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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.
Roman von Robert waldmiiller (Ld. Duboc). (Fvrtschung.)
Fünfundzwanzigstes Aapitel.

le unglückliche Tochter des letzten Buvnaeolsi hatte oft von den
zwölf Aposteln, die für die Stadt Mantua das Mehl mahlten,
reden hören, aber nie hatte sie gedacht, bei einem derselben Her¬
berge suchen zu müssen.
Der heilige Petrus war eine der mittleren von diesen auf dem
Wasser schwimmenden Mühlen. Dieselbe hatte ein großes Rad, und das klapperte so
stark, daß die alte Müllerin nicht nöthig gehabt hätte, ihren Gast zum Nicht-
reden zu verpflichten. Der schmale gangartige Rand, den sie betraten, führte
in> der offenen Thür vorbei, durch die mau in den völlig dunkeln Mahlraum
hineinsah. Habt Ihr jemand erblickt? fragte die alte Müllerin mit traurigem
Lächeln, indem sie am Ende des vordern Teils jenes Ganges mit ihrem
Gaste das enge Wohnzimmer der Mühle erreichte, und als Florida eine vernei¬
nende Kopfbewegung machte, fuhr die Alte fort: er hantirt immer im Finstern,
xoverino, denn er ist blind, ganz blind, mein armer Gervasio; und dabei gehört
er, müßt ihr wissen, zu den lichtscheuen Blinden, die am liebsten auch schou den
bloßen Schimmer eines Lichtgefühls vermeiden. Ich freilich Hütte wohl das
Bedürfnis, ihm unablässig an seinen Mienen abzusehen, wie es mit ihm steht.
Zehn, zwanzig male am Tage treibt's mich hier von meiner Hantirung auf,
damit ich im Mahlraum nachschauen kann, ob er mißmutig oder heiter ist, und
da muß er sich's dann schon gefallen laisser, daß ich mit meiner alten ehrlichen
Lampe unter irgendeinem Vorwande in dem Dunkel drüben herumleuchte. Aber
sagte ich: heiter? Nüäonna uns.! Wie gern eine Mutter sich in thörichte Hoff¬
nungen hineinredet, wenn das Glück ihres einzigen Sohnes daran hängt! Nein,




Um eine perle.
Roman von Robert waldmiiller (Ld. Duboc). (Fvrtschung.)
Fünfundzwanzigstes Aapitel.

le unglückliche Tochter des letzten Buvnaeolsi hatte oft von den
zwölf Aposteln, die für die Stadt Mantua das Mehl mahlten,
reden hören, aber nie hatte sie gedacht, bei einem derselben Her¬
berge suchen zu müssen.
Der heilige Petrus war eine der mittleren von diesen auf dem
Wasser schwimmenden Mühlen. Dieselbe hatte ein großes Rad, und das klapperte so
stark, daß die alte Müllerin nicht nöthig gehabt hätte, ihren Gast zum Nicht-
reden zu verpflichten. Der schmale gangartige Rand, den sie betraten, führte
in> der offenen Thür vorbei, durch die mau in den völlig dunkeln Mahlraum
hineinsah. Habt Ihr jemand erblickt? fragte die alte Müllerin mit traurigem
Lächeln, indem sie am Ende des vordern Teils jenes Ganges mit ihrem
Gaste das enge Wohnzimmer der Mühle erreichte, und als Florida eine vernei¬
nende Kopfbewegung machte, fuhr die Alte fort: er hantirt immer im Finstern,
xoverino, denn er ist blind, ganz blind, mein armer Gervasio; und dabei gehört
er, müßt ihr wissen, zu den lichtscheuen Blinden, die am liebsten auch schou den
bloßen Schimmer eines Lichtgefühls vermeiden. Ich freilich Hütte wohl das
Bedürfnis, ihm unablässig an seinen Mienen abzusehen, wie es mit ihm steht.
Zehn, zwanzig male am Tage treibt's mich hier von meiner Hantirung auf,
damit ich im Mahlraum nachschauen kann, ob er mißmutig oder heiter ist, und
da muß er sich's dann schon gefallen laisser, daß ich mit meiner alten ehrlichen
Lampe unter irgendeinem Vorwande in dem Dunkel drüben herumleuchte. Aber
sagte ich: heiter? Nüäonna uns.! Wie gern eine Mutter sich in thörichte Hoff¬
nungen hineinredet, wenn das Glück ihres einzigen Sohnes daran hängt! Nein,


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[0488] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert waldmiiller (Ld. Duboc). (Fvrtschung.) Fünfundzwanzigstes Aapitel. le unglückliche Tochter des letzten Buvnaeolsi hatte oft von den zwölf Aposteln, die für die Stadt Mantua das Mehl mahlten, reden hören, aber nie hatte sie gedacht, bei einem derselben Her¬ berge suchen zu müssen. Der heilige Petrus war eine der mittleren von diesen auf dem Wasser schwimmenden Mühlen. Dieselbe hatte ein großes Rad, und das klapperte so stark, daß die alte Müllerin nicht nöthig gehabt hätte, ihren Gast zum Nicht- reden zu verpflichten. Der schmale gangartige Rand, den sie betraten, führte in> der offenen Thür vorbei, durch die mau in den völlig dunkeln Mahlraum hineinsah. Habt Ihr jemand erblickt? fragte die alte Müllerin mit traurigem Lächeln, indem sie am Ende des vordern Teils jenes Ganges mit ihrem Gaste das enge Wohnzimmer der Mühle erreichte, und als Florida eine vernei¬ nende Kopfbewegung machte, fuhr die Alte fort: er hantirt immer im Finstern, xoverino, denn er ist blind, ganz blind, mein armer Gervasio; und dabei gehört er, müßt ihr wissen, zu den lichtscheuen Blinden, die am liebsten auch schou den bloßen Schimmer eines Lichtgefühls vermeiden. Ich freilich Hütte wohl das Bedürfnis, ihm unablässig an seinen Mienen abzusehen, wie es mit ihm steht. Zehn, zwanzig male am Tage treibt's mich hier von meiner Hantirung auf, damit ich im Mahlraum nachschauen kann, ob er mißmutig oder heiter ist, und da muß er sich's dann schon gefallen laisser, daß ich mit meiner alten ehrlichen Lampe unter irgendeinem Vorwande in dem Dunkel drüben herumleuchte. Aber sagte ich: heiter? Nüäonna uns.! Wie gern eine Mutter sich in thörichte Hoff¬ nungen hineinredet, wenn das Glück ihres einzigen Sohnes daran hängt! Nein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/488>, abgerufen am 03.05.2024.