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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.
Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Bülow. (Fortsetzung.)
Fünfunddreißigstes Aapitel.

räulein Cäcilie hatte, als sie von Siebenhofen abfuhr, ihrem
Bruder die Versicherung gegeben: Um sieben Uhr sind wir wieder
hier. Sie hatte darum auch der jungen Minna den Befehl erteilt,
die Nesterpastcte, die den Mittagstisch zieren sollte, abends auf¬
zuwärmen, da sie der Herr Baron doch nicht allein aufessen könne,
die große Pastete! Der Baron war nnn unsoliderweise zum Mittag¬
essen garnicht nach Hause gekommen, sondern hatte es "ach Auffindung des Küchen¬
zettels vorgezogen, in Rnmmelshauseu eine Bratwurst zu verzehren. Georg fand
dabei freilich, daß in der Bratwurst gar kein Schweinefleisch enthalten sei, und
rief den Wirt, um ihn auf diesen Mißstand aufmerksam zu mache". Dieser aber
meinte, die Würste seien vom Siebcnhofner Fleischer, und er könne nicht mehr
thun, als seine Bratwurst von einem Manne beziehen, der ein solches Re¬
nommee habe.

So werde ich meine Philippika an die rechte Adresse bringen, meinte Georg.

Der geht so ruhig seinen Weg, und setzt doch durch, was er will, sagte der
Inspektor Dickmann in Rummelshausen zum Brauer Liebctrank, als sie dem
Wagen des Barons nachsähen.

Er versteht aber auch seine Sache, fuhr Dickmann fort, wie kein zweiter
im Thüringer Land. Das Siebenhofen war ja unter dem Hofmarschall herunter¬
gekommen, daß der Ottersleber meinte, es wäre garnicht mehr zu halten. Da
kannte er aber unsern Baron schlecht. Der läßt sich von niemand ein X für ein
U machen.

Der Brauer nickte bedächtig mit dem Kopfe. Das ist schou richtig. Aber er
ist doch ein steistopfiger Aristokrat!

Nun, ich dächte, damit wäre es auch nicht so schlimm, Herr Liebetrcmk.

Meinethalben, Dickmann, aber es wundert mich, daß Sie das nicht Wort
haben wollen, der Sie ihn doch nun ein paar Jährchen kennen. Er spricht so


Grenzboten IV. 1836. 5,0


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.
Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Bülow. (Fortsetzung.)
Fünfunddreißigstes Aapitel.

räulein Cäcilie hatte, als sie von Siebenhofen abfuhr, ihrem
Bruder die Versicherung gegeben: Um sieben Uhr sind wir wieder
hier. Sie hatte darum auch der jungen Minna den Befehl erteilt,
die Nesterpastcte, die den Mittagstisch zieren sollte, abends auf¬
zuwärmen, da sie der Herr Baron doch nicht allein aufessen könne,
die große Pastete! Der Baron war nnn unsoliderweise zum Mittag¬
essen garnicht nach Hause gekommen, sondern hatte es »ach Auffindung des Küchen¬
zettels vorgezogen, in Rnmmelshauseu eine Bratwurst zu verzehren. Georg fand
dabei freilich, daß in der Bratwurst gar kein Schweinefleisch enthalten sei, und
rief den Wirt, um ihn auf diesen Mißstand aufmerksam zu mache». Dieser aber
meinte, die Würste seien vom Siebcnhofner Fleischer, und er könne nicht mehr
thun, als seine Bratwurst von einem Manne beziehen, der ein solches Re¬
nommee habe.

So werde ich meine Philippika an die rechte Adresse bringen, meinte Georg.

Der geht so ruhig seinen Weg, und setzt doch durch, was er will, sagte der
Inspektor Dickmann in Rummelshausen zum Brauer Liebctrank, als sie dem
Wagen des Barons nachsähen.

Er versteht aber auch seine Sache, fuhr Dickmann fort, wie kein zweiter
im Thüringer Land. Das Siebenhofen war ja unter dem Hofmarschall herunter¬
gekommen, daß der Ottersleber meinte, es wäre garnicht mehr zu halten. Da
kannte er aber unsern Baron schlecht. Der läßt sich von niemand ein X für ein
U machen.

Der Brauer nickte bedächtig mit dem Kopfe. Das ist schou richtig. Aber er
ist doch ein steistopfiger Aristokrat!

Nun, ich dächte, damit wäre es auch nicht so schlimm, Herr Liebetrcmk.

Meinethalben, Dickmann, aber es wundert mich, daß Sie das nicht Wort
haben wollen, der Sie ihn doch nun ein paar Jährchen kennen. Er spricht so


Grenzboten IV. 1836. 5,0
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[0401] [Abbildung] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Bülow. (Fortsetzung.) Fünfunddreißigstes Aapitel. räulein Cäcilie hatte, als sie von Siebenhofen abfuhr, ihrem Bruder die Versicherung gegeben: Um sieben Uhr sind wir wieder hier. Sie hatte darum auch der jungen Minna den Befehl erteilt, die Nesterpastcte, die den Mittagstisch zieren sollte, abends auf¬ zuwärmen, da sie der Herr Baron doch nicht allein aufessen könne, die große Pastete! Der Baron war nnn unsoliderweise zum Mittag¬ essen garnicht nach Hause gekommen, sondern hatte es »ach Auffindung des Küchen¬ zettels vorgezogen, in Rnmmelshauseu eine Bratwurst zu verzehren. Georg fand dabei freilich, daß in der Bratwurst gar kein Schweinefleisch enthalten sei, und rief den Wirt, um ihn auf diesen Mißstand aufmerksam zu mache». Dieser aber meinte, die Würste seien vom Siebcnhofner Fleischer, und er könne nicht mehr thun, als seine Bratwurst von einem Manne beziehen, der ein solches Re¬ nommee habe. So werde ich meine Philippika an die rechte Adresse bringen, meinte Georg. Der geht so ruhig seinen Weg, und setzt doch durch, was er will, sagte der Inspektor Dickmann in Rummelshausen zum Brauer Liebctrank, als sie dem Wagen des Barons nachsähen. Er versteht aber auch seine Sache, fuhr Dickmann fort, wie kein zweiter im Thüringer Land. Das Siebenhofen war ja unter dem Hofmarschall herunter¬ gekommen, daß der Ottersleber meinte, es wäre garnicht mehr zu halten. Da kannte er aber unsern Baron schlecht. Der läßt sich von niemand ein X für ein U machen. Der Brauer nickte bedächtig mit dem Kopfe. Das ist schou richtig. Aber er ist doch ein steistopfiger Aristokrat! Nun, ich dächte, damit wäre es auch nicht so schlimm, Herr Liebetrcmk. Meinethalben, Dickmann, aber es wundert mich, daß Sie das nicht Wort haben wollen, der Sie ihn doch nun ein paar Jährchen kennen. Er spricht so Grenzboten IV. 1836. 5,0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/401>, abgerufen am 29.04.2024.