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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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(Line Geschichte der Parteien in Rußland.

Der Weg den Nil aufwärts ist durch die Derwische des Mcchdi gesperrt,
der über den Kongo wird im Innern durch den sehr zweideutigen und un¬
zuverlässigen großen Sklavenhändler Tippn Tip gefährdet. Empfehlenswerter
kann auf den ersten Blick der Gedanke erscheinen, von dem unter deutscher
Oberhoheit stehenden Sultanat Wien auszugehen und darauf deu Tcmaflnß
hinauf zu fahren, der sich eine große Strecke ins Innere hinein benutzen läßt.
Aber dann wären viele Tage unfruchtbare, später sumpfige Gegenden zu passiren,
und die Somali, deren Land durchzogen werden müßte, aber noch von keinem
europäischen Reisenden weit hinein erforscht worden ist, sind einer der kriegerische¬
sten und treulosesten Völkerstämme Afrikas. Schon wenn der Weg von
Mombas und durch das englische Interessengebiet in Ostafrika gewählt würde,
der besser bekannt ist, als der durch das Somaliland, wäre zu bedenken, daß
er weiterhin den gleichfalls gefährlichen Stamm der Massais und das mächtige
Reich Uganda mit seinem blutdürstigen Könige Mwangcr nicht zu umgehen
vermöchte, ein Umstand, der gegen einen Zug durch das Interessengebiet der
Engländer schwer ins Gewicht fällt. Es bleibt also in der That mir derjenige,
der durch Deutschostafrika führt, übrig, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird
Wißmann hier Dar Es solam oder Bagomoio zum Ausgangspunkte wählen,
wo vor kurzem eine Karawane aus dem Innern eingetroffen ist und die er¬
freuliche Kunde mitgebracht hat, daß dort Europäer und Eingeborne im besten
Einvernehmen mit einander leben und keine Störung desselben zu befürchten
ist. Sehr gefährlich bleibt das Unternehmen trotzdem, da das Reich Unjorv
hierbei nicht zu vermeiden sein wird, dessen Beherrscher Kabrega kein Freund
der Weißen ist.




Eine Geschichte der Parteien in Rußland.
2.

MDer Monarch, an den Herzen seinen epochemachenden Brief gerichtet
hatte, war zu sehr im Sinne seines Vaters erzogen, und zu
charakterschwach und unentschlossen, um einen Systemwechsel
gründlicher Art, der überdies seine schweren Bedenken hatte, zu
vollziehen, aber auch nicht willensstark genug, um den durch
jenes Schreiben cmfgerufuen Geistern Ruhe zu gebieten. Er ließ sie bis zu
einem gewissen Maße gewähren. Daneben erleichterte er das akademische


Grenzboten IV. 1383. 68
(Line Geschichte der Parteien in Rußland.

Der Weg den Nil aufwärts ist durch die Derwische des Mcchdi gesperrt,
der über den Kongo wird im Innern durch den sehr zweideutigen und un¬
zuverlässigen großen Sklavenhändler Tippn Tip gefährdet. Empfehlenswerter
kann auf den ersten Blick der Gedanke erscheinen, von dem unter deutscher
Oberhoheit stehenden Sultanat Wien auszugehen und darauf deu Tcmaflnß
hinauf zu fahren, der sich eine große Strecke ins Innere hinein benutzen läßt.
Aber dann wären viele Tage unfruchtbare, später sumpfige Gegenden zu passiren,
und die Somali, deren Land durchzogen werden müßte, aber noch von keinem
europäischen Reisenden weit hinein erforscht worden ist, sind einer der kriegerische¬
sten und treulosesten Völkerstämme Afrikas. Schon wenn der Weg von
Mombas und durch das englische Interessengebiet in Ostafrika gewählt würde,
der besser bekannt ist, als der durch das Somaliland, wäre zu bedenken, daß
er weiterhin den gleichfalls gefährlichen Stamm der Massais und das mächtige
Reich Uganda mit seinem blutdürstigen Könige Mwangcr nicht zu umgehen
vermöchte, ein Umstand, der gegen einen Zug durch das Interessengebiet der
Engländer schwer ins Gewicht fällt. Es bleibt also in der That mir derjenige,
der durch Deutschostafrika führt, übrig, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird
Wißmann hier Dar Es solam oder Bagomoio zum Ausgangspunkte wählen,
wo vor kurzem eine Karawane aus dem Innern eingetroffen ist und die er¬
freuliche Kunde mitgebracht hat, daß dort Europäer und Eingeborne im besten
Einvernehmen mit einander leben und keine Störung desselben zu befürchten
ist. Sehr gefährlich bleibt das Unternehmen trotzdem, da das Reich Unjorv
hierbei nicht zu vermeiden sein wird, dessen Beherrscher Kabrega kein Freund
der Weißen ist.




Eine Geschichte der Parteien in Rußland.
2.

MDer Monarch, an den Herzen seinen epochemachenden Brief gerichtet
hatte, war zu sehr im Sinne seines Vaters erzogen, und zu
charakterschwach und unentschlossen, um einen Systemwechsel
gründlicher Art, der überdies seine schweren Bedenken hatte, zu
vollziehen, aber auch nicht willensstark genug, um den durch
jenes Schreiben cmfgerufuen Geistern Ruhe zu gebieten. Er ließ sie bis zu
einem gewissen Maße gewähren. Daneben erleichterte er das akademische


Grenzboten IV. 1383. 68
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[0545] (Line Geschichte der Parteien in Rußland. Der Weg den Nil aufwärts ist durch die Derwische des Mcchdi gesperrt, der über den Kongo wird im Innern durch den sehr zweideutigen und un¬ zuverlässigen großen Sklavenhändler Tippn Tip gefährdet. Empfehlenswerter kann auf den ersten Blick der Gedanke erscheinen, von dem unter deutscher Oberhoheit stehenden Sultanat Wien auszugehen und darauf deu Tcmaflnß hinauf zu fahren, der sich eine große Strecke ins Innere hinein benutzen läßt. Aber dann wären viele Tage unfruchtbare, später sumpfige Gegenden zu passiren, und die Somali, deren Land durchzogen werden müßte, aber noch von keinem europäischen Reisenden weit hinein erforscht worden ist, sind einer der kriegerische¬ sten und treulosesten Völkerstämme Afrikas. Schon wenn der Weg von Mombas und durch das englische Interessengebiet in Ostafrika gewählt würde, der besser bekannt ist, als der durch das Somaliland, wäre zu bedenken, daß er weiterhin den gleichfalls gefährlichen Stamm der Massais und das mächtige Reich Uganda mit seinem blutdürstigen Könige Mwangcr nicht zu umgehen vermöchte, ein Umstand, der gegen einen Zug durch das Interessengebiet der Engländer schwer ins Gewicht fällt. Es bleibt also in der That mir derjenige, der durch Deutschostafrika führt, übrig, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird Wißmann hier Dar Es solam oder Bagomoio zum Ausgangspunkte wählen, wo vor kurzem eine Karawane aus dem Innern eingetroffen ist und die er¬ freuliche Kunde mitgebracht hat, daß dort Europäer und Eingeborne im besten Einvernehmen mit einander leben und keine Störung desselben zu befürchten ist. Sehr gefährlich bleibt das Unternehmen trotzdem, da das Reich Unjorv hierbei nicht zu vermeiden sein wird, dessen Beherrscher Kabrega kein Freund der Weißen ist. Eine Geschichte der Parteien in Rußland. 2. MDer Monarch, an den Herzen seinen epochemachenden Brief gerichtet hatte, war zu sehr im Sinne seines Vaters erzogen, und zu charakterschwach und unentschlossen, um einen Systemwechsel gründlicher Art, der überdies seine schweren Bedenken hatte, zu vollziehen, aber auch nicht willensstark genug, um den durch jenes Schreiben cmfgerufuen Geistern Ruhe zu gebieten. Er ließ sie bis zu einem gewissen Maße gewähren. Daneben erleichterte er das akademische Grenzboten IV. 1383. 68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/545>, abgerufen am 05.05.2024.