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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Zur Land- und Bodensrage.

in vorigen Jahrgang der Grenzboten (III, S. 441 ff.) habe ich
unter dem Titel: "Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen"
eingehend die Frage des Eigentums an Grund und Boden er¬
örtert. Es ist nicht meine Absicht, hier diesen Gegenstand weiter
zu behandeln, sondern ich will nur im Anschluß an jenen Aufsatz
vergleichen, was seitdem beobachtet werden konnte und mehr oder weniger zur
Unterstützung meiner Ansichten und zur Klärung der so überaus wichtigen Frage
dienen kann.

Das Ergebnis meiner Untersuchung läßt sich ungefähr in folgende Sätze
zusammenfassen:

1. Billige Preise der erzeugten Güter sind an sich kein Übelstand, sondern
im Gegenteil das bewußte Ziel unsers wirtschaftlichen Vorschreitens. Zum
Übelstande werden billige Preise erst dann, wenn sie Folge der Unverküuflichkeit,
des Mangels an Absatz sind und unter die Produktionskosten herabgehen.

3. Ein Beweis, daß die bestehenden niedrigen Preise zur letztgedachten Art
gehören, ist für die Landwirtschaft nicht erbracht, vielmehr ist der Grund des
beklagten Notstandes derselben vornehmlich in dem allzu hohen Preise der
Güter zu finden, welche der Betrieb, sei er in den Händen des Eigentümers
oder eines Pächters, verzinsen soll, mit andern Worten, in den Ansprüchen der
Bodenrenke.

3. Da die Bodenrenke nicht, wie andre Preise, dnrch die freie Wechsel¬
wirkung von Nachfrage und Angebot geregelt wird, insofern das der Bewirt¬
schaftung zur Verfügung stehende Land nicht oder doch nicht in demselben Maße
vermehrt werden kann, wie es dem Wachstums der nachfragenden Bevölkerung
entsprechen würde, so hat die Bodenrenke bei sinkenden Preisen der Früchte
das Bestreben und die Macht, allen Vorteil des Betriebes aufzusaugen. Daher
der sogenannte Notstand der Landwirtschaft.

4. Von den radikalen Vorschlägen abgesehen, die dem Übelstande durch
Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden abhelfen wollen, ist
eine bessere Verteilung desselben an beiden Extremen, d. h. eine Zerlegung der
Latifundien und eine Zusammenlegung zwerghafter Parzellen, eine ziemlich all¬
gemein anerkannte Notwendigkeit, damit der Boden eine möglichst große An¬
zahl von Menschen unmittelbar ernähren könne.

Was nun in diesem Rahmen zu berichten wäre, ist etwa Folgendes.

Der Rittergutsbesitzer von Sombart-Ermsleben hat es bekanntlich unter¬
nommen, ein großes Gut im Magdeburgischen nicht nur in Bauerngüter zu


Grenzboten IV. 1887. 65
Zur Land- und Bodensrage.

in vorigen Jahrgang der Grenzboten (III, S. 441 ff.) habe ich
unter dem Titel: „Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen"
eingehend die Frage des Eigentums an Grund und Boden er¬
örtert. Es ist nicht meine Absicht, hier diesen Gegenstand weiter
zu behandeln, sondern ich will nur im Anschluß an jenen Aufsatz
vergleichen, was seitdem beobachtet werden konnte und mehr oder weniger zur
Unterstützung meiner Ansichten und zur Klärung der so überaus wichtigen Frage
dienen kann.

Das Ergebnis meiner Untersuchung läßt sich ungefähr in folgende Sätze
zusammenfassen:

1. Billige Preise der erzeugten Güter sind an sich kein Übelstand, sondern
im Gegenteil das bewußte Ziel unsers wirtschaftlichen Vorschreitens. Zum
Übelstande werden billige Preise erst dann, wenn sie Folge der Unverküuflichkeit,
des Mangels an Absatz sind und unter die Produktionskosten herabgehen.

3. Ein Beweis, daß die bestehenden niedrigen Preise zur letztgedachten Art
gehören, ist für die Landwirtschaft nicht erbracht, vielmehr ist der Grund des
beklagten Notstandes derselben vornehmlich in dem allzu hohen Preise der
Güter zu finden, welche der Betrieb, sei er in den Händen des Eigentümers
oder eines Pächters, verzinsen soll, mit andern Worten, in den Ansprüchen der
Bodenrenke.

3. Da die Bodenrenke nicht, wie andre Preise, dnrch die freie Wechsel¬
wirkung von Nachfrage und Angebot geregelt wird, insofern das der Bewirt¬
schaftung zur Verfügung stehende Land nicht oder doch nicht in demselben Maße
vermehrt werden kann, wie es dem Wachstums der nachfragenden Bevölkerung
entsprechen würde, so hat die Bodenrenke bei sinkenden Preisen der Früchte
das Bestreben und die Macht, allen Vorteil des Betriebes aufzusaugen. Daher
der sogenannte Notstand der Landwirtschaft.

4. Von den radikalen Vorschlägen abgesehen, die dem Übelstande durch
Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden abhelfen wollen, ist
eine bessere Verteilung desselben an beiden Extremen, d. h. eine Zerlegung der
Latifundien und eine Zusammenlegung zwerghafter Parzellen, eine ziemlich all¬
gemein anerkannte Notwendigkeit, damit der Boden eine möglichst große An¬
zahl von Menschen unmittelbar ernähren könne.

Was nun in diesem Rahmen zu berichten wäre, ist etwa Folgendes.

Der Rittergutsbesitzer von Sombart-Ermsleben hat es bekanntlich unter¬
nommen, ein großes Gut im Magdeburgischen nicht nur in Bauerngüter zu


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[0521] Zur Land- und Bodensrage. in vorigen Jahrgang der Grenzboten (III, S. 441 ff.) habe ich unter dem Titel: „Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen" eingehend die Frage des Eigentums an Grund und Boden er¬ örtert. Es ist nicht meine Absicht, hier diesen Gegenstand weiter zu behandeln, sondern ich will nur im Anschluß an jenen Aufsatz vergleichen, was seitdem beobachtet werden konnte und mehr oder weniger zur Unterstützung meiner Ansichten und zur Klärung der so überaus wichtigen Frage dienen kann. Das Ergebnis meiner Untersuchung läßt sich ungefähr in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Billige Preise der erzeugten Güter sind an sich kein Übelstand, sondern im Gegenteil das bewußte Ziel unsers wirtschaftlichen Vorschreitens. Zum Übelstande werden billige Preise erst dann, wenn sie Folge der Unverküuflichkeit, des Mangels an Absatz sind und unter die Produktionskosten herabgehen. 3. Ein Beweis, daß die bestehenden niedrigen Preise zur letztgedachten Art gehören, ist für die Landwirtschaft nicht erbracht, vielmehr ist der Grund des beklagten Notstandes derselben vornehmlich in dem allzu hohen Preise der Güter zu finden, welche der Betrieb, sei er in den Händen des Eigentümers oder eines Pächters, verzinsen soll, mit andern Worten, in den Ansprüchen der Bodenrenke. 3. Da die Bodenrenke nicht, wie andre Preise, dnrch die freie Wechsel¬ wirkung von Nachfrage und Angebot geregelt wird, insofern das der Bewirt¬ schaftung zur Verfügung stehende Land nicht oder doch nicht in demselben Maße vermehrt werden kann, wie es dem Wachstums der nachfragenden Bevölkerung entsprechen würde, so hat die Bodenrenke bei sinkenden Preisen der Früchte das Bestreben und die Macht, allen Vorteil des Betriebes aufzusaugen. Daher der sogenannte Notstand der Landwirtschaft. 4. Von den radikalen Vorschlägen abgesehen, die dem Übelstande durch Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden abhelfen wollen, ist eine bessere Verteilung desselben an beiden Extremen, d. h. eine Zerlegung der Latifundien und eine Zusammenlegung zwerghafter Parzellen, eine ziemlich all¬ gemein anerkannte Notwendigkeit, damit der Boden eine möglichst große An¬ zahl von Menschen unmittelbar ernähren könne. Was nun in diesem Rahmen zu berichten wäre, ist etwa Folgendes. Der Rittergutsbesitzer von Sombart-Ermsleben hat es bekanntlich unter¬ nommen, ein großes Gut im Magdeburgischen nicht nur in Bauerngüter zu Grenzboten IV. 1887. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/521>, abgerufen am 01.05.2024.