nicbt
in allernächster Nähe wohnen, da sie jeden Morgen wieder anzutreten haben
und nur eine einmalige Entschädigung für Hin- und Rückreise auf die ganze
Dauer der Sitzungsperiode erhalten. Die Geschworenen sind also jedes Quartal
in der Regel mehrere Wochen ihren Geschäften entzogen, liegen unthätig in
der Gerichtsstadt und haben einen erheblichen Aufwand zu bestreiten, der ihnen
nicht ersetzt wird. Zur Verminderung dieser Übelstände schlägt der obenerwähnte
Gesetzentwurf vor, statt dreißig Hauptgeschwvrenen nur dreizehn aufzulösen und
zur Entscheidung im einzelnen Falle statt zwölf nur sechs Geschworene zu be¬
rufen, welche über die Schuld des Angeklagten zu entscheiden haben, und eine
Frage zum Nachteile des letzteren mit vier gegen zwei Stimmen entscheiden.
Zur weiteren Sicherheit des Angeklagten hat der Entwurf die Bestimmung auf¬
genommen, daß, wenn die dem Angeklagten nachteilige Entscheidung nur mit
vier gegen zwei Stimmen gefällt ist, das Gericht selbst (d. h. das Kollegium


Die Vereinfachung der Schwurgerichte.

Allein dies ändert an der Thatsache nichts, daß die Kapitalisten in gedrückter
Lage sind. Vielleicht gleicht sich bei einigen oder auch bei vielen Nachteil und
Vorteil aus, indem sie zugleich Kapitalisten und Schuldner sind, aber gerade
bei den kleinsten Leuten wird dies kaum der Fall sein. Jedenfalls sind die
vorgetragenen Ergebnisse der Sparkassenstatistik gerade für das Königreich
Sachsen sehr bemerkenswert, weil dieses Land mehr als jedes andre von der
Sozialdemokratie unterwühlt ist und von dem Geschrei: Der Racker, das Kapital!
ertönt. (Fortsetzung folgt,)




Die Vereinfachung der Schwurgerichte.

ein Bundesrate ist neuerdings ein Gesetzentwurf vorgelegt worden,
welcher eine Vereinfachung der Schwurgerichte und damit eine
Erleichterung der Erfüllung des Geschworeneudieustes bezweckt.
Nach der bestehenden Gesehgebung sind zu den jedes Quartal
stattfindenden Schwurgerichtssitzungen, welche oft mehrere Wochen
dauern, stets dreißig Hauptgcschworene berufen, aus welchen je vor Beginn der
Verhandlung eines Falles zwölf Personen ausgelost werden, welche dann für
den betreffenden Fall Dienst zu leisten haben? die nicht gezogenen Personen sind
für diesen Fall zum Dienste nicht berufen, sie müssen dagegen je zu Beginn der
nächsten Verhandlung wieder erscheinen, um sich einer neuen Auslosung zu
unterziehen und können deshalb, auch wenn sie an dem betreffenden Tage nicht
zum Dienste nötig sind, sich vom Sitzuugsorte nicht entfernen, wenn sie nicbt
in allernächster Nähe wohnen, da sie jeden Morgen wieder anzutreten haben
und nur eine einmalige Entschädigung für Hin- und Rückreise auf die ganze
Dauer der Sitzungsperiode erhalten. Die Geschworenen sind also jedes Quartal
in der Regel mehrere Wochen ihren Geschäften entzogen, liegen unthätig in
der Gerichtsstadt und haben einen erheblichen Aufwand zu bestreiten, der ihnen
nicht ersetzt wird. Zur Verminderung dieser Übelstände schlägt der obenerwähnte
Gesetzentwurf vor, statt dreißig Hauptgeschwvrenen nur dreizehn aufzulösen und
zur Entscheidung im einzelnen Falle statt zwölf nur sechs Geschworene zu be¬
rufen, welche über die Schuld des Angeklagten zu entscheiden haben, und eine
Frage zum Nachteile des letzteren mit vier gegen zwei Stimmen entscheiden.
Zur weiteren Sicherheit des Angeklagten hat der Entwurf die Bestimmung auf¬
genommen, daß, wenn die dem Angeklagten nachteilige Entscheidung nur mit
vier gegen zwei Stimmen gefällt ist, das Gericht selbst (d. h. das Kollegium


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[0466] Die Vereinfachung der Schwurgerichte. Allein dies ändert an der Thatsache nichts, daß die Kapitalisten in gedrückter Lage sind. Vielleicht gleicht sich bei einigen oder auch bei vielen Nachteil und Vorteil aus, indem sie zugleich Kapitalisten und Schuldner sind, aber gerade bei den kleinsten Leuten wird dies kaum der Fall sein. Jedenfalls sind die vorgetragenen Ergebnisse der Sparkassenstatistik gerade für das Königreich Sachsen sehr bemerkenswert, weil dieses Land mehr als jedes andre von der Sozialdemokratie unterwühlt ist und von dem Geschrei: Der Racker, das Kapital! ertönt. (Fortsetzung folgt,) Die Vereinfachung der Schwurgerichte. ein Bundesrate ist neuerdings ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, welcher eine Vereinfachung der Schwurgerichte und damit eine Erleichterung der Erfüllung des Geschworeneudieustes bezweckt. Nach der bestehenden Gesehgebung sind zu den jedes Quartal stattfindenden Schwurgerichtssitzungen, welche oft mehrere Wochen dauern, stets dreißig Hauptgcschworene berufen, aus welchen je vor Beginn der Verhandlung eines Falles zwölf Personen ausgelost werden, welche dann für den betreffenden Fall Dienst zu leisten haben? die nicht gezogenen Personen sind für diesen Fall zum Dienste nicht berufen, sie müssen dagegen je zu Beginn der nächsten Verhandlung wieder erscheinen, um sich einer neuen Auslosung zu unterziehen und können deshalb, auch wenn sie an dem betreffenden Tage nicht zum Dienste nötig sind, sich vom Sitzuugsorte nicht entfernen, wenn sie nicbt in allernächster Nähe wohnen, da sie jeden Morgen wieder anzutreten haben und nur eine einmalige Entschädigung für Hin- und Rückreise auf die ganze Dauer der Sitzungsperiode erhalten. Die Geschworenen sind also jedes Quartal in der Regel mehrere Wochen ihren Geschäften entzogen, liegen unthätig in der Gerichtsstadt und haben einen erheblichen Aufwand zu bestreiten, der ihnen nicht ersetzt wird. Zur Verminderung dieser Übelstände schlägt der obenerwähnte Gesetzentwurf vor, statt dreißig Hauptgeschwvrenen nur dreizehn aufzulösen und zur Entscheidung im einzelnen Falle statt zwölf nur sechs Geschworene zu be¬ rufen, welche über die Schuld des Angeklagten zu entscheiden haben, und eine Frage zum Nachteile des letzteren mit vier gegen zwei Stimmen entscheiden. Zur weiteren Sicherheit des Angeklagten hat der Entwurf die Bestimmung auf¬ genommen, daß, wenn die dem Angeklagten nachteilige Entscheidung nur mit vier gegen zwei Stimmen gefällt ist, das Gericht selbst (d. h. das Kollegium

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/466>, abgerufen am 01.05.2024.