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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Aus den hinterlassenen papieren
eines preußischen Äaatsministers.
Gerhard von Amyntor. Mitgeteilt von(Schluß.)

er Aufenthalt in Merseburg hatte ziemlich lange gedauert. Ich
würde vielleicht der Menge gegenüber doch einigermaßen die Ruhe
verloren haben, wenn ich nicht jeden Augenblick gehofft hätte,
daß der Zug abgehen und mich der Gefahr entziehen würde.
Aber nein, die Beamte" hatten Gefallen an der Szene gefunden
und wollten sie ausspielen lassen; ohne die Dazwischenkunft des vernünftigen
Bürgevwchrkvmmandantcu hätte es nur schlecht ergehen können.

Einen erneuter längern Aufenthalt in Magdeburg benutzte ich dazu, einige
gewöhnliche Kneipen zu besuchen, um mich über die Volksstimmung zu unter¬
richten. Der Befehl zur Einberufung der Landwehr war eben angekommen.
Überall hörte ich die Äußerung: "Die Wehrmänner werden doch nicht so dumm
sein und sich einkleiden lassen?"

Abends erreichten wir Berlin. Ich fuhr sogleich zum Grafen Branden¬
burg. "Nicht zu Hause; im Kriegsministerium." Dort fand ich Flur, Treppen
und Hofraum mit einer Kompagnie der Gardejüger besetzt und drängte mich nach
einem Saale durch, in welchem mich der Oberst von Griesheim, damals Untcr-
stacitssekretcir im Kriegsministerium, empfing; er bat mich, etwas zu warten,
da das Ministerium gerade Sitzung habe. Wir nahmen beide auf einem Sopha
Platz, und ich lernte einen tüchtigen Mann kennen, der voll des besten Mutes
war. Er erzählte mir, das Ministerium habe sich für permanent erklärt, die
Herren blieben Tag und Nacht in diesem Hause zusammen (ich glaube, es waren
erst drei oder vier Minister in Berlin: Brandenburg, Manteuffel, Stockhausen
und vielleicht Rabe), sie hätten sich ihre Frauen und Bedienungen, auch Köche




Aus den hinterlassenen papieren
eines preußischen Äaatsministers.
Gerhard von Amyntor. Mitgeteilt von(Schluß.)

er Aufenthalt in Merseburg hatte ziemlich lange gedauert. Ich
würde vielleicht der Menge gegenüber doch einigermaßen die Ruhe
verloren haben, wenn ich nicht jeden Augenblick gehofft hätte,
daß der Zug abgehen und mich der Gefahr entziehen würde.
Aber nein, die Beamte» hatten Gefallen an der Szene gefunden
und wollten sie ausspielen lassen; ohne die Dazwischenkunft des vernünftigen
Bürgevwchrkvmmandantcu hätte es nur schlecht ergehen können.

Einen erneuter längern Aufenthalt in Magdeburg benutzte ich dazu, einige
gewöhnliche Kneipen zu besuchen, um mich über die Volksstimmung zu unter¬
richten. Der Befehl zur Einberufung der Landwehr war eben angekommen.
Überall hörte ich die Äußerung: „Die Wehrmänner werden doch nicht so dumm
sein und sich einkleiden lassen?"

Abends erreichten wir Berlin. Ich fuhr sogleich zum Grafen Branden¬
burg. „Nicht zu Hause; im Kriegsministerium." Dort fand ich Flur, Treppen
und Hofraum mit einer Kompagnie der Gardejüger besetzt und drängte mich nach
einem Saale durch, in welchem mich der Oberst von Griesheim, damals Untcr-
stacitssekretcir im Kriegsministerium, empfing; er bat mich, etwas zu warten,
da das Ministerium gerade Sitzung habe. Wir nahmen beide auf einem Sopha
Platz, und ich lernte einen tüchtigen Mann kennen, der voll des besten Mutes
war. Er erzählte mir, das Ministerium habe sich für permanent erklärt, die
Herren blieben Tag und Nacht in diesem Hause zusammen (ich glaube, es waren
erst drei oder vier Minister in Berlin: Brandenburg, Manteuffel, Stockhausen
und vielleicht Rabe), sie hätten sich ihre Frauen und Bedienungen, auch Köche


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[0548] [Abbildung] Aus den hinterlassenen papieren eines preußischen Äaatsministers. Gerhard von Amyntor. Mitgeteilt von(Schluß.) er Aufenthalt in Merseburg hatte ziemlich lange gedauert. Ich würde vielleicht der Menge gegenüber doch einigermaßen die Ruhe verloren haben, wenn ich nicht jeden Augenblick gehofft hätte, daß der Zug abgehen und mich der Gefahr entziehen würde. Aber nein, die Beamte» hatten Gefallen an der Szene gefunden und wollten sie ausspielen lassen; ohne die Dazwischenkunft des vernünftigen Bürgevwchrkvmmandantcu hätte es nur schlecht ergehen können. Einen erneuter längern Aufenthalt in Magdeburg benutzte ich dazu, einige gewöhnliche Kneipen zu besuchen, um mich über die Volksstimmung zu unter¬ richten. Der Befehl zur Einberufung der Landwehr war eben angekommen. Überall hörte ich die Äußerung: „Die Wehrmänner werden doch nicht so dumm sein und sich einkleiden lassen?" Abends erreichten wir Berlin. Ich fuhr sogleich zum Grafen Branden¬ burg. „Nicht zu Hause; im Kriegsministerium." Dort fand ich Flur, Treppen und Hofraum mit einer Kompagnie der Gardejüger besetzt und drängte mich nach einem Saale durch, in welchem mich der Oberst von Griesheim, damals Untcr- stacitssekretcir im Kriegsministerium, empfing; er bat mich, etwas zu warten, da das Ministerium gerade Sitzung habe. Wir nahmen beide auf einem Sopha Platz, und ich lernte einen tüchtigen Mann kennen, der voll des besten Mutes war. Er erzählte mir, das Ministerium habe sich für permanent erklärt, die Herren blieben Tag und Nacht in diesem Hause zusammen (ich glaube, es waren erst drei oder vier Minister in Berlin: Brandenburg, Manteuffel, Stockhausen und vielleicht Rabe), sie hätten sich ihre Frauen und Bedienungen, auch Köche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/548>, abgerufen am 29.04.2024.