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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

nicht über Kräfte, welche weltlichen, berufsmäßigen Armenpflegerinnen (im
Gegensatz zu Diakonissen) Anleitung und dauernde Anlehnung gewähren könnten,
und städtische Behörden sind wegen der überall sich gleichbleibenden Besonder¬
heit ihres Geschäftsganges keine geeigneten Organe, um die Tausende von ge¬
bundenen, zur segensreichsten Wirksamkeit befähigten weiblichen Kräfte frei zu
machen und in ihren Diensten zu verwenden. Da bleibt denn nichts andres
übrig, als den Staat in dem Sinne zu Hilfe zu rufen, daß für die Zukunft
bei Abfassung von Synodalordnungen, sowie bei Erteilung von Direktiven an
städtische Armenbehörden auf die Verwertung freiwilliger weiblicher Kräfte von
ihm Rücksicht genommen werde. Mit diesem Wunsche schließe ich meine Er¬
innerungen.




Kleinere Mitteilungen.
Nors imxeratrix.

Von schriftstellernden Damen muß sich die Welt viel
gefallen lassen, aber malende Damen scheinen uns noch mehr bieten zu wollen.
Alles was bisher nach männlichen Begriffen in dem Zwischengebiete zwischen den
unverrückbaren Gesetzen der Moral und den ans den Lebensregeln des gebildeten
menschlichen Zusammenlebens stammenden Gewohnheiten Rechtens war, stellt der
Fall Schmidt von Preuschen auf den Kopf. Daß dabei der Tod, der lateinisch
eine Frau ist, mit einem männlichen Beiworte zusammengekoppelt wird und in
dieser seltsamen Verbindung durch die Zeitungen läuft, nimmt uns weiter nicht
mehr Wunder; denn jede Dame hat einen unüberwindlichen Haß gegen die pedan¬
tischen Vorschriften der Grammatik, und daß die Tagespresse an irgend welchem
Unsinn, der ihr mit dem nötigen Selbstvertrauen aufgetischt wird, Kritik üben
sollte, wird heutzutage schwerlich noch jemand erwarten.*)

Frau Schmidt geb. von Preuschen war bisher als Malerin von Stillleben und
Blumenstücken bekannt; vor einiger Zeit wandte sie sich höheren Zielen zu und
malte einen Tod als Kaiser. Die Aufnahme-Jury der Berliner Kunstausstellung
weist das Bild zurück. So weit ist die Sache außerordentlich einfach: wie un¬
zähligen bedeutenden und unbedeutenden Malern ist dergleichen Mißgeschick begegnet!
Was thut aber ein Mann dabei? Er schimpft vielleicht über die Richter, klagt sie
der Voreingenommenheit u. s. w. an, ist einige Wochen oder Monate lang trübe
gestimmt, endlich aber beruhigt er sich und fängt ein neues Bild an, von dein er
hofft, daß es ihm mehr Beifall eintragen werde.

Ganz anders die Künstlerin. Das erste ist, daß sie nach Berlin reist und
auf ein müßiges Gerede hin, wonach nur der Gegenstand des Bildes den Grund
der Zurückweisung bilden soll, dem Präsidenten der Akademie zu Leibe geht. Was



*) Inzwischen haben vereinzelte Stimmen in der Tagespresse auf den groben gramma¬
D. Red. tischen Schnitzer aufmerksam gemacht.
Kleinere Mitteilungen.

nicht über Kräfte, welche weltlichen, berufsmäßigen Armenpflegerinnen (im
Gegensatz zu Diakonissen) Anleitung und dauernde Anlehnung gewähren könnten,
und städtische Behörden sind wegen der überall sich gleichbleibenden Besonder¬
heit ihres Geschäftsganges keine geeigneten Organe, um die Tausende von ge¬
bundenen, zur segensreichsten Wirksamkeit befähigten weiblichen Kräfte frei zu
machen und in ihren Diensten zu verwenden. Da bleibt denn nichts andres
übrig, als den Staat in dem Sinne zu Hilfe zu rufen, daß für die Zukunft
bei Abfassung von Synodalordnungen, sowie bei Erteilung von Direktiven an
städtische Armenbehörden auf die Verwertung freiwilliger weiblicher Kräfte von
ihm Rücksicht genommen werde. Mit diesem Wunsche schließe ich meine Er¬
innerungen.




Kleinere Mitteilungen.
Nors imxeratrix.

Von schriftstellernden Damen muß sich die Welt viel
gefallen lassen, aber malende Damen scheinen uns noch mehr bieten zu wollen.
Alles was bisher nach männlichen Begriffen in dem Zwischengebiete zwischen den
unverrückbaren Gesetzen der Moral und den ans den Lebensregeln des gebildeten
menschlichen Zusammenlebens stammenden Gewohnheiten Rechtens war, stellt der
Fall Schmidt von Preuschen auf den Kopf. Daß dabei der Tod, der lateinisch
eine Frau ist, mit einem männlichen Beiworte zusammengekoppelt wird und in
dieser seltsamen Verbindung durch die Zeitungen läuft, nimmt uns weiter nicht
mehr Wunder; denn jede Dame hat einen unüberwindlichen Haß gegen die pedan¬
tischen Vorschriften der Grammatik, und daß die Tagespresse an irgend welchem
Unsinn, der ihr mit dem nötigen Selbstvertrauen aufgetischt wird, Kritik üben
sollte, wird heutzutage schwerlich noch jemand erwarten.*)

Frau Schmidt geb. von Preuschen war bisher als Malerin von Stillleben und
Blumenstücken bekannt; vor einiger Zeit wandte sie sich höheren Zielen zu und
malte einen Tod als Kaiser. Die Aufnahme-Jury der Berliner Kunstausstellung
weist das Bild zurück. So weit ist die Sache außerordentlich einfach: wie un¬
zähligen bedeutenden und unbedeutenden Malern ist dergleichen Mißgeschick begegnet!
Was thut aber ein Mann dabei? Er schimpft vielleicht über die Richter, klagt sie
der Voreingenommenheit u. s. w. an, ist einige Wochen oder Monate lang trübe
gestimmt, endlich aber beruhigt er sich und fängt ein neues Bild an, von dein er
hofft, daß es ihm mehr Beifall eintragen werde.

Ganz anders die Künstlerin. Das erste ist, daß sie nach Berlin reist und
auf ein müßiges Gerede hin, wonach nur der Gegenstand des Bildes den Grund
der Zurückweisung bilden soll, dem Präsidenten der Akademie zu Leibe geht. Was



*) Inzwischen haben vereinzelte Stimmen in der Tagespresse auf den groben gramma¬
D. Red. tischen Schnitzer aufmerksam gemacht.
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[0399] Kleinere Mitteilungen. nicht über Kräfte, welche weltlichen, berufsmäßigen Armenpflegerinnen (im Gegensatz zu Diakonissen) Anleitung und dauernde Anlehnung gewähren könnten, und städtische Behörden sind wegen der überall sich gleichbleibenden Besonder¬ heit ihres Geschäftsganges keine geeigneten Organe, um die Tausende von ge¬ bundenen, zur segensreichsten Wirksamkeit befähigten weiblichen Kräfte frei zu machen und in ihren Diensten zu verwenden. Da bleibt denn nichts andres übrig, als den Staat in dem Sinne zu Hilfe zu rufen, daß für die Zukunft bei Abfassung von Synodalordnungen, sowie bei Erteilung von Direktiven an städtische Armenbehörden auf die Verwertung freiwilliger weiblicher Kräfte von ihm Rücksicht genommen werde. Mit diesem Wunsche schließe ich meine Er¬ innerungen. Kleinere Mitteilungen. Nors imxeratrix. Von schriftstellernden Damen muß sich die Welt viel gefallen lassen, aber malende Damen scheinen uns noch mehr bieten zu wollen. Alles was bisher nach männlichen Begriffen in dem Zwischengebiete zwischen den unverrückbaren Gesetzen der Moral und den ans den Lebensregeln des gebildeten menschlichen Zusammenlebens stammenden Gewohnheiten Rechtens war, stellt der Fall Schmidt von Preuschen auf den Kopf. Daß dabei der Tod, der lateinisch eine Frau ist, mit einem männlichen Beiworte zusammengekoppelt wird und in dieser seltsamen Verbindung durch die Zeitungen läuft, nimmt uns weiter nicht mehr Wunder; denn jede Dame hat einen unüberwindlichen Haß gegen die pedan¬ tischen Vorschriften der Grammatik, und daß die Tagespresse an irgend welchem Unsinn, der ihr mit dem nötigen Selbstvertrauen aufgetischt wird, Kritik üben sollte, wird heutzutage schwerlich noch jemand erwarten.*) Frau Schmidt geb. von Preuschen war bisher als Malerin von Stillleben und Blumenstücken bekannt; vor einiger Zeit wandte sie sich höheren Zielen zu und malte einen Tod als Kaiser. Die Aufnahme-Jury der Berliner Kunstausstellung weist das Bild zurück. So weit ist die Sache außerordentlich einfach: wie un¬ zähligen bedeutenden und unbedeutenden Malern ist dergleichen Mißgeschick begegnet! Was thut aber ein Mann dabei? Er schimpft vielleicht über die Richter, klagt sie der Voreingenommenheit u. s. w. an, ist einige Wochen oder Monate lang trübe gestimmt, endlich aber beruhigt er sich und fängt ein neues Bild an, von dein er hofft, daß es ihm mehr Beifall eintragen werde. Ganz anders die Künstlerin. Das erste ist, daß sie nach Berlin reist und auf ein müßiges Gerede hin, wonach nur der Gegenstand des Bildes den Grund der Zurückweisung bilden soll, dem Präsidenten der Akademie zu Leibe geht. Was *) Inzwischen haben vereinzelte Stimmen in der Tagespresse auf den groben gramma¬ D. Red. tischen Schnitzer aufmerksam gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/399>, abgerufen am 29.04.2024.