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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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(Grenze iiberschreilet, unbeschadet dessen, daß die. beiden andern Punkte in hoher
Vollendung vorhanden sein können. Jede hochgradig erregte Zeit hat stets an die
Kunst dieselbe Anforderung gerichtet, sich ihr zu Diensten zu stellen. Soweit sie
eS that, ward sie gepriesen, wo sie sich weigern mußte, ward sie verunglimpft und
ihren Jünger" das Verharren im Jdealbereich als kühle Ablehnung und Vornehm-
heit vorgerückt. Der künstlerische Idealismus muß sich das gefallen lassen. Er
kann eher zugeben, daß es Zeiten giebt, in denen die Kunst verkümmern
muß, als daß sie ihr Wesen zur Erscheinung bringen könne, wo ihr der Boden
dadurch entzogen wird, daß ihr zugemutet wird, sich in das sittlich und ästhetisch
Beleidigeude einzupferchen, statt von demselben zu befreien. Freilich giebt es
auch auf diesem Gebiet Affektation und Schein. Nervenschwäche, Zimperlichkeit,
Ziererei, Kouvenienzlüge und Modegeschmack können mit ihren Ansprüchen die Ma߬
stäbe für das, was als sittlich und ästhetisch beleidigend zu gelten hat, fälschen.
Diesen falschen Rücksichten gegenüber, in die. verfallen werden kann, ist derjenige
im Vorteil, der die absolute Rncksichts- und Zwanglosigkeit proklamirt, denn er ist
dann jedenfalls auch der falschen Rücksichten enthoben. Nur darf er daraus nicht
das Recht ableiten, die Richtung zu verlästern, welche dieser Verschnörkeluug des
Geschmacks statt mit dem Nnmnß mit dem Prinzip des Maßes und der innern
Wahrheit und Einfachheit entgegenstrebt.

Wir haben bezüglich des Verhältnisses der sogenannten naturalistischen
Schule zur Wirklichkeit, zur Gesamtheit unsers Lebens von Duboc wesentlich
abweichende Ansichten, aber sie fallen gegenüber der gesunden Sachlichkeit seiner
Schlußergebnisse hier nicht weiter ins Gewicht. Und wie in der berührten
Frage, wird der aufmerksame Leser noch an zahlreichen andern Stellen des
Buches ein wohlthuendes Gefühl haben, wie es durch ehrlichen Ernst und reife
Bildung immer erweckt wird. Auch wer politisch und religiös auf durchaus
anderm Boden steht, als Julius Duboc (und das dürfte bei den meisten Lesern
der Grenzboten der Fall sein), wird vor dem Wahrheitsdrange und dein selbst¬
losen Aufgehen im Allgemeinleben nur die entschiedenste Achtung hegen und
wo er vou den Untersuchungen und Erörterungen des Verfassers nicht über¬
zeugt wird, sich doch gefesselt und zu eignem Nachdenken über den Zeitgeist
angeregt fühlen.




Neue ^Fotogravüren

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,ScMK"?/ior einiger Zeit war ich in der angenehmen Lage, den Lesern
der Grenzboten die Bekanntschaft einer Anzahl vorzüglicher Er¬
zeugnisse der neuesten Rndirungskunst zu vermitteln, und ich
sprach damals die Hoffnung aus, nächstens auch von neuen
Photogravüren Nachricht geben zu können. Indem ich heute
dieses Versprechen erfülle, möchte ich zunächst auf einige von den Kunst¬
werken hinweisen, die im Verlage einer der berühmtesten französischen Firmen


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(Grenze iiberschreilet, unbeschadet dessen, daß die. beiden andern Punkte in hoher
Vollendung vorhanden sein können. Jede hochgradig erregte Zeit hat stets an die
Kunst dieselbe Anforderung gerichtet, sich ihr zu Diensten zu stellen. Soweit sie
eS that, ward sie gepriesen, wo sie sich weigern mußte, ward sie verunglimpft und
ihren Jünger» das Verharren im Jdealbereich als kühle Ablehnung und Vornehm-
heit vorgerückt. Der künstlerische Idealismus muß sich das gefallen lassen. Er
kann eher zugeben, daß es Zeiten giebt, in denen die Kunst verkümmern
muß, als daß sie ihr Wesen zur Erscheinung bringen könne, wo ihr der Boden
dadurch entzogen wird, daß ihr zugemutet wird, sich in das sittlich und ästhetisch
Beleidigeude einzupferchen, statt von demselben zu befreien. Freilich giebt es
auch auf diesem Gebiet Affektation und Schein. Nervenschwäche, Zimperlichkeit,
Ziererei, Kouvenienzlüge und Modegeschmack können mit ihren Ansprüchen die Ma߬
stäbe für das, was als sittlich und ästhetisch beleidigend zu gelten hat, fälschen.
Diesen falschen Rücksichten gegenüber, in die. verfallen werden kann, ist derjenige
im Vorteil, der die absolute Rncksichts- und Zwanglosigkeit proklamirt, denn er ist
dann jedenfalls auch der falschen Rücksichten enthoben. Nur darf er daraus nicht
das Recht ableiten, die Richtung zu verlästern, welche dieser Verschnörkeluug des
Geschmacks statt mit dem Nnmnß mit dem Prinzip des Maßes und der innern
Wahrheit und Einfachheit entgegenstrebt.

Wir haben bezüglich des Verhältnisses der sogenannten naturalistischen
Schule zur Wirklichkeit, zur Gesamtheit unsers Lebens von Duboc wesentlich
abweichende Ansichten, aber sie fallen gegenüber der gesunden Sachlichkeit seiner
Schlußergebnisse hier nicht weiter ins Gewicht. Und wie in der berührten
Frage, wird der aufmerksame Leser noch an zahlreichen andern Stellen des
Buches ein wohlthuendes Gefühl haben, wie es durch ehrlichen Ernst und reife
Bildung immer erweckt wird. Auch wer politisch und religiös auf durchaus
anderm Boden steht, als Julius Duboc (und das dürfte bei den meisten Lesern
der Grenzboten der Fall sein), wird vor dem Wahrheitsdrange und dein selbst¬
losen Aufgehen im Allgemeinleben nur die entschiedenste Achtung hegen und
wo er vou den Untersuchungen und Erörterungen des Verfassers nicht über¬
zeugt wird, sich doch gefesselt und zu eignem Nachdenken über den Zeitgeist
angeregt fühlen.




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der Grenzboten die Bekanntschaft einer Anzahl vorzüglicher Er¬
zeugnisse der neuesten Rndirungskunst zu vermitteln, und ich
sprach damals die Hoffnung aus, nächstens auch von neuen
Photogravüren Nachricht geben zu können. Indem ich heute
dieses Versprechen erfülle, möchte ich zunächst auf einige von den Kunst¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/125>, abgerufen am 28.04.2024.