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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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zu den Seltenheiten gehört, die einzelnen Schüler fast zu gleichen Teilen nicht
zwei, sondern drei Muttersprachen angehören, also z. B. deutsch, polnisch und
mährisch sprechen, so wird man anerkennen müssen, daß die Lösung der Frage,
in welcher Sprache in einer Schule unterrichtet werden soll, dadurch am besten
geregelt worden ist, daß die deutsche Sprache als Unterrichtssprache hingestellt
worden ist.

Die Sprache ist nun aber das ureigenste Produkt des Geistes und Lebens
eines Volkes. Sie ist ein treues Abbild seines Charakters und seines ganzen
Wesens. Sie ist das festeste Band, welches die einzelnen Glieder eines Volkes
zu einem Ganzen vereinigt. Mit der Aneignung der deutschen Sprache werden
also auch die ursprünglich nicht deutsch sprechenden Angehörigen des preußischen
Staates, hier also die Oberschlester, am sichersten und dauerhaftesten deutscher
Gesinnung, deutscher Kultur und deutschen Wesens teilhaftig werden, und hieraus
ergiebt sich die hohe Bedeutung der politischen Gründe, um deretwillen die
Anordnung getroffen worden ist, die deutsche Sprache als Unterrichtssprache zu
bestimmen.

Nachdem feit Ende der fünfziger Jahre das Nationalitätsprinzip so große
Bedeutung im Leben der Völker und in der Politik erlangt hat, kann es keinem
Staate mehr gleichgiltig sein, ob seine Unterthanen einer oder mehreren Sprachen
angehören. Die Vorgänge in der österreichisch-ungarischen Monarchie dürften
in dieser Beziehung auch für den sorglosesten Politiker belehrend sein. Das
Ringen und Kämpfen der verschiednen Nationalitäten dieser vielsprachigen Staaten¬
verbindung um Gleichberechtigung ihrer Muttersprachen in der Schule, im
Staate und im Heere hat für die Festigkeit des Ganzen doch seine großen
Bedenken, und wäre nicht in der Liebe zu dem angestammten Kaiserhause ein
Mittelpunkt vorhanden, der die auseinandergehenden Bestrebungen des Natio¬
nalitätsprinzips zum Teil aufhöbe, so würde man für das Bestehen der Ge¬
samtmonarchie schon jetzt ernstlich bangen müssen. (Schluß folgt.)




Volapük.
von Paul Mitzschke. (Schluß.)

ekundet schon das Wagestück, eine neue Sprache auszusinnen, an
und für sich mangelndes Verständnis der Grundbedingungen des
sprachlichen Organismus, so zeigt sich auch an der Ausführung
des Versuchs im einzelnen fast allenthalben Unbekanntschaft mit
den sprachwissenschaftlichen Forschungsergebnissen, deren Beachtung
manches Gebrechen hätte fernhalten können. Mag immerhin Herr Schleyer


Grenzboten III. 1837. 27
volapük.

zu den Seltenheiten gehört, die einzelnen Schüler fast zu gleichen Teilen nicht
zwei, sondern drei Muttersprachen angehören, also z. B. deutsch, polnisch und
mährisch sprechen, so wird man anerkennen müssen, daß die Lösung der Frage,
in welcher Sprache in einer Schule unterrichtet werden soll, dadurch am besten
geregelt worden ist, daß die deutsche Sprache als Unterrichtssprache hingestellt
worden ist.

Die Sprache ist nun aber das ureigenste Produkt des Geistes und Lebens
eines Volkes. Sie ist ein treues Abbild seines Charakters und seines ganzen
Wesens. Sie ist das festeste Band, welches die einzelnen Glieder eines Volkes
zu einem Ganzen vereinigt. Mit der Aneignung der deutschen Sprache werden
also auch die ursprünglich nicht deutsch sprechenden Angehörigen des preußischen
Staates, hier also die Oberschlester, am sichersten und dauerhaftesten deutscher
Gesinnung, deutscher Kultur und deutschen Wesens teilhaftig werden, und hieraus
ergiebt sich die hohe Bedeutung der politischen Gründe, um deretwillen die
Anordnung getroffen worden ist, die deutsche Sprache als Unterrichtssprache zu
bestimmen.

Nachdem feit Ende der fünfziger Jahre das Nationalitätsprinzip so große
Bedeutung im Leben der Völker und in der Politik erlangt hat, kann es keinem
Staate mehr gleichgiltig sein, ob seine Unterthanen einer oder mehreren Sprachen
angehören. Die Vorgänge in der österreichisch-ungarischen Monarchie dürften
in dieser Beziehung auch für den sorglosesten Politiker belehrend sein. Das
Ringen und Kämpfen der verschiednen Nationalitäten dieser vielsprachigen Staaten¬
verbindung um Gleichberechtigung ihrer Muttersprachen in der Schule, im
Staate und im Heere hat für die Festigkeit des Ganzen doch seine großen
Bedenken, und wäre nicht in der Liebe zu dem angestammten Kaiserhause ein
Mittelpunkt vorhanden, der die auseinandergehenden Bestrebungen des Natio¬
nalitätsprinzips zum Teil aufhöbe, so würde man für das Bestehen der Ge¬
samtmonarchie schon jetzt ernstlich bangen müssen. (Schluß folgt.)




Volapük.
von Paul Mitzschke. (Schluß.)

ekundet schon das Wagestück, eine neue Sprache auszusinnen, an
und für sich mangelndes Verständnis der Grundbedingungen des
sprachlichen Organismus, so zeigt sich auch an der Ausführung
des Versuchs im einzelnen fast allenthalben Unbekanntschaft mit
den sprachwissenschaftlichen Forschungsergebnissen, deren Beachtung
manches Gebrechen hätte fernhalten können. Mag immerhin Herr Schleyer


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[0217] volapük. zu den Seltenheiten gehört, die einzelnen Schüler fast zu gleichen Teilen nicht zwei, sondern drei Muttersprachen angehören, also z. B. deutsch, polnisch und mährisch sprechen, so wird man anerkennen müssen, daß die Lösung der Frage, in welcher Sprache in einer Schule unterrichtet werden soll, dadurch am besten geregelt worden ist, daß die deutsche Sprache als Unterrichtssprache hingestellt worden ist. Die Sprache ist nun aber das ureigenste Produkt des Geistes und Lebens eines Volkes. Sie ist ein treues Abbild seines Charakters und seines ganzen Wesens. Sie ist das festeste Band, welches die einzelnen Glieder eines Volkes zu einem Ganzen vereinigt. Mit der Aneignung der deutschen Sprache werden also auch die ursprünglich nicht deutsch sprechenden Angehörigen des preußischen Staates, hier also die Oberschlester, am sichersten und dauerhaftesten deutscher Gesinnung, deutscher Kultur und deutschen Wesens teilhaftig werden, und hieraus ergiebt sich die hohe Bedeutung der politischen Gründe, um deretwillen die Anordnung getroffen worden ist, die deutsche Sprache als Unterrichtssprache zu bestimmen. Nachdem feit Ende der fünfziger Jahre das Nationalitätsprinzip so große Bedeutung im Leben der Völker und in der Politik erlangt hat, kann es keinem Staate mehr gleichgiltig sein, ob seine Unterthanen einer oder mehreren Sprachen angehören. Die Vorgänge in der österreichisch-ungarischen Monarchie dürften in dieser Beziehung auch für den sorglosesten Politiker belehrend sein. Das Ringen und Kämpfen der verschiednen Nationalitäten dieser vielsprachigen Staaten¬ verbindung um Gleichberechtigung ihrer Muttersprachen in der Schule, im Staate und im Heere hat für die Festigkeit des Ganzen doch seine großen Bedenken, und wäre nicht in der Liebe zu dem angestammten Kaiserhause ein Mittelpunkt vorhanden, der die auseinandergehenden Bestrebungen des Natio¬ nalitätsprinzips zum Teil aufhöbe, so würde man für das Bestehen der Ge¬ samtmonarchie schon jetzt ernstlich bangen müssen. (Schluß folgt.) Volapük. von Paul Mitzschke. (Schluß.) ekundet schon das Wagestück, eine neue Sprache auszusinnen, an und für sich mangelndes Verständnis der Grundbedingungen des sprachlichen Organismus, so zeigt sich auch an der Ausführung des Versuchs im einzelnen fast allenthalben Unbekanntschaft mit den sprachwissenschaftlichen Forschungsergebnissen, deren Beachtung manches Gebrechen hätte fernhalten können. Mag immerhin Herr Schleyer Grenzboten III. 1837. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/217>, abgerufen am 28.04.2024.