Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Wieland und das Humanitätsideal. Gutsbesitzer beklagt, indem er sie auf 300 Millionen Pf. Sterl. schätzt, ein Daß dem Lande der Bauer fehlt, sieht jeder Engländer ein, und alle Auch in Deutschland dämmert die Erkenntnis, daß die Latifundienwirtschaft, "Das wirksamste Mittel wäre, in den beteiligten Provinzen eine gesteigerte Wieland und das Humanitätsideal. von Karl Trost. er irgendwie sich zu vergegenwärtigen vermag, aus welcher Be¬ Wieland und das Humanitätsideal. Gutsbesitzer beklagt, indem er sie auf 300 Millionen Pf. Sterl. schätzt, ein Daß dem Lande der Bauer fehlt, sieht jeder Engländer ein, und alle Auch in Deutschland dämmert die Erkenntnis, daß die Latifundienwirtschaft, „Das wirksamste Mittel wäre, in den beteiligten Provinzen eine gesteigerte Wieland und das Humanitätsideal. von Karl Trost. er irgendwie sich zu vergegenwärtigen vermag, aus welcher Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201957"/> <fw type="header" place="top"> Wieland und das Humanitätsideal.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1383" prev="#ID_1382"> Gutsbesitzer beklagt, indem er sie auf 300 Millionen Pf. Sterl. schätzt, ein<lb/> Verlust, welchen er der ausländischen Konkurrenz zuschreibt, aber trocken hin¬<lb/> zufügt, das Parlament werde niemals wieder Schutzzölle einführen, und das<lb/> einzige, was man verlangen könne, sei, daß eine Steuer- und Frachttarifresorm<lb/> dem ländlichen Grundbesitz etwas zu Hilfe komme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1384"> Daß dem Lande der Bauer fehlt, sieht jeder Engländer ein, und alle<lb/> Parteien tragen sich mit Plänen, dem Übel abzuhelfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1385"> Auch in Deutschland dämmert die Erkenntnis, daß die Latifundienwirtschaft,<lb/> die eben doch auch bei uns sehr vielfach besteht, ein Krebsschaden sei, der nicht<lb/> nur an der Landwirtschaft nagt, sondern auch unsre Bauernsöhne zur Aus¬<lb/> wanderung treibt und uns an einer wirksamen Kolonisation im Inlande hindert.<lb/> Mit Interesse las ich in einem „Zur Reichsfinanzpolitik" betitelten Aufsatze der<lb/> Münchner Allgemeinen Zeitung (19. Dezember 1886) folgende Stelle, mit der<lb/> ich für heute schließen will:</p><lb/> <p xml:id="ID_1386"> „Das wirksamste Mittel wäre, in den beteiligten Provinzen eine gesteigerte<lb/> Nachfrage nach deren eignen Erzeugnissen heran zu erziehen. Das ist aber nur<lb/> möglich durch Steigerung der Bevölkerung, und diese ist mit dem Fortbestande<lb/> des Großbesitzes unverträglich. Hier ist also die faule Stelle, an welcher die<lb/> Arznei und, wenn diese nicht hilft, das Messer in Thätigkeit treten muß. Der<lb/> große Grundbesitz, welcher durch die Gewalt der Eroberung entstanden ist und<lb/> die wirtschaftliche Seite einer Verfassung darstellt, in welcher eine kleine herr¬<lb/> schende Klasse über einer unfreien Landbevölkerung steht, verträgt sich mit<lb/> unsern gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr.<lb/> Die Aufgabe, denselben in einer Weise aufzulösen, in welcher man den durch<lb/> Jahrhunderte langen Besitz rechtmäßig gewordenen Eigentümern möglichst wenig<lb/> wehe thut, tritt sehr ernstlich an uns heran; in England ist sie bereits brennend<lb/> geworden. Dies sollte zur rechten Zeit erkannt und beherzigt werden, ehe die<lb/> gebieterische Not gewaltsam zu schmerzenden Maßregeln treibt."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wieland und das Humanitätsideal.<lb/><note type="byline"> von Karl Trost.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1387" next="#ID_1388"> er irgendwie sich zu vergegenwärtigen vermag, aus welcher Be¬<lb/> schränkung und Abhängigkeit jeder Art der deutsche Geist im<lb/> achtzehnten Jahrhundert sich losringen mußte, um zum selbstän¬<lb/> digen Erfassen der Welt und des Ideals zu gelangen, wird sich<lb/> immer wieder mit Bewunderung erfüllen für die Folgerichtigkeit<lb/> und Sicherheit, mit der sich dieses Werk der Befreiung vollzog. In den SchreckenMM<lb/> ^MA<lb/> M5</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
Wieland und das Humanitätsideal.
Gutsbesitzer beklagt, indem er sie auf 300 Millionen Pf. Sterl. schätzt, ein
Verlust, welchen er der ausländischen Konkurrenz zuschreibt, aber trocken hin¬
zufügt, das Parlament werde niemals wieder Schutzzölle einführen, und das
einzige, was man verlangen könne, sei, daß eine Steuer- und Frachttarifresorm
dem ländlichen Grundbesitz etwas zu Hilfe komme.
Daß dem Lande der Bauer fehlt, sieht jeder Engländer ein, und alle
Parteien tragen sich mit Plänen, dem Übel abzuhelfen.
Auch in Deutschland dämmert die Erkenntnis, daß die Latifundienwirtschaft,
die eben doch auch bei uns sehr vielfach besteht, ein Krebsschaden sei, der nicht
nur an der Landwirtschaft nagt, sondern auch unsre Bauernsöhne zur Aus¬
wanderung treibt und uns an einer wirksamen Kolonisation im Inlande hindert.
Mit Interesse las ich in einem „Zur Reichsfinanzpolitik" betitelten Aufsatze der
Münchner Allgemeinen Zeitung (19. Dezember 1886) folgende Stelle, mit der
ich für heute schließen will:
„Das wirksamste Mittel wäre, in den beteiligten Provinzen eine gesteigerte
Nachfrage nach deren eignen Erzeugnissen heran zu erziehen. Das ist aber nur
möglich durch Steigerung der Bevölkerung, und diese ist mit dem Fortbestande
des Großbesitzes unverträglich. Hier ist also die faule Stelle, an welcher die
Arznei und, wenn diese nicht hilft, das Messer in Thätigkeit treten muß. Der
große Grundbesitz, welcher durch die Gewalt der Eroberung entstanden ist und
die wirtschaftliche Seite einer Verfassung darstellt, in welcher eine kleine herr¬
schende Klasse über einer unfreien Landbevölkerung steht, verträgt sich mit
unsern gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr.
Die Aufgabe, denselben in einer Weise aufzulösen, in welcher man den durch
Jahrhunderte langen Besitz rechtmäßig gewordenen Eigentümern möglichst wenig
wehe thut, tritt sehr ernstlich an uns heran; in England ist sie bereits brennend
geworden. Dies sollte zur rechten Zeit erkannt und beherzigt werden, ehe die
gebieterische Not gewaltsam zu schmerzenden Maßregeln treibt."
Wieland und das Humanitätsideal.
von Karl Trost.
er irgendwie sich zu vergegenwärtigen vermag, aus welcher Be¬
schränkung und Abhängigkeit jeder Art der deutsche Geist im
achtzehnten Jahrhundert sich losringen mußte, um zum selbstän¬
digen Erfassen der Welt und des Ideals zu gelangen, wird sich
immer wieder mit Bewunderung erfüllen für die Folgerichtigkeit
und Sicherheit, mit der sich dieses Werk der Befreiung vollzog. In den SchreckenMM
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