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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Wählte bekannte Afrikaforscher Leutnant Wißmann seinen Weg nach Wadelai
durch das Gebiet der Ostafrikanischcn Gesellschaft nehmen werde oder nicht.
Leute, die teils Gegner der Gesellschaft, teils überhaupt Feinde der Gründung
überseeischer deutscher Kolonien sind, weil es ihnen an Nationalsinn fehlt, freuten
sich über die Nachricht, Wißmann denke an die Wahl einer Straße, die nicht
durch jenes Gebiet der Ostafrikanischen Gesellschaft führe, und sein Zug zu
Emin Pascha werde folglich den Bestrebungen derselben nicht zugute kommen.
Diese Nachricht war aber unbegründet, und die, zu deren Wünschen sie Paßte,
und die sich darüber vergnügt die Hände rieben, hätten das wissen können, da
Wißmanns Meinung über die betreffende Sache gedruckt vorlag, und seit ihrer
Veröffentlichung durchaus nichts verlautet hat, oder gar von ihm selbst durch
das Mittel der Presse erklärt worden ist, er habe sie geändert. In einem
Aufsatze, der den Titel "Die Bedeutung der deutschen Emin-Pascha-Expedition
für die Erschließung Afrikas" führte und in Nummer 27 des "Deutschen Wochen¬
blattes" (vom 29. Septbr. 1888) erschien, hat er sich mit völlig hinreichender
Deutlichkeit zu Gunsten der Route durch Deutsch^Ostafrika ausgesprochen, und
eine andre könnte auch jetzt wohl nur in dem Falle ins Ange gefaßt werden,
daß der Aufstand der arabischen Sklavenhändler und ihres Anhangs (bei
dem beiläufig der Scheich Buschiri mit seiner am Pangani hausenden Verwandt¬
schaft eine Hauptrolle spielt) den Beginn der Heerfahrt zu Emin lange Zeit
verzögern sollte. Das aber ist nicht zu fürchten, die Wiederherstellung der dort
gestörten Ordnung wird vielmehr rasch erfolgen. In dem erwähnten, jetzt be¬
sonders lesenswerten Aufsatze schreibt Wißmann über den Weg, den die Expedition
zu verfolge" hat, ungefähr nachstehendes: "In Übereinstimmung mit Schwein-
furth, Junker, Reichard und Emin Pascha selbst halte ich den Weg von Sansibar
aus und dann je nach den Verhältnissen durch Uganda oder durch Unjoro für
den besten. Es führt hier eine früher viel betretene Karawcmeustraße durch
das Land. Die Einwohner sind nirgends mächtig und kriegerisch. Große
Araber sitzen nicht an dieser Straße, und die kleinen müssen durch den Einfluß
von Sansibar niedergehalten werden. Die Gegenden längs des Weges sind
allenthalben bewohnt, und Wassermangel ist auf demselben nicht zu befürchten.
So weit also eine Berechnung möglich ist, ist diese Route als die einzig dazu
geeignete zu bezeichnen, um Emin Hilfe zu bringe"?, über Stanleys Schicksal
Aufklärung zu erhalten und über die Bewegung im Sudan näheres zu erfahren.
Ich weise immer darauf hin, daß die Ausnutzung der Stellung Emin Paschas
eine Möglichkeit ergiebt, eine Vereinigung der Araber des Südens mit denen
des Sudans zu verhindern. Fällt diese Schranke, reichen sich die beiden Par¬
teien die Hand, so ist auf unabsehbar lange Zeit jeder Einfluß der Zivilisation
auf das Innere des Kontinents vernichtet. Es ist dieser Umstand von prak¬
tischer Wichtigkeit für die deutschen und englischen Besitzungen in Ostafrika und
nicht minder vielleicht auch für den Kongostaat."


Wählte bekannte Afrikaforscher Leutnant Wißmann seinen Weg nach Wadelai
durch das Gebiet der Ostafrikanischcn Gesellschaft nehmen werde oder nicht.
Leute, die teils Gegner der Gesellschaft, teils überhaupt Feinde der Gründung
überseeischer deutscher Kolonien sind, weil es ihnen an Nationalsinn fehlt, freuten
sich über die Nachricht, Wißmann denke an die Wahl einer Straße, die nicht
durch jenes Gebiet der Ostafrikanischen Gesellschaft führe, und sein Zug zu
Emin Pascha werde folglich den Bestrebungen derselben nicht zugute kommen.
Diese Nachricht war aber unbegründet, und die, zu deren Wünschen sie Paßte,
und die sich darüber vergnügt die Hände rieben, hätten das wissen können, da
Wißmanns Meinung über die betreffende Sache gedruckt vorlag, und seit ihrer
Veröffentlichung durchaus nichts verlautet hat, oder gar von ihm selbst durch
das Mittel der Presse erklärt worden ist, er habe sie geändert. In einem
Aufsatze, der den Titel „Die Bedeutung der deutschen Emin-Pascha-Expedition
für die Erschließung Afrikas" führte und in Nummer 27 des „Deutschen Wochen¬
blattes" (vom 29. Septbr. 1888) erschien, hat er sich mit völlig hinreichender
Deutlichkeit zu Gunsten der Route durch Deutsch^Ostafrika ausgesprochen, und
eine andre könnte auch jetzt wohl nur in dem Falle ins Ange gefaßt werden,
daß der Aufstand der arabischen Sklavenhändler und ihres Anhangs (bei
dem beiläufig der Scheich Buschiri mit seiner am Pangani hausenden Verwandt¬
schaft eine Hauptrolle spielt) den Beginn der Heerfahrt zu Emin lange Zeit
verzögern sollte. Das aber ist nicht zu fürchten, die Wiederherstellung der dort
gestörten Ordnung wird vielmehr rasch erfolgen. In dem erwähnten, jetzt be¬
sonders lesenswerten Aufsatze schreibt Wißmann über den Weg, den die Expedition
zu verfolge» hat, ungefähr nachstehendes: „In Übereinstimmung mit Schwein-
furth, Junker, Reichard und Emin Pascha selbst halte ich den Weg von Sansibar
aus und dann je nach den Verhältnissen durch Uganda oder durch Unjoro für
den besten. Es führt hier eine früher viel betretene Karawcmeustraße durch
das Land. Die Einwohner sind nirgends mächtig und kriegerisch. Große
Araber sitzen nicht an dieser Straße, und die kleinen müssen durch den Einfluß
von Sansibar niedergehalten werden. Die Gegenden längs des Weges sind
allenthalben bewohnt, und Wassermangel ist auf demselben nicht zu befürchten.
So weit also eine Berechnung möglich ist, ist diese Route als die einzig dazu
geeignete zu bezeichnen, um Emin Hilfe zu bringe»?, über Stanleys Schicksal
Aufklärung zu erhalten und über die Bewegung im Sudan näheres zu erfahren.
Ich weise immer darauf hin, daß die Ausnutzung der Stellung Emin Paschas
eine Möglichkeit ergiebt, eine Vereinigung der Araber des Südens mit denen
des Sudans zu verhindern. Fällt diese Schranke, reichen sich die beiden Par¬
teien die Hand, so ist auf unabsehbar lange Zeit jeder Einfluß der Zivilisation
auf das Innere des Kontinents vernichtet. Es ist dieser Umstand von prak¬
tischer Wichtigkeit für die deutschen und englischen Besitzungen in Ostafrika und
nicht minder vielleicht auch für den Kongostaat."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/544>, abgerufen am 24.05.2024.