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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die akademische Amistcmsstellnng in Berlin

trugen, sondern gegen den Bestand der römischen Kirche gerichtet ist, übt die¬
selbe Wirkung im Kleinen. Dagegen finden wissenschaftliche Arbeiten, die das
Natürliche und Menschliche im römischen Kirchenwesen beleuchten, ohne durch
beleidigende Polemik abzustoßen, Eingang in katholische Kreise, und erleichtern
die Verständigung. Und diese ist nicht allein das Höchste, was wir unter den
obwaltenden Umständen hoffen können, sondern zugleich auch das Mindeste,
was wir im nationalen Interesse erstreben müssen.

Von demselben wissenschaftlichen Werte wie die Nachweisung des heidnischen
Ursprungs katholischer Glaubensmeinungen und Gebräuche, und dabei von noch
höherm praktischen Werte, sind einige Fragen, die Trete ungemein nahe lagen,
die aber sein polemischer Eifer als unbequem beiseite schiebt. Er berichtet
S. 233, daß in Griechenland, also in einem Lande, das nicht in den Macht¬
bereich des Papstes fällt, der Glaube an den bösen Blick ebenso allgemein sei,
wie im südlichen Italien, und im Schlußabschuitte des Kapitels "Hausgötter"
sagt er: "Die Kirche, welche vor 1500 Jahren weder den Glauben an solche
häusliche Schutzgötter, noch das Bedürfnis, solche zu besitzen, vertilgte ^zu
vertilgen vermochte, ist dem Zusanuuenhange nach der Sinnj, hat eine Zeit
laug allerdings gegen jenen Kultus gekämpft, dann aber ihn geduldet, indem
sie den Bilderdienst förderte." Da die Sache in hundert ähnlichen Fällen
ganz ebenso verläuft, so drängen sich offenbar die Fragen auf: Wie weit ist
eine Volksreligion -- nicht eine bloß konventionell anerkannte oder als Staats-
einrichtung aufrecht erhaltene Konfession, sondern eine lebendige im Volks¬
gemüt wurzelnde Religion -- möglich ohne Aberglauben? Ist die christliche
Kirche imstande, wird sie es jemals sein, das Heidentum zu überwinden? Ist
nicht am Ende das Heidentum eine berechtigte, unaustilgbare Erscheinung, die
neben und in der Kirche fortleben wird bis zum Ende der Zeiten?




Die akademische Kunstausstellung in Berlin
Adolf Rosonberg von

achten die Münchner Künstlerschaft durch Rührigkeit und Aus¬
dauer ihren Pleni, nu Stelle der in Zwischenräumen von
fünf Jahren wiederkehrenden internationalen Knnstausstellungen
Jahresausstellungen zu setzen, bereits zum zweitenmale mit
steigendem Erfolge durchgeführt hat, wird die alljährliche Aus¬
stellung der königlichen Akademie der Künste in Berlin, wenn nicht unberechen¬
bare Ereignisse eine plötzliche Umwandlung herbeiführen, für die nächste Zeit


Grenzboten III 1890 28
Die akademische Amistcmsstellnng in Berlin

trugen, sondern gegen den Bestand der römischen Kirche gerichtet ist, übt die¬
selbe Wirkung im Kleinen. Dagegen finden wissenschaftliche Arbeiten, die das
Natürliche und Menschliche im römischen Kirchenwesen beleuchten, ohne durch
beleidigende Polemik abzustoßen, Eingang in katholische Kreise, und erleichtern
die Verständigung. Und diese ist nicht allein das Höchste, was wir unter den
obwaltenden Umständen hoffen können, sondern zugleich auch das Mindeste,
was wir im nationalen Interesse erstreben müssen.

Von demselben wissenschaftlichen Werte wie die Nachweisung des heidnischen
Ursprungs katholischer Glaubensmeinungen und Gebräuche, und dabei von noch
höherm praktischen Werte, sind einige Fragen, die Trete ungemein nahe lagen,
die aber sein polemischer Eifer als unbequem beiseite schiebt. Er berichtet
S. 233, daß in Griechenland, also in einem Lande, das nicht in den Macht¬
bereich des Papstes fällt, der Glaube an den bösen Blick ebenso allgemein sei,
wie im südlichen Italien, und im Schlußabschuitte des Kapitels „Hausgötter"
sagt er: „Die Kirche, welche vor 1500 Jahren weder den Glauben an solche
häusliche Schutzgötter, noch das Bedürfnis, solche zu besitzen, vertilgte ^zu
vertilgen vermochte, ist dem Zusanuuenhange nach der Sinnj, hat eine Zeit
laug allerdings gegen jenen Kultus gekämpft, dann aber ihn geduldet, indem
sie den Bilderdienst förderte." Da die Sache in hundert ähnlichen Fällen
ganz ebenso verläuft, so drängen sich offenbar die Fragen auf: Wie weit ist
eine Volksreligion — nicht eine bloß konventionell anerkannte oder als Staats-
einrichtung aufrecht erhaltene Konfession, sondern eine lebendige im Volks¬
gemüt wurzelnde Religion — möglich ohne Aberglauben? Ist die christliche
Kirche imstande, wird sie es jemals sein, das Heidentum zu überwinden? Ist
nicht am Ende das Heidentum eine berechtigte, unaustilgbare Erscheinung, die
neben und in der Kirche fortleben wird bis zum Ende der Zeiten?




Die akademische Kunstausstellung in Berlin
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achten die Münchner Künstlerschaft durch Rührigkeit und Aus¬
dauer ihren Pleni, nu Stelle der in Zwischenräumen von
fünf Jahren wiederkehrenden internationalen Knnstausstellungen
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steigendem Erfolge durchgeführt hat, wird die alljährliche Aus¬
stellung der königlichen Akademie der Künste in Berlin, wenn nicht unberechen¬
bare Ereignisse eine plötzliche Umwandlung herbeiführen, für die nächste Zeit


Grenzboten III 1890 28
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[0225] Die akademische Amistcmsstellnng in Berlin trugen, sondern gegen den Bestand der römischen Kirche gerichtet ist, übt die¬ selbe Wirkung im Kleinen. Dagegen finden wissenschaftliche Arbeiten, die das Natürliche und Menschliche im römischen Kirchenwesen beleuchten, ohne durch beleidigende Polemik abzustoßen, Eingang in katholische Kreise, und erleichtern die Verständigung. Und diese ist nicht allein das Höchste, was wir unter den obwaltenden Umständen hoffen können, sondern zugleich auch das Mindeste, was wir im nationalen Interesse erstreben müssen. Von demselben wissenschaftlichen Werte wie die Nachweisung des heidnischen Ursprungs katholischer Glaubensmeinungen und Gebräuche, und dabei von noch höherm praktischen Werte, sind einige Fragen, die Trete ungemein nahe lagen, die aber sein polemischer Eifer als unbequem beiseite schiebt. Er berichtet S. 233, daß in Griechenland, also in einem Lande, das nicht in den Macht¬ bereich des Papstes fällt, der Glaube an den bösen Blick ebenso allgemein sei, wie im südlichen Italien, und im Schlußabschuitte des Kapitels „Hausgötter" sagt er: „Die Kirche, welche vor 1500 Jahren weder den Glauben an solche häusliche Schutzgötter, noch das Bedürfnis, solche zu besitzen, vertilgte ^zu vertilgen vermochte, ist dem Zusanuuenhange nach der Sinnj, hat eine Zeit laug allerdings gegen jenen Kultus gekämpft, dann aber ihn geduldet, indem sie den Bilderdienst förderte." Da die Sache in hundert ähnlichen Fällen ganz ebenso verläuft, so drängen sich offenbar die Fragen auf: Wie weit ist eine Volksreligion — nicht eine bloß konventionell anerkannte oder als Staats- einrichtung aufrecht erhaltene Konfession, sondern eine lebendige im Volks¬ gemüt wurzelnde Religion — möglich ohne Aberglauben? Ist die christliche Kirche imstande, wird sie es jemals sein, das Heidentum zu überwinden? Ist nicht am Ende das Heidentum eine berechtigte, unaustilgbare Erscheinung, die neben und in der Kirche fortleben wird bis zum Ende der Zeiten? Die akademische Kunstausstellung in Berlin Adolf Rosonberg von achten die Münchner Künstlerschaft durch Rührigkeit und Aus¬ dauer ihren Pleni, nu Stelle der in Zwischenräumen von fünf Jahren wiederkehrenden internationalen Knnstausstellungen Jahresausstellungen zu setzen, bereits zum zweitenmale mit steigendem Erfolge durchgeführt hat, wird die alljährliche Aus¬ stellung der königlichen Akademie der Künste in Berlin, wenn nicht unberechen¬ bare Ereignisse eine plötzliche Umwandlung herbeiführen, für die nächste Zeit Grenzboten III 1890 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/225>, abgerufen am 28.04.2024.