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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Der Fremde in Rif.
Von Soxhus Bauditz. Z

I^^W^E er Winter 1476--77 war ungewöhnlich mild auf Island. Nur
den Gipfeln der Berge und in den Schluchten lag Schnee,
sonst war alles grün wie im Sommer, und bald nach Neujahr
war auch das Meer weit und breit eisfrei. Die Bachstelze",
die sich sonst erst im April dahinauf wage", zeigten sich schon
Mitte Februar, und da die Ankunft dieser Vögel als sicheres Vorzeichen an¬
gesehen wird, daß bald ausländische Schiffe zu erwarten sind, so wunderte man
sich auch nicht allzusehr, als schon Ende des Monats ein fremdes Fahrzeug
bei Rif in Sicht kam.

Nis ist ein Fischerdorf, welches auf der nordwestlichen Spitze des Sne-
Mldnäs-Bezirks liegt, der langen, schmalen Halbinsel, die Island nach Westen
hin ausstreckt, und die ihren Namen von dem mächtigen Snefjäldsjökel hat,
der an dem äußersten Ende der Halbinsel emporragt und dessen glänzendweißen
Scheitel man meilenweit schimmern sieht. Heutzutage besteht Nis wie alle die
andern Dörfer dieses Bezirks nur noch aus einigen armseligen Hütten, aber
zu der Zeit, in welcher dieses Histörchen spielt, betrieb man sowohl auf der
Nord- wie auf der Südseite der Insel eine einträgliche Fischerei, und von
Jahr zu Jahr kamen zahlreichere englische Schiffe dorthin, um die Bewohner
mit allen Erfordernissen zu versehen und die getrockneten Fische auszuführen.

Dieser englische Handel, der hauptsächlich durch Schiffe aus London, Hull
und Bristol geführt wurde, war jedoch zum größten Teil nicht allein ungesetz¬
mäßig, sondern nahm sogar oft ein geradezu gcwaltthätiges Wesen an, indem
die Fremden in dem unbeschützten Lande als verheerende Feinde auftraten und
offene Seeräubern trieben. Es half nichts, daß die dänischen Könige von Erik
von Pommern an Verbot auf Verbot gegen den Handel der Fremden richteten
und eine Verwahrung nach der andern nach England sandten; es half auch




Der Fremde in Rif.
Von Soxhus Bauditz. Z

I^^W^E er Winter 1476—77 war ungewöhnlich mild auf Island. Nur
den Gipfeln der Berge und in den Schluchten lag Schnee,
sonst war alles grün wie im Sommer, und bald nach Neujahr
war auch das Meer weit und breit eisfrei. Die Bachstelze»,
die sich sonst erst im April dahinauf wage», zeigten sich schon
Mitte Februar, und da die Ankunft dieser Vögel als sicheres Vorzeichen an¬
gesehen wird, daß bald ausländische Schiffe zu erwarten sind, so wunderte man
sich auch nicht allzusehr, als schon Ende des Monats ein fremdes Fahrzeug
bei Rif in Sicht kam.

Nis ist ein Fischerdorf, welches auf der nordwestlichen Spitze des Sne-
Mldnäs-Bezirks liegt, der langen, schmalen Halbinsel, die Island nach Westen
hin ausstreckt, und die ihren Namen von dem mächtigen Snefjäldsjökel hat,
der an dem äußersten Ende der Halbinsel emporragt und dessen glänzendweißen
Scheitel man meilenweit schimmern sieht. Heutzutage besteht Nis wie alle die
andern Dörfer dieses Bezirks nur noch aus einigen armseligen Hütten, aber
zu der Zeit, in welcher dieses Histörchen spielt, betrieb man sowohl auf der
Nord- wie auf der Südseite der Insel eine einträgliche Fischerei, und von
Jahr zu Jahr kamen zahlreichere englische Schiffe dorthin, um die Bewohner
mit allen Erfordernissen zu versehen und die getrockneten Fische auszuführen.

Dieser englische Handel, der hauptsächlich durch Schiffe aus London, Hull
und Bristol geführt wurde, war jedoch zum größten Teil nicht allein ungesetz¬
mäßig, sondern nahm sogar oft ein geradezu gcwaltthätiges Wesen an, indem
die Fremden in dem unbeschützten Lande als verheerende Feinde auftraten und
offene Seeräubern trieben. Es half nichts, daß die dänischen Könige von Erik
von Pommern an Verbot auf Verbot gegen den Handel der Fremden richteten
und eine Verwahrung nach der andern nach England sandten; es half auch


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[0056] [Abbildung] Der Fremde in Rif. Von Soxhus Bauditz. Z I^^W^E er Winter 1476—77 war ungewöhnlich mild auf Island. Nur den Gipfeln der Berge und in den Schluchten lag Schnee, sonst war alles grün wie im Sommer, und bald nach Neujahr war auch das Meer weit und breit eisfrei. Die Bachstelze», die sich sonst erst im April dahinauf wage», zeigten sich schon Mitte Februar, und da die Ankunft dieser Vögel als sicheres Vorzeichen an¬ gesehen wird, daß bald ausländische Schiffe zu erwarten sind, so wunderte man sich auch nicht allzusehr, als schon Ende des Monats ein fremdes Fahrzeug bei Rif in Sicht kam. Nis ist ein Fischerdorf, welches auf der nordwestlichen Spitze des Sne- Mldnäs-Bezirks liegt, der langen, schmalen Halbinsel, die Island nach Westen hin ausstreckt, und die ihren Namen von dem mächtigen Snefjäldsjökel hat, der an dem äußersten Ende der Halbinsel emporragt und dessen glänzendweißen Scheitel man meilenweit schimmern sieht. Heutzutage besteht Nis wie alle die andern Dörfer dieses Bezirks nur noch aus einigen armseligen Hütten, aber zu der Zeit, in welcher dieses Histörchen spielt, betrieb man sowohl auf der Nord- wie auf der Südseite der Insel eine einträgliche Fischerei, und von Jahr zu Jahr kamen zahlreichere englische Schiffe dorthin, um die Bewohner mit allen Erfordernissen zu versehen und die getrockneten Fische auszuführen. Dieser englische Handel, der hauptsächlich durch Schiffe aus London, Hull und Bristol geführt wurde, war jedoch zum größten Teil nicht allein ungesetz¬ mäßig, sondern nahm sogar oft ein geradezu gcwaltthätiges Wesen an, indem die Fremden in dem unbeschützten Lande als verheerende Feinde auftraten und offene Seeräubern trieben. Es half nichts, daß die dänischen Könige von Erik von Pommern an Verbot auf Verbot gegen den Handel der Fremden richteten und eine Verwahrung nach der andern nach England sandten; es half auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/56>, abgerufen am 28.04.2024.