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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Brot- und Fleischtaxe.

die Berichte zweier württembergischen Handelskammern, welche für die ersten
Jahre nach Einführung der Gewerbefreiheit und der mit dieser verbundenen
Aufhebung der bis dahin giltigen Brot- und Fleischtaxen erstattet worden sind.

Es ist in diesen Berichten übereinstimmend ausgeführt, daß die Brotpreise
zu den Getrcidepreisen in keinem Verhältnis stehen, daß die Bäcker trotz des
fortwährend niedrigen Standes der Getreidepreise ihre hohen Brotpreise festhalten,
und daß die Aufhebung der Taxe den erwarteten Erfolg einer sachgemäßen
Regelung der Preise durch die Konkurrenz in keiner Weise gehabt habe. Es
ist dargelegt, daß an Plätzen, welche die Taxe beibehalten haben, die Preise
des Brotes durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent niedriger stehen als an
Orten, welche die Taxe aufgehoben haben; es ist angeführt, wie das Brot an
einem Platze mit aufgehobener Taxe beinahe um die Hälfte weniger wog als
an den Orten mit fortbestehender Taxe.

Die Bäcker hatten als Gründe für die auffallende Erhöhung der Brot-
Preise angeführt die Steigerung der Arbeitslöhne, der Mieter, der Gebäudestcueru
und des Arbeitsmaterials. Es wird ihnen aber in den genannten Berichten
nachgewiesen, daß diese Steigerung uicht erst seit Aufhebung der Taxe ein¬
getreten ist, sondern daß sie schon vorher bestand und bei Festsetzung der Taxe
bereits vollauf in Berechnung genommen worden ist. Es ist in dem Berichte
weiter darauf hingewiesen, daß das Bäckereigewerbe trotz des geringen Auf¬
wandes an Arbeit und Produktionsmitteln und bei regelmäßig erfolgender Bar¬
zahlung für die verkaufte Waare, also mindestens zwölfmaligem Umschlage des
Betriebskapitals, zu den niedrigst besteuerten Gewerben gehört, und daß es von
den niedrigen Getreidepreisen, die dem Landwirte bei einem weitaus größeren
Aufwande für Instandhaltung seiner Betriebsmittel und für Arbeit kaum die
Kosten ersetzen, allein Nutzen zieht. In Paris wurde der von den Bäckern
(vor mehr als zwanzig Jahren schon) im Lause eines Jahres infolge der Auf¬
hebung der Taxe gemachte Gewinn amtlich ans nenn Millionen Franken be¬
rechnet. In Zürich wurde die Mehl- und Brottaxe wieder eingeführt, nachdem
sie früher aufgehoben worden war.

Die gleichen Erwägungen wie für die Bäcker treffen auch für die Fleischer zu.

Mau hat verschiedene Mittel versucht, um -- ohne Wiedereinführung der
Taxe -- die Konsumenten gegen die Ausbeutung durch die Bäcker und Fleischer
zu schützen, so die Veröffentlichung einer sogenannten amtlichen Taxe, d. h. die
Berechnung und Bekanntmachung des jeweilig sachgemäßen Preises ohne Zwang
Zu dessen Einhaltung auf Seiten der Verkäufer, die Abhaltung einer Brot- und
Fleischschaf und die Veröffentlichung der Namen derjenigen Verkäufer, welche
unter der amtlichen Taxe verkaufen, die Veröffentlichung der Namen der Ver¬
käufer, welche unter und welche über dem amtlichen Anschlage verkaufen, die
Vorschrift des Vorwiegens jeden verkauften Stückes an jeden Käufer, die Er¬
leichterung auswärtiger Zufuhr u. s. w.


Brot- und Fleischtaxe.

die Berichte zweier württembergischen Handelskammern, welche für die ersten
Jahre nach Einführung der Gewerbefreiheit und der mit dieser verbundenen
Aufhebung der bis dahin giltigen Brot- und Fleischtaxen erstattet worden sind.

Es ist in diesen Berichten übereinstimmend ausgeführt, daß die Brotpreise
zu den Getrcidepreisen in keinem Verhältnis stehen, daß die Bäcker trotz des
fortwährend niedrigen Standes der Getreidepreise ihre hohen Brotpreise festhalten,
und daß die Aufhebung der Taxe den erwarteten Erfolg einer sachgemäßen
Regelung der Preise durch die Konkurrenz in keiner Weise gehabt habe. Es
ist dargelegt, daß an Plätzen, welche die Taxe beibehalten haben, die Preise
des Brotes durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent niedriger stehen als an
Orten, welche die Taxe aufgehoben haben; es ist angeführt, wie das Brot an
einem Platze mit aufgehobener Taxe beinahe um die Hälfte weniger wog als
an den Orten mit fortbestehender Taxe.

Die Bäcker hatten als Gründe für die auffallende Erhöhung der Brot-
Preise angeführt die Steigerung der Arbeitslöhne, der Mieter, der Gebäudestcueru
und des Arbeitsmaterials. Es wird ihnen aber in den genannten Berichten
nachgewiesen, daß diese Steigerung uicht erst seit Aufhebung der Taxe ein¬
getreten ist, sondern daß sie schon vorher bestand und bei Festsetzung der Taxe
bereits vollauf in Berechnung genommen worden ist. Es ist in dem Berichte
weiter darauf hingewiesen, daß das Bäckereigewerbe trotz des geringen Auf¬
wandes an Arbeit und Produktionsmitteln und bei regelmäßig erfolgender Bar¬
zahlung für die verkaufte Waare, also mindestens zwölfmaligem Umschlage des
Betriebskapitals, zu den niedrigst besteuerten Gewerben gehört, und daß es von
den niedrigen Getreidepreisen, die dem Landwirte bei einem weitaus größeren
Aufwande für Instandhaltung seiner Betriebsmittel und für Arbeit kaum die
Kosten ersetzen, allein Nutzen zieht. In Paris wurde der von den Bäckern
(vor mehr als zwanzig Jahren schon) im Lause eines Jahres infolge der Auf¬
hebung der Taxe gemachte Gewinn amtlich ans nenn Millionen Franken be¬
rechnet. In Zürich wurde die Mehl- und Brottaxe wieder eingeführt, nachdem
sie früher aufgehoben worden war.

Die gleichen Erwägungen wie für die Bäcker treffen auch für die Fleischer zu.

Mau hat verschiedene Mittel versucht, um — ohne Wiedereinführung der
Taxe — die Konsumenten gegen die Ausbeutung durch die Bäcker und Fleischer
zu schützen, so die Veröffentlichung einer sogenannten amtlichen Taxe, d. h. die
Berechnung und Bekanntmachung des jeweilig sachgemäßen Preises ohne Zwang
Zu dessen Einhaltung auf Seiten der Verkäufer, die Abhaltung einer Brot- und
Fleischschaf und die Veröffentlichung der Namen derjenigen Verkäufer, welche
unter der amtlichen Taxe verkaufen, die Veröffentlichung der Namen der Ver¬
käufer, welche unter und welche über dem amtlichen Anschlage verkaufen, die
Vorschrift des Vorwiegens jeden verkauften Stückes an jeden Käufer, die Er¬
leichterung auswärtiger Zufuhr u. s. w.


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[0431] Brot- und Fleischtaxe. die Berichte zweier württembergischen Handelskammern, welche für die ersten Jahre nach Einführung der Gewerbefreiheit und der mit dieser verbundenen Aufhebung der bis dahin giltigen Brot- und Fleischtaxen erstattet worden sind. Es ist in diesen Berichten übereinstimmend ausgeführt, daß die Brotpreise zu den Getrcidepreisen in keinem Verhältnis stehen, daß die Bäcker trotz des fortwährend niedrigen Standes der Getreidepreise ihre hohen Brotpreise festhalten, und daß die Aufhebung der Taxe den erwarteten Erfolg einer sachgemäßen Regelung der Preise durch die Konkurrenz in keiner Weise gehabt habe. Es ist dargelegt, daß an Plätzen, welche die Taxe beibehalten haben, die Preise des Brotes durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent niedriger stehen als an Orten, welche die Taxe aufgehoben haben; es ist angeführt, wie das Brot an einem Platze mit aufgehobener Taxe beinahe um die Hälfte weniger wog als an den Orten mit fortbestehender Taxe. Die Bäcker hatten als Gründe für die auffallende Erhöhung der Brot- Preise angeführt die Steigerung der Arbeitslöhne, der Mieter, der Gebäudestcueru und des Arbeitsmaterials. Es wird ihnen aber in den genannten Berichten nachgewiesen, daß diese Steigerung uicht erst seit Aufhebung der Taxe ein¬ getreten ist, sondern daß sie schon vorher bestand und bei Festsetzung der Taxe bereits vollauf in Berechnung genommen worden ist. Es ist in dem Berichte weiter darauf hingewiesen, daß das Bäckereigewerbe trotz des geringen Auf¬ wandes an Arbeit und Produktionsmitteln und bei regelmäßig erfolgender Bar¬ zahlung für die verkaufte Waare, also mindestens zwölfmaligem Umschlage des Betriebskapitals, zu den niedrigst besteuerten Gewerben gehört, und daß es von den niedrigen Getreidepreisen, die dem Landwirte bei einem weitaus größeren Aufwande für Instandhaltung seiner Betriebsmittel und für Arbeit kaum die Kosten ersetzen, allein Nutzen zieht. In Paris wurde der von den Bäckern (vor mehr als zwanzig Jahren schon) im Lause eines Jahres infolge der Auf¬ hebung der Taxe gemachte Gewinn amtlich ans nenn Millionen Franken be¬ rechnet. In Zürich wurde die Mehl- und Brottaxe wieder eingeführt, nachdem sie früher aufgehoben worden war. Die gleichen Erwägungen wie für die Bäcker treffen auch für die Fleischer zu. Mau hat verschiedene Mittel versucht, um — ohne Wiedereinführung der Taxe — die Konsumenten gegen die Ausbeutung durch die Bäcker und Fleischer zu schützen, so die Veröffentlichung einer sogenannten amtlichen Taxe, d. h. die Berechnung und Bekanntmachung des jeweilig sachgemäßen Preises ohne Zwang Zu dessen Einhaltung auf Seiten der Verkäufer, die Abhaltung einer Brot- und Fleischschaf und die Veröffentlichung der Namen derjenigen Verkäufer, welche unter der amtlichen Taxe verkaufen, die Veröffentlichung der Namen der Ver¬ käufer, welche unter und welche über dem amtlichen Anschlage verkaufen, die Vorschrift des Vorwiegens jeden verkauften Stückes an jeden Käufer, die Er¬ leichterung auswärtiger Zufuhr u. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/431>, abgerufen am 22.05.2024.