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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Uolonisationsbestrebnngen in Vstafrika.

Wohlwollen, sie kann ihm, wie bisher, in allen billigen Verlangen sich dienst¬
bereit erzeigen, sie hat es aber nicht nötig, um seine Gönnerschaft mit Opfern
zu werben, schon weil diese seine Gunst, stets unzuverlässig, gerade in der letzten
Zeit besonders wenig Vertrauen beanspruchen konnte.

Von diesem Standpunkte ans betrachteten wir bisher das ganze Kopfzerbrechen
über die Frage, ob der in Kopenhagen zum Besuche weilende Zar auf seiner
Rückreise mit unserm Kaiser eine Zusammenkunft haben werde. Von ihm aus
urteilen wir auch jetzt, wo die Frage bejaht wurde und die Begegnung der
beiden Monarchen stattgefunden hat. Wir haben die fieberhafte Sehnsucht nach
dem Erscheinen Alexanders des Dritten in Stettin und das Grübeln der Tages¬
blätter, ob er wirklich kommen werde oder nicht, nur in sehr mäßigem Grade
geteilt. Die Sache schien uns mehr für Börsenmänner und Aktienbesitzer von
Bedeutung, und es kam uns vor, als ob man dem berechtigten Selbstgefühl
der deutschen Nation etwas vergäbe und an ihrer Würde sich versündigte, wenn
man mit Eifer jenes Zusammentreffen herbei wünschte und, als es einige Wochen
unterblieb, in Klagen ausbrach. Kaltblütigkeit, wenn auch nicht gerade Gleich-
giltigkeit war unsrer Ansicht nach die einzige Empfindung, welche hier am Orte
war. Und so denken wir auch jetzt noch. Der Besuch des Zaren in Berlin
ist kein Ereignis, am wenigsten ein Ereignis ersten Ranges, und es ist unwürdig
und zugleich unklug, ihn als solches zu bejubeln, unklug, weil eben alles
Russische Rauch ist. "Rauch und Dunst, nichts weiter", oder doch nicht sehr
viel mehr.




Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika.
von Harry Denicke. (Schluß.)

eder, der in die innere Geschichte und das persönliche Getriebe
der ostafrikanischen Gesellschaft einen Einblick gethan hat, weiß:
ohne Peters hätten wir Ostafrika überhaupt uicht, und ohne
seine weitere Thätigkeit wären vermutlich auch die ersten Ge-
bietserrungenschaftcn dort wieder zerronnen oder doch sicherlich
nicht zu dem großartigen Umfange emporgewachsen, den das Londoner Protokoll
aufweist. Dabei erwäge und würdige man die außerordentlich erschwerenden
Umstände, unter denen er sein Unternehmen anfing und fortführte. Er war
kein Großkaufmann oder reicher Bankier, auch nicht der Erbe eines volltönenden


Die deutschen Uolonisationsbestrebnngen in Vstafrika.

Wohlwollen, sie kann ihm, wie bisher, in allen billigen Verlangen sich dienst¬
bereit erzeigen, sie hat es aber nicht nötig, um seine Gönnerschaft mit Opfern
zu werben, schon weil diese seine Gunst, stets unzuverlässig, gerade in der letzten
Zeit besonders wenig Vertrauen beanspruchen konnte.

Von diesem Standpunkte ans betrachteten wir bisher das ganze Kopfzerbrechen
über die Frage, ob der in Kopenhagen zum Besuche weilende Zar auf seiner
Rückreise mit unserm Kaiser eine Zusammenkunft haben werde. Von ihm aus
urteilen wir auch jetzt, wo die Frage bejaht wurde und die Begegnung der
beiden Monarchen stattgefunden hat. Wir haben die fieberhafte Sehnsucht nach
dem Erscheinen Alexanders des Dritten in Stettin und das Grübeln der Tages¬
blätter, ob er wirklich kommen werde oder nicht, nur in sehr mäßigem Grade
geteilt. Die Sache schien uns mehr für Börsenmänner und Aktienbesitzer von
Bedeutung, und es kam uns vor, als ob man dem berechtigten Selbstgefühl
der deutschen Nation etwas vergäbe und an ihrer Würde sich versündigte, wenn
man mit Eifer jenes Zusammentreffen herbei wünschte und, als es einige Wochen
unterblieb, in Klagen ausbrach. Kaltblütigkeit, wenn auch nicht gerade Gleich-
giltigkeit war unsrer Ansicht nach die einzige Empfindung, welche hier am Orte
war. Und so denken wir auch jetzt noch. Der Besuch des Zaren in Berlin
ist kein Ereignis, am wenigsten ein Ereignis ersten Ranges, und es ist unwürdig
und zugleich unklug, ihn als solches zu bejubeln, unklug, weil eben alles
Russische Rauch ist. „Rauch und Dunst, nichts weiter", oder doch nicht sehr
viel mehr.




Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika.
von Harry Denicke. (Schluß.)

eder, der in die innere Geschichte und das persönliche Getriebe
der ostafrikanischen Gesellschaft einen Einblick gethan hat, weiß:
ohne Peters hätten wir Ostafrika überhaupt uicht, und ohne
seine weitere Thätigkeit wären vermutlich auch die ersten Ge-
bietserrungenschaftcn dort wieder zerronnen oder doch sicherlich
nicht zu dem großartigen Umfange emporgewachsen, den das Londoner Protokoll
aufweist. Dabei erwäge und würdige man die außerordentlich erschwerenden
Umstände, unter denen er sein Unternehmen anfing und fortführte. Er war
kein Großkaufmann oder reicher Bankier, auch nicht der Erbe eines volltönenden


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[0423] Die deutschen Uolonisationsbestrebnngen in Vstafrika. Wohlwollen, sie kann ihm, wie bisher, in allen billigen Verlangen sich dienst¬ bereit erzeigen, sie hat es aber nicht nötig, um seine Gönnerschaft mit Opfern zu werben, schon weil diese seine Gunst, stets unzuverlässig, gerade in der letzten Zeit besonders wenig Vertrauen beanspruchen konnte. Von diesem Standpunkte ans betrachteten wir bisher das ganze Kopfzerbrechen über die Frage, ob der in Kopenhagen zum Besuche weilende Zar auf seiner Rückreise mit unserm Kaiser eine Zusammenkunft haben werde. Von ihm aus urteilen wir auch jetzt, wo die Frage bejaht wurde und die Begegnung der beiden Monarchen stattgefunden hat. Wir haben die fieberhafte Sehnsucht nach dem Erscheinen Alexanders des Dritten in Stettin und das Grübeln der Tages¬ blätter, ob er wirklich kommen werde oder nicht, nur in sehr mäßigem Grade geteilt. Die Sache schien uns mehr für Börsenmänner und Aktienbesitzer von Bedeutung, und es kam uns vor, als ob man dem berechtigten Selbstgefühl der deutschen Nation etwas vergäbe und an ihrer Würde sich versündigte, wenn man mit Eifer jenes Zusammentreffen herbei wünschte und, als es einige Wochen unterblieb, in Klagen ausbrach. Kaltblütigkeit, wenn auch nicht gerade Gleich- giltigkeit war unsrer Ansicht nach die einzige Empfindung, welche hier am Orte war. Und so denken wir auch jetzt noch. Der Besuch des Zaren in Berlin ist kein Ereignis, am wenigsten ein Ereignis ersten Ranges, und es ist unwürdig und zugleich unklug, ihn als solches zu bejubeln, unklug, weil eben alles Russische Rauch ist. „Rauch und Dunst, nichts weiter", oder doch nicht sehr viel mehr. Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika. von Harry Denicke. (Schluß.) eder, der in die innere Geschichte und das persönliche Getriebe der ostafrikanischen Gesellschaft einen Einblick gethan hat, weiß: ohne Peters hätten wir Ostafrika überhaupt uicht, und ohne seine weitere Thätigkeit wären vermutlich auch die ersten Ge- bietserrungenschaftcn dort wieder zerronnen oder doch sicherlich nicht zu dem großartigen Umfange emporgewachsen, den das Londoner Protokoll aufweist. Dabei erwäge und würdige man die außerordentlich erschwerenden Umstände, unter denen er sein Unternehmen anfing und fortführte. Er war kein Großkaufmann oder reicher Bankier, auch nicht der Erbe eines volltönenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/423>, abgerufen am 01.05.2024.