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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Das Neueste der Strafrechtswissenschaft

Ableben des Königs Alfonso, des letzten männlichen Sprossen am ältern Zweige
der spanischen Bourbonen, Don Carlos veranlaßte, noch einmal die Fahne des
Aufstandes in Navarra, Arrcigonien und den Vascongadas zu erheben und seine
jetzt schlummernden Ansprüche auf den Thron wieder aufleben zu lassen. Auch
wäre es uicht ganz undenkbar, daß die spanischen Republikaner, von denen
viele jetzt ihre eignen letzten Wünsche und Bestrebungen unter der Maske des
Liberalismus verbergen, eine Revolution anschürten und mit Hilfe eines ehr¬
geizigen Generals durch ein Pronunciamiento die Monarchie umstürzten, wie
1868 und 1873. Diese Möglichkeiten sind jedoch wenig zu fürchten. Die
Gefolgschaft des Prätendenten Don Carlos ist zu einem kleinen Hansen ohne Mut
und ohne Mittel zusammengeschmolzen, und die Lehre der republikanischen Partei
ist der Denk- und Empfindungsweise des spanischen Volksgeistes niemals sehr
nahe verwandt gewesen und hat unter der Regierung Alfonsos XII. und seiner
Witwe sicher keine Propaganda machen können, sodaß auch von dieser Seite
kaum viel Schwierigkeiten und Störungen zu erwarten sein würden.




Das Neueste der Strafrechtswissenschaft

ereits im 31. Hefte des vorigen Jahres brachten die Grenzboten eine
Besprechung über die Bestrebungen einer von einigen Professoren
gegründeten "Kriminalistischen Vereinigung," die eine Versammlung
ihrer Mitglieder nach Brüssel ausgeschrieben hatte. DieseBesprechung
konnte nur die öffentlich verkündeten Satzungen der Vereinigung
und einige erläuternde Aufsätze zur Grundlage nehmen; und wenn auch in
diesen manches schon Bedenken erregte, so blieb doch in den Zielen, die die
Begründer der Vereinigung verfolgten, noch vieles unklar. Inzwischen ist die
angekündigte Versammlung abgehalten worden und hat in ihren Beschlüssen
eine gewisse Zurückhaltung geübt. Weit offner ist der deutsche Mitbegründer
jener Vereinigung, Professor von Lißzt, in einer ausführlichen Abhandlung
"Kriminalpolitische Aufgaben," die er in seiner Zeitschrift für die gesamte
Strafrechtswissenschaft veröffentlicht hat, vorgegangen. Erklärt er mich in der
Einleitung, mit seinen Vorschlägen nur anregen, nicht belehren zu wollen, so
sind sie doch zu charakteristisch, als daß sie nicht die Bestrebungen jener Ver¬
einigung in ein Helles Licht setzten. Und da die Gestaltung des Strafrechts
weite Kreise berührt, so wollen wir hier die Vorschläge Lißzts einer nähern
Betrachtung unterziehen.


Das Neueste der Strafrechtswissenschaft

Ableben des Königs Alfonso, des letzten männlichen Sprossen am ältern Zweige
der spanischen Bourbonen, Don Carlos veranlaßte, noch einmal die Fahne des
Aufstandes in Navarra, Arrcigonien und den Vascongadas zu erheben und seine
jetzt schlummernden Ansprüche auf den Thron wieder aufleben zu lassen. Auch
wäre es uicht ganz undenkbar, daß die spanischen Republikaner, von denen
viele jetzt ihre eignen letzten Wünsche und Bestrebungen unter der Maske des
Liberalismus verbergen, eine Revolution anschürten und mit Hilfe eines ehr¬
geizigen Generals durch ein Pronunciamiento die Monarchie umstürzten, wie
1868 und 1873. Diese Möglichkeiten sind jedoch wenig zu fürchten. Die
Gefolgschaft des Prätendenten Don Carlos ist zu einem kleinen Hansen ohne Mut
und ohne Mittel zusammengeschmolzen, und die Lehre der republikanischen Partei
ist der Denk- und Empfindungsweise des spanischen Volksgeistes niemals sehr
nahe verwandt gewesen und hat unter der Regierung Alfonsos XII. und seiner
Witwe sicher keine Propaganda machen können, sodaß auch von dieser Seite
kaum viel Schwierigkeiten und Störungen zu erwarten sein würden.




Das Neueste der Strafrechtswissenschaft

ereits im 31. Hefte des vorigen Jahres brachten die Grenzboten eine
Besprechung über die Bestrebungen einer von einigen Professoren
gegründeten „Kriminalistischen Vereinigung," die eine Versammlung
ihrer Mitglieder nach Brüssel ausgeschrieben hatte. DieseBesprechung
konnte nur die öffentlich verkündeten Satzungen der Vereinigung
und einige erläuternde Aufsätze zur Grundlage nehmen; und wenn auch in
diesen manches schon Bedenken erregte, so blieb doch in den Zielen, die die
Begründer der Vereinigung verfolgten, noch vieles unklar. Inzwischen ist die
angekündigte Versammlung abgehalten worden und hat in ihren Beschlüssen
eine gewisse Zurückhaltung geübt. Weit offner ist der deutsche Mitbegründer
jener Vereinigung, Professor von Lißzt, in einer ausführlichen Abhandlung
„Kriminalpolitische Aufgaben," die er in seiner Zeitschrift für die gesamte
Strafrechtswissenschaft veröffentlicht hat, vorgegangen. Erklärt er mich in der
Einleitung, mit seinen Vorschlägen nur anregen, nicht belehren zu wollen, so
sind sie doch zu charakteristisch, als daß sie nicht die Bestrebungen jener Ver¬
einigung in ein Helles Licht setzten. Und da die Gestaltung des Strafrechts
weite Kreise berührt, so wollen wir hier die Vorschläge Lißzts einer nähern
Betrachtung unterziehen.


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[0166] Das Neueste der Strafrechtswissenschaft Ableben des Königs Alfonso, des letzten männlichen Sprossen am ältern Zweige der spanischen Bourbonen, Don Carlos veranlaßte, noch einmal die Fahne des Aufstandes in Navarra, Arrcigonien und den Vascongadas zu erheben und seine jetzt schlummernden Ansprüche auf den Thron wieder aufleben zu lassen. Auch wäre es uicht ganz undenkbar, daß die spanischen Republikaner, von denen viele jetzt ihre eignen letzten Wünsche und Bestrebungen unter der Maske des Liberalismus verbergen, eine Revolution anschürten und mit Hilfe eines ehr¬ geizigen Generals durch ein Pronunciamiento die Monarchie umstürzten, wie 1868 und 1873. Diese Möglichkeiten sind jedoch wenig zu fürchten. Die Gefolgschaft des Prätendenten Don Carlos ist zu einem kleinen Hansen ohne Mut und ohne Mittel zusammengeschmolzen, und die Lehre der republikanischen Partei ist der Denk- und Empfindungsweise des spanischen Volksgeistes niemals sehr nahe verwandt gewesen und hat unter der Regierung Alfonsos XII. und seiner Witwe sicher keine Propaganda machen können, sodaß auch von dieser Seite kaum viel Schwierigkeiten und Störungen zu erwarten sein würden. Das Neueste der Strafrechtswissenschaft ereits im 31. Hefte des vorigen Jahres brachten die Grenzboten eine Besprechung über die Bestrebungen einer von einigen Professoren gegründeten „Kriminalistischen Vereinigung," die eine Versammlung ihrer Mitglieder nach Brüssel ausgeschrieben hatte. DieseBesprechung konnte nur die öffentlich verkündeten Satzungen der Vereinigung und einige erläuternde Aufsätze zur Grundlage nehmen; und wenn auch in diesen manches schon Bedenken erregte, so blieb doch in den Zielen, die die Begründer der Vereinigung verfolgten, noch vieles unklar. Inzwischen ist die angekündigte Versammlung abgehalten worden und hat in ihren Beschlüssen eine gewisse Zurückhaltung geübt. Weit offner ist der deutsche Mitbegründer jener Vereinigung, Professor von Lißzt, in einer ausführlichen Abhandlung „Kriminalpolitische Aufgaben," die er in seiner Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft veröffentlicht hat, vorgegangen. Erklärt er mich in der Einleitung, mit seinen Vorschlägen nur anregen, nicht belehren zu wollen, so sind sie doch zu charakteristisch, als daß sie nicht die Bestrebungen jener Ver¬ einigung in ein Helles Licht setzten. Und da die Gestaltung des Strafrechts weite Kreise berührt, so wollen wir hier die Vorschläge Lißzts einer nähern Betrachtung unterziehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/166>, abgerufen am 05.05.2024.