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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.
(Schluß.)

el jeder staatlichen Maßregel in der Provinz Posen müssen zwei
Gesichtspunkte erwogen werden, die Stellung der katholischen Kirche
und der konzentrirte Einfluß der polnischen Agitation auf alle
öffentlichen und privaten Angelegenheiten und auf jedes einzelne
Individuum innerhalb der Provinz. Die katholische Kirche innerhalb
der Provinz Posen ist für die Polen gleichzeitig die sichtbare äußere Form der
Polnischen Gesellschaft, der Schutz aller polnischen Interessen, die Stütze aller
Polnischen Hoffnungen, solange nicht das polnische Reich wieder erstanden ist.
Daher auch die Betonung der Eigenschaft des Erzbischofs von Posen und
Gnesen als Primas von Polen und inwrrsx, daher die in das Volksbewußtsein
übergegangene Verwechselung und Jdentifizirung zwischen polnisch und katholisch
und deutsch und evangelisch, daher der für einen Polen unfaßbare Gedanke, daß der
Bischof von Gnesen und Posen kein Pole sein könne, während doch die katholische
Kirche sonst die Nationalität als etwas ganz nebensächliches gegenüber der
einigen großen allgemeinen Kirche betrachtet. Die evangelischen Polen sieht
man nur als verirrte Brüder an, die sich früher oder später in den Schoß der
heiligen Kirche zurückfinden werden, die katholischen Deutschen beobachtet man
auch vom kirchlichen Standpunkte aus mit leisem Mißtrauen und erkennt sie
kaum als "vollgiltige" Katholiken an.

Der zweite maßgebende Gesichtspunkt ist der, daß kein Pole sich dem Druck
der nationalen Agitation entziehen kann, solange er sich im Bereiche derselben
befindet. Hieraus folgt für die preußische Staatsverwaltung, daß sie innerhalb
der polnischen Landesteile keinen Beamten anstellen sollte, und zwar auf allen
Stufen der amtlichen Hierarchie, von dem auch nur die Möglichkeit vorliegt,


Grenzboten II. 1336. so


polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.
(Schluß.)

el jeder staatlichen Maßregel in der Provinz Posen müssen zwei
Gesichtspunkte erwogen werden, die Stellung der katholischen Kirche
und der konzentrirte Einfluß der polnischen Agitation auf alle
öffentlichen und privaten Angelegenheiten und auf jedes einzelne
Individuum innerhalb der Provinz. Die katholische Kirche innerhalb
der Provinz Posen ist für die Polen gleichzeitig die sichtbare äußere Form der
Polnischen Gesellschaft, der Schutz aller polnischen Interessen, die Stütze aller
Polnischen Hoffnungen, solange nicht das polnische Reich wieder erstanden ist.
Daher auch die Betonung der Eigenschaft des Erzbischofs von Posen und
Gnesen als Primas von Polen und inwrrsx, daher die in das Volksbewußtsein
übergegangene Verwechselung und Jdentifizirung zwischen polnisch und katholisch
und deutsch und evangelisch, daher der für einen Polen unfaßbare Gedanke, daß der
Bischof von Gnesen und Posen kein Pole sein könne, während doch die katholische
Kirche sonst die Nationalität als etwas ganz nebensächliches gegenüber der
einigen großen allgemeinen Kirche betrachtet. Die evangelischen Polen sieht
man nur als verirrte Brüder an, die sich früher oder später in den Schoß der
heiligen Kirche zurückfinden werden, die katholischen Deutschen beobachtet man
auch vom kirchlichen Standpunkte aus mit leisem Mißtrauen und erkennt sie
kaum als „vollgiltige" Katholiken an.

Der zweite maßgebende Gesichtspunkt ist der, daß kein Pole sich dem Druck
der nationalen Agitation entziehen kann, solange er sich im Bereiche derselben
befindet. Hieraus folgt für die preußische Staatsverwaltung, daß sie innerhalb
der polnischen Landesteile keinen Beamten anstellen sollte, und zwar auf allen
Stufen der amtlichen Hierarchie, von dem auch nur die Möglichkeit vorliegt,


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[0449] [Abbildung] polentum und Deutschtum in der Provinz Posen. (Schluß.) el jeder staatlichen Maßregel in der Provinz Posen müssen zwei Gesichtspunkte erwogen werden, die Stellung der katholischen Kirche und der konzentrirte Einfluß der polnischen Agitation auf alle öffentlichen und privaten Angelegenheiten und auf jedes einzelne Individuum innerhalb der Provinz. Die katholische Kirche innerhalb der Provinz Posen ist für die Polen gleichzeitig die sichtbare äußere Form der Polnischen Gesellschaft, der Schutz aller polnischen Interessen, die Stütze aller Polnischen Hoffnungen, solange nicht das polnische Reich wieder erstanden ist. Daher auch die Betonung der Eigenschaft des Erzbischofs von Posen und Gnesen als Primas von Polen und inwrrsx, daher die in das Volksbewußtsein übergegangene Verwechselung und Jdentifizirung zwischen polnisch und katholisch und deutsch und evangelisch, daher der für einen Polen unfaßbare Gedanke, daß der Bischof von Gnesen und Posen kein Pole sein könne, während doch die katholische Kirche sonst die Nationalität als etwas ganz nebensächliches gegenüber der einigen großen allgemeinen Kirche betrachtet. Die evangelischen Polen sieht man nur als verirrte Brüder an, die sich früher oder später in den Schoß der heiligen Kirche zurückfinden werden, die katholischen Deutschen beobachtet man auch vom kirchlichen Standpunkte aus mit leisem Mißtrauen und erkennt sie kaum als „vollgiltige" Katholiken an. Der zweite maßgebende Gesichtspunkt ist der, daß kein Pole sich dem Druck der nationalen Agitation entziehen kann, solange er sich im Bereiche derselben befindet. Hieraus folgt für die preußische Staatsverwaltung, daß sie innerhalb der polnischen Landesteile keinen Beamten anstellen sollte, und zwar auf allen Stufen der amtlichen Hierarchie, von dem auch nur die Möglichkeit vorliegt, Grenzboten II. 1336. so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/449>, abgerufen am 02.05.2024.