Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Ein zukünftiger Kriegsschauplatz.
2.

le nun schon zwölf Jahre bestehende allgemeine Wehrpflicht hat
dem russischen Kriegsminister drei Millionen ausgebildeter Sol¬
daten zur Verfügung gestellt. Nächst der französischen Armee
ist die russische die reichste an Friedenskadres. Ein großer Teil
der Truppen (18 Infanterie- und 8^ Kavalleriedivisionen) steht
schon im Frieden an der Westgrenze des Reiches. Alles das sieht sehr ge¬
fährlich aus, ist aber in Wirklichkeit nicht so arg, wie es erscheint. Zentral¬
europa braucht nicht zu zittern, wenn der moskowitische Koloß zu den Waffen
greift; denn eine allgemeine Mobilmachung wird anf große Schwierigkeiten
stoßen. Die Infanterie wird auf den Kriegsfuß durch Mannschaften aus Ersatz¬
bezirken gebracht, die größtenteils weit von den Standorten der Regimenter
entfernt sind, und die Transporte dieser Verstärkungen, 8000 Mann für die
Division, nehmen folglich die Eisenbahnen in den ersten Wochen der Mobil¬
machung stark in Anspruch. Die Fahrzeuge der Regimenter sind in den Stabs¬
quartieren derselben vorhanden und bedürfen nur der Bespannung. Die Ka¬
vallerie ist leichter zu mvbilisiren; denn sämtliche 46 Dragvnerregimenter sowie
die im Dienste befindlichen Regimenter der Donkosaken haben in Frieden und
Krieg gleiche Stärke, und junge, unzugerittene Pferde kommen bei den Regi¬
mentern nicht vor, da die Remonten bei den schon im Frieden bestehenden
Ersatzkadres ausgebildet werden. Somit ist die gesamte Reiterei bald nach Ein¬
treffen des Mobilmachungsbefehls marschbereit; sie bedarf dann nur der Be¬
spannung für ihre Wagen. Die Feldartillerie hat zwar auch einen hohen
Friedensstand an Mannschaften, braucht aber, da die Zahl der bespannten Ge-


Grenzbvtm III. 1L86. 5S


Ein zukünftiger Kriegsschauplatz.
2.

le nun schon zwölf Jahre bestehende allgemeine Wehrpflicht hat
dem russischen Kriegsminister drei Millionen ausgebildeter Sol¬
daten zur Verfügung gestellt. Nächst der französischen Armee
ist die russische die reichste an Friedenskadres. Ein großer Teil
der Truppen (18 Infanterie- und 8^ Kavalleriedivisionen) steht
schon im Frieden an der Westgrenze des Reiches. Alles das sieht sehr ge¬
fährlich aus, ist aber in Wirklichkeit nicht so arg, wie es erscheint. Zentral¬
europa braucht nicht zu zittern, wenn der moskowitische Koloß zu den Waffen
greift; denn eine allgemeine Mobilmachung wird anf große Schwierigkeiten
stoßen. Die Infanterie wird auf den Kriegsfuß durch Mannschaften aus Ersatz¬
bezirken gebracht, die größtenteils weit von den Standorten der Regimenter
entfernt sind, und die Transporte dieser Verstärkungen, 8000 Mann für die
Division, nehmen folglich die Eisenbahnen in den ersten Wochen der Mobil¬
machung stark in Anspruch. Die Fahrzeuge der Regimenter sind in den Stabs¬
quartieren derselben vorhanden und bedürfen nur der Bespannung. Die Ka¬
vallerie ist leichter zu mvbilisiren; denn sämtliche 46 Dragvnerregimenter sowie
die im Dienste befindlichen Regimenter der Donkosaken haben in Frieden und
Krieg gleiche Stärke, und junge, unzugerittene Pferde kommen bei den Regi¬
mentern nicht vor, da die Remonten bei den schon im Frieden bestehenden
Ersatzkadres ausgebildet werden. Somit ist die gesamte Reiterei bald nach Ein¬
treffen des Mobilmachungsbefehls marschbereit; sie bedarf dann nur der Be¬
spannung für ihre Wagen. Die Feldartillerie hat zwar auch einen hohen
Friedensstand an Mannschaften, braucht aber, da die Zahl der bespannten Ge-


Grenzbvtm III. 1L86. 5S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199161"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_198719/figures/grenzboten_341843_198719_199161_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein zukünftiger Kriegsschauplatz.<lb/>
2.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1419" next="#ID_1420"> le nun schon zwölf Jahre bestehende allgemeine Wehrpflicht hat<lb/>
dem russischen Kriegsminister drei Millionen ausgebildeter Sol¬<lb/>
daten zur Verfügung gestellt. Nächst der französischen Armee<lb/>
ist die russische die reichste an Friedenskadres. Ein großer Teil<lb/>
der Truppen (18 Infanterie- und 8^ Kavalleriedivisionen) steht<lb/>
schon im Frieden an der Westgrenze des Reiches. Alles das sieht sehr ge¬<lb/>
fährlich aus, ist aber in Wirklichkeit nicht so arg, wie es erscheint. Zentral¬<lb/>
europa braucht nicht zu zittern, wenn der moskowitische Koloß zu den Waffen<lb/>
greift; denn eine allgemeine Mobilmachung wird anf große Schwierigkeiten<lb/>
stoßen. Die Infanterie wird auf den Kriegsfuß durch Mannschaften aus Ersatz¬<lb/>
bezirken gebracht, die größtenteils weit von den Standorten der Regimenter<lb/>
entfernt sind, und die Transporte dieser Verstärkungen, 8000 Mann für die<lb/>
Division, nehmen folglich die Eisenbahnen in den ersten Wochen der Mobil¬<lb/>
machung stark in Anspruch. Die Fahrzeuge der Regimenter sind in den Stabs¬<lb/>
quartieren derselben vorhanden und bedürfen nur der Bespannung. Die Ka¬<lb/>
vallerie ist leichter zu mvbilisiren; denn sämtliche 46 Dragvnerregimenter sowie<lb/>
die im Dienste befindlichen Regimenter der Donkosaken haben in Frieden und<lb/>
Krieg gleiche Stärke, und junge, unzugerittene Pferde kommen bei den Regi¬<lb/>
mentern nicht vor, da die Remonten bei den schon im Frieden bestehenden<lb/>
Ersatzkadres ausgebildet werden. Somit ist die gesamte Reiterei bald nach Ein¬<lb/>
treffen des Mobilmachungsbefehls marschbereit; sie bedarf dann nur der Be¬<lb/>
spannung für ihre Wagen. Die Feldartillerie hat zwar auch einen hohen<lb/>
Friedensstand an Mannschaften, braucht aber, da die Zahl der bespannten Ge-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbvtm III. 1L86. 5S</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0441] [Abbildung] Ein zukünftiger Kriegsschauplatz. 2. le nun schon zwölf Jahre bestehende allgemeine Wehrpflicht hat dem russischen Kriegsminister drei Millionen ausgebildeter Sol¬ daten zur Verfügung gestellt. Nächst der französischen Armee ist die russische die reichste an Friedenskadres. Ein großer Teil der Truppen (18 Infanterie- und 8^ Kavalleriedivisionen) steht schon im Frieden an der Westgrenze des Reiches. Alles das sieht sehr ge¬ fährlich aus, ist aber in Wirklichkeit nicht so arg, wie es erscheint. Zentral¬ europa braucht nicht zu zittern, wenn der moskowitische Koloß zu den Waffen greift; denn eine allgemeine Mobilmachung wird anf große Schwierigkeiten stoßen. Die Infanterie wird auf den Kriegsfuß durch Mannschaften aus Ersatz¬ bezirken gebracht, die größtenteils weit von den Standorten der Regimenter entfernt sind, und die Transporte dieser Verstärkungen, 8000 Mann für die Division, nehmen folglich die Eisenbahnen in den ersten Wochen der Mobil¬ machung stark in Anspruch. Die Fahrzeuge der Regimenter sind in den Stabs¬ quartieren derselben vorhanden und bedürfen nur der Bespannung. Die Ka¬ vallerie ist leichter zu mvbilisiren; denn sämtliche 46 Dragvnerregimenter sowie die im Dienste befindlichen Regimenter der Donkosaken haben in Frieden und Krieg gleiche Stärke, und junge, unzugerittene Pferde kommen bei den Regi¬ mentern nicht vor, da die Remonten bei den schon im Frieden bestehenden Ersatzkadres ausgebildet werden. Somit ist die gesamte Reiterei bald nach Ein¬ treffen des Mobilmachungsbefehls marschbereit; sie bedarf dann nur der Be¬ spannung für ihre Wagen. Die Feldartillerie hat zwar auch einen hohen Friedensstand an Mannschaften, braucht aber, da die Zahl der bespannten Ge- Grenzbvtm III. 1L86. 5S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/441
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/441>, abgerufen am 01.05.2024.