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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Schulgold.

den letzteren ein Drittel zu Lasten des Staates gebucht werden, während die
Verrechnung mit den einzelnen Arbeitern Sache des Unternehmers ist.

Ich bin am Schlüsse. Die Frage der Witwenversorgung, die eigentlich
auch hierher gehört, habe ich mir für eine spätere Zeit zu erörtern vorbehalten,
da wegen der Fülle des Stoffes die zu erwartenden Gesetzesvorlagen sich
jedenfalls zunächst nur mit der Invaliden- und Altersversicherung der Arbeiter
beschäftigen werden. Den Vorlagen selbst wünsche ich das beste Entgegen¬
kommen des Reichstages, damit unsre segensreiche sozialpolitische Gesetzgebung
nicht ins Stocken gerate und der Wunsch unsers Kaisers sich erfülle, das Frie¬
denswerk der Arbeiterversicherung an seinem Lebensabend vollendet zu sehen.




Das Schulgeld.

u den vielen Artikeln der preußischen Berfassungsurkunde, die
bisher nur tote Buchstaben geblieben sind, gehören in erster Linie
die über das Schulwesen (21 bis 26). Ihre Giltigkeit ist durch
Art. 112 ausdrücklich bis zum Erlaß des im Art. 26 verheißenen
Unterrichtsgesetzes verschoben, letzteres aber innerhalb eines nun¬
mehr siebenunddreißigjährigen Zeitraums seit Erlaß der Verfassung trotz wieder¬
holter Anläufe nicht zu stände gekommen. Und dabei herrschen im preußischen
Staate wohl auf keinem Rechtsgebiete so verworrene Verhältnisse, wie auf dem
des Volksschulwesens: nicht zwei Provinzen im Staate giebt es, die auf diesem
Gebiete nicht Abweichungen von einander zeigten.

Inzwischen haben aber auch die in der Verfassung ausgesprochenen Grund¬
sätze für eine einheitliche Regelung des Vvlksschulwesens mannichfache Angriffe
erfahren, sodaß es mindestens sehr zweifelhaft ist, ob, wenn es dereinst zu einer
solchen Regelung kommt, sie streng nach den Vorschriften der Verfassung erfolgen
oder nicht vielmehr die letztere Abänderungen erfahren wird. Die eine der
hierbei in erster Linie in Betracht kommenden Fragen, die nach dem Träger
der Schulunterhaltungslast, ist freilich wohl insofern entschieden, als man über¬
zeugt ist, daß das im Gebiet des Landrechts, in Hannover und Schleswig-
Holstein herrschende "Sozietätsprinzip" nicht länger haltbar ist. Denn dieses
Prinzip, nach welchem die Schullast auf besondern Verbänden der zur Schule
gewiesenen Hausväter, d. h. wirtschaftlich selbständigen Personen ruht, eignete
sich wohl für eine Zeit, in welcher Gutsunterthänigkeit, das Gebundensein an


Das Schulgold.

den letzteren ein Drittel zu Lasten des Staates gebucht werden, während die
Verrechnung mit den einzelnen Arbeitern Sache des Unternehmers ist.

Ich bin am Schlüsse. Die Frage der Witwenversorgung, die eigentlich
auch hierher gehört, habe ich mir für eine spätere Zeit zu erörtern vorbehalten,
da wegen der Fülle des Stoffes die zu erwartenden Gesetzesvorlagen sich
jedenfalls zunächst nur mit der Invaliden- und Altersversicherung der Arbeiter
beschäftigen werden. Den Vorlagen selbst wünsche ich das beste Entgegen¬
kommen des Reichstages, damit unsre segensreiche sozialpolitische Gesetzgebung
nicht ins Stocken gerate und der Wunsch unsers Kaisers sich erfülle, das Frie¬
denswerk der Arbeiterversicherung an seinem Lebensabend vollendet zu sehen.




Das Schulgeld.

u den vielen Artikeln der preußischen Berfassungsurkunde, die
bisher nur tote Buchstaben geblieben sind, gehören in erster Linie
die über das Schulwesen (21 bis 26). Ihre Giltigkeit ist durch
Art. 112 ausdrücklich bis zum Erlaß des im Art. 26 verheißenen
Unterrichtsgesetzes verschoben, letzteres aber innerhalb eines nun¬
mehr siebenunddreißigjährigen Zeitraums seit Erlaß der Verfassung trotz wieder¬
holter Anläufe nicht zu stände gekommen. Und dabei herrschen im preußischen
Staate wohl auf keinem Rechtsgebiete so verworrene Verhältnisse, wie auf dem
des Volksschulwesens: nicht zwei Provinzen im Staate giebt es, die auf diesem
Gebiete nicht Abweichungen von einander zeigten.

Inzwischen haben aber auch die in der Verfassung ausgesprochenen Grund¬
sätze für eine einheitliche Regelung des Vvlksschulwesens mannichfache Angriffe
erfahren, sodaß es mindestens sehr zweifelhaft ist, ob, wenn es dereinst zu einer
solchen Regelung kommt, sie streng nach den Vorschriften der Verfassung erfolgen
oder nicht vielmehr die letztere Abänderungen erfahren wird. Die eine der
hierbei in erster Linie in Betracht kommenden Fragen, die nach dem Träger
der Schulunterhaltungslast, ist freilich wohl insofern entschieden, als man über¬
zeugt ist, daß das im Gebiet des Landrechts, in Hannover und Schleswig-
Holstein herrschende „Sozietätsprinzip" nicht länger haltbar ist. Denn dieses
Prinzip, nach welchem die Schullast auf besondern Verbänden der zur Schule
gewiesenen Hausväter, d. h. wirtschaftlich selbständigen Personen ruht, eignete
sich wohl für eine Zeit, in welcher Gutsunterthänigkeit, das Gebundensein an


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[0517] Das Schulgold. den letzteren ein Drittel zu Lasten des Staates gebucht werden, während die Verrechnung mit den einzelnen Arbeitern Sache des Unternehmers ist. Ich bin am Schlüsse. Die Frage der Witwenversorgung, die eigentlich auch hierher gehört, habe ich mir für eine spätere Zeit zu erörtern vorbehalten, da wegen der Fülle des Stoffes die zu erwartenden Gesetzesvorlagen sich jedenfalls zunächst nur mit der Invaliden- und Altersversicherung der Arbeiter beschäftigen werden. Den Vorlagen selbst wünsche ich das beste Entgegen¬ kommen des Reichstages, damit unsre segensreiche sozialpolitische Gesetzgebung nicht ins Stocken gerate und der Wunsch unsers Kaisers sich erfülle, das Frie¬ denswerk der Arbeiterversicherung an seinem Lebensabend vollendet zu sehen. Das Schulgeld. u den vielen Artikeln der preußischen Berfassungsurkunde, die bisher nur tote Buchstaben geblieben sind, gehören in erster Linie die über das Schulwesen (21 bis 26). Ihre Giltigkeit ist durch Art. 112 ausdrücklich bis zum Erlaß des im Art. 26 verheißenen Unterrichtsgesetzes verschoben, letzteres aber innerhalb eines nun¬ mehr siebenunddreißigjährigen Zeitraums seit Erlaß der Verfassung trotz wieder¬ holter Anläufe nicht zu stände gekommen. Und dabei herrschen im preußischen Staate wohl auf keinem Rechtsgebiete so verworrene Verhältnisse, wie auf dem des Volksschulwesens: nicht zwei Provinzen im Staate giebt es, die auf diesem Gebiete nicht Abweichungen von einander zeigten. Inzwischen haben aber auch die in der Verfassung ausgesprochenen Grund¬ sätze für eine einheitliche Regelung des Vvlksschulwesens mannichfache Angriffe erfahren, sodaß es mindestens sehr zweifelhaft ist, ob, wenn es dereinst zu einer solchen Regelung kommt, sie streng nach den Vorschriften der Verfassung erfolgen oder nicht vielmehr die letztere Abänderungen erfahren wird. Die eine der hierbei in erster Linie in Betracht kommenden Fragen, die nach dem Träger der Schulunterhaltungslast, ist freilich wohl insofern entschieden, als man über¬ zeugt ist, daß das im Gebiet des Landrechts, in Hannover und Schleswig- Holstein herrschende „Sozietätsprinzip" nicht länger haltbar ist. Denn dieses Prinzip, nach welchem die Schullast auf besondern Verbänden der zur Schule gewiesenen Hausväter, d. h. wirtschaftlich selbständigen Personen ruht, eignete sich wohl für eine Zeit, in welcher Gutsunterthänigkeit, das Gebundensein an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/517>, abgerufen am 29.04.2024.