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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Brot- und Fleischtaxe.

Verhältnissen gerade Ostafrikas ergaben, und nicht zum wenigsten auch aus den
unausgesetzten Verdächtigungen eben dieser klagenden Presse. Doch es sei! Der
Eifer der jugendlichen Führer schäumte hoch auf und mitunter wohl auch über.
Aber hatte - denn die neue Idee nicht thatsächlich etwas Berauschendes für einen
thatcnmutigen und patriotischen Sinn? Und wissen die kühlen, klugen Gegner
nicht aus jedem großen Blatt der Geschichte, daß nur die volle, thatkräftige
Hingabe an eine Idee Bedeutendes wirkt? Den Überschuß von Begeisterung
über das Maß ihrer Rechtfertigung, das in der Sache liegt, berichtigt schon
die rauhe Welt mit ihren Gegenbestrebungen, die einer großen Bewegung noch
nie erspart wurden. Aber häßlich ist es, wenn jene Gegner nicht Farbe be¬
kennen, ja sich noch mit einer gewissen Entrüstung aufspielen, wo ihnen ihre
grundsätzliche Gegnerschaft entgegengehalten wird. Haben sie sich etwa nicht die
redlichste Mühe gegeben, diese neuen Bestrebungen immer wieder durch kalte
Wasserstrahlen zu dämpfe" und das schiefe Urteil des neidischen Auslandes
über das Urteil ihrer kundigen Volksgenossen zu erheben? Oder eine noch bessere
Probe: haben sie sich jemals über die erstaunlichen Erfolge unsrer jungen Kolo-
nialpolitik aufrichtig gefreut? Sie verweisen dann wohl auf ihre übrigens zögernd
genug gegebenen Geldbewilligungen im Reichstage und klammern sich an den
Wortlaut des bekannten Programms, in dem Bismarck seine Stellung zu der
Kolonialfrage kundgab. Aber der dort ausgesprochene Grundsatz, daß der
Staat in maßvoller Weise anerkannten kolonialen Unternehmungen mit seinem
Schutze folgen werde, muß doch nach seinem Sinn auch auf eine gewisse innere
Förderung ausdehnbar sein. Soll der bloße Wortlaut jeuer Erklärung für immer
streng maßgebend bleiben, dann ist es vielleicht besser, noch jetzt von der ganzen
Kolonialpolitik die Hand zu lassen.




Brot- und Fleischtaxe.

s gehört zu den selbstverständlichen Glaubenssätzen der Manchester-
mnnner, daß die Preise der Lebensmittel sich durch den Wett¬
bewerb in völlig sachgemäßer Weise regeln, daß also ein Ein¬
greifen der Staatsgewalt durchaus überflüssig und unberechtigt sei.

Was von der Wahrheit dieser Behauptung zu halten ist, zeigen
die vielfachen Klagen der Bevölkerung über die Ausbeutung durch Bäcker und
Fleischer und das Verlangen nach Wiedereinführung der früheren Brot- und
Fleischtaxen. Und wie wohlbegründet diese Klagen sind, ergeben unter cinderm


Brot- und Fleischtaxe.

Verhältnissen gerade Ostafrikas ergaben, und nicht zum wenigsten auch aus den
unausgesetzten Verdächtigungen eben dieser klagenden Presse. Doch es sei! Der
Eifer der jugendlichen Führer schäumte hoch auf und mitunter wohl auch über.
Aber hatte - denn die neue Idee nicht thatsächlich etwas Berauschendes für einen
thatcnmutigen und patriotischen Sinn? Und wissen die kühlen, klugen Gegner
nicht aus jedem großen Blatt der Geschichte, daß nur die volle, thatkräftige
Hingabe an eine Idee Bedeutendes wirkt? Den Überschuß von Begeisterung
über das Maß ihrer Rechtfertigung, das in der Sache liegt, berichtigt schon
die rauhe Welt mit ihren Gegenbestrebungen, die einer großen Bewegung noch
nie erspart wurden. Aber häßlich ist es, wenn jene Gegner nicht Farbe be¬
kennen, ja sich noch mit einer gewissen Entrüstung aufspielen, wo ihnen ihre
grundsätzliche Gegnerschaft entgegengehalten wird. Haben sie sich etwa nicht die
redlichste Mühe gegeben, diese neuen Bestrebungen immer wieder durch kalte
Wasserstrahlen zu dämpfe» und das schiefe Urteil des neidischen Auslandes
über das Urteil ihrer kundigen Volksgenossen zu erheben? Oder eine noch bessere
Probe: haben sie sich jemals über die erstaunlichen Erfolge unsrer jungen Kolo-
nialpolitik aufrichtig gefreut? Sie verweisen dann wohl auf ihre übrigens zögernd
genug gegebenen Geldbewilligungen im Reichstage und klammern sich an den
Wortlaut des bekannten Programms, in dem Bismarck seine Stellung zu der
Kolonialfrage kundgab. Aber der dort ausgesprochene Grundsatz, daß der
Staat in maßvoller Weise anerkannten kolonialen Unternehmungen mit seinem
Schutze folgen werde, muß doch nach seinem Sinn auch auf eine gewisse innere
Förderung ausdehnbar sein. Soll der bloße Wortlaut jeuer Erklärung für immer
streng maßgebend bleiben, dann ist es vielleicht besser, noch jetzt von der ganzen
Kolonialpolitik die Hand zu lassen.




Brot- und Fleischtaxe.

s gehört zu den selbstverständlichen Glaubenssätzen der Manchester-
mnnner, daß die Preise der Lebensmittel sich durch den Wett¬
bewerb in völlig sachgemäßer Weise regeln, daß also ein Ein¬
greifen der Staatsgewalt durchaus überflüssig und unberechtigt sei.

Was von der Wahrheit dieser Behauptung zu halten ist, zeigen
die vielfachen Klagen der Bevölkerung über die Ausbeutung durch Bäcker und
Fleischer und das Verlangen nach Wiedereinführung der früheren Brot- und
Fleischtaxen. Und wie wohlbegründet diese Klagen sind, ergeben unter cinderm


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[0430] Brot- und Fleischtaxe. Verhältnissen gerade Ostafrikas ergaben, und nicht zum wenigsten auch aus den unausgesetzten Verdächtigungen eben dieser klagenden Presse. Doch es sei! Der Eifer der jugendlichen Führer schäumte hoch auf und mitunter wohl auch über. Aber hatte - denn die neue Idee nicht thatsächlich etwas Berauschendes für einen thatcnmutigen und patriotischen Sinn? Und wissen die kühlen, klugen Gegner nicht aus jedem großen Blatt der Geschichte, daß nur die volle, thatkräftige Hingabe an eine Idee Bedeutendes wirkt? Den Überschuß von Begeisterung über das Maß ihrer Rechtfertigung, das in der Sache liegt, berichtigt schon die rauhe Welt mit ihren Gegenbestrebungen, die einer großen Bewegung noch nie erspart wurden. Aber häßlich ist es, wenn jene Gegner nicht Farbe be¬ kennen, ja sich noch mit einer gewissen Entrüstung aufspielen, wo ihnen ihre grundsätzliche Gegnerschaft entgegengehalten wird. Haben sie sich etwa nicht die redlichste Mühe gegeben, diese neuen Bestrebungen immer wieder durch kalte Wasserstrahlen zu dämpfe» und das schiefe Urteil des neidischen Auslandes über das Urteil ihrer kundigen Volksgenossen zu erheben? Oder eine noch bessere Probe: haben sie sich jemals über die erstaunlichen Erfolge unsrer jungen Kolo- nialpolitik aufrichtig gefreut? Sie verweisen dann wohl auf ihre übrigens zögernd genug gegebenen Geldbewilligungen im Reichstage und klammern sich an den Wortlaut des bekannten Programms, in dem Bismarck seine Stellung zu der Kolonialfrage kundgab. Aber der dort ausgesprochene Grundsatz, daß der Staat in maßvoller Weise anerkannten kolonialen Unternehmungen mit seinem Schutze folgen werde, muß doch nach seinem Sinn auch auf eine gewisse innere Förderung ausdehnbar sein. Soll der bloße Wortlaut jeuer Erklärung für immer streng maßgebend bleiben, dann ist es vielleicht besser, noch jetzt von der ganzen Kolonialpolitik die Hand zu lassen. Brot- und Fleischtaxe. s gehört zu den selbstverständlichen Glaubenssätzen der Manchester- mnnner, daß die Preise der Lebensmittel sich durch den Wett¬ bewerb in völlig sachgemäßer Weise regeln, daß also ein Ein¬ greifen der Staatsgewalt durchaus überflüssig und unberechtigt sei. Was von der Wahrheit dieser Behauptung zu halten ist, zeigen die vielfachen Klagen der Bevölkerung über die Ausbeutung durch Bäcker und Fleischer und das Verlangen nach Wiedereinführung der früheren Brot- und Fleischtaxen. Und wie wohlbegründet diese Klagen sind, ergeben unter cinderm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/430>, abgerufen am 01.05.2024.