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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich

Mehrheit bilden. Die deutsche Einwanderung hat aber auch das Interesse,
daß das Land in irgend einer Weise staatliche Gleichberechtigung im Bunde
erwerbe. Und so wird es sich wohl fügen, daß das Reichsland, während seine
Führer von Frankreich die Entscheidung über die Zukunft erwarten oder un¬
entschlossen sich lediglich um die materiellen Interessen kümmern, wenn einmal
die Hvffnttng ans Frankreich geschwunden sein wird, zu der Erkenntnis kommen
wird, daß es die Leitung seines Geschickes längst verloren Hut.




Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und
Bürgerrechte in Frankreich
Bernhard Heinzig von

as Jahr 1^8!), wo Frankreich die Jahrhundertfeier der großen
Revolution in glänzender Weise beging, hat in der zivilisirten
Welt eine Hochflut von Arbeiten hervorgerufen, die die Ur¬
sachen und den Verlauf des weltbewegenden Ereignisses, wie die
Bedeutung der vor und während desselben auftretenden ma߬
gebenden Personen dem Leser vor die Seele zu führen bestimmt waren. Aber
nicht allenthalben ist klar zu lesen gewesen, wie neben den Ausbrüchen der
Gewalt, die gleich einem Gewitterstürme Frankreich verwüsteten, ein Kampf der
Ideen herging, der, nachdem er dort zum Austrage gebracht worden war, ganz
Europa ergriff. Die Idee der absoluten Volkssouveränität im Staate ge¬
staltete das bis dahin herrschende teilweise in Absolutismus ausgeartete Lehns-
wesen Frankreichs zum konstitutionellen Staatsshstem um, und darin liegt be¬
kanntlich die eigentliche Thatsache der Revolution, die sich später, ohne den von
Menschenblut und Feuersglut geröteten Hintergrund zu haben, auch in den
übrigen Ländern des West- und mitteleuropäischen Festlandes vollzog. Wie
der ti"zi'8-6t,At, im eignen Lande gegen die bevorzugten Stände vorging, so
drangen die Sanskulvttenheere mit der Parole "Friede den Hütten, Krieg den
Palästen" in die Nachbarländer ein, die Feudalsysteme zu Voden werfend,
ähnlich wie einst die Phalanx Alexanders der griechischen Kultur eine Gasse
dnrch ganz Vorder- und Zentralasieu schuf. Bei Jdeenkümpfen, die mit der
Energie der Begeisterung und schwer zu versöhnender Bitterkeit geführt werden,
ist erst nach Herbeiführung fester rechtlicher Verhältnisse an das Ende zu


Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich

Mehrheit bilden. Die deutsche Einwanderung hat aber auch das Interesse,
daß das Land in irgend einer Weise staatliche Gleichberechtigung im Bunde
erwerbe. Und so wird es sich wohl fügen, daß das Reichsland, während seine
Führer von Frankreich die Entscheidung über die Zukunft erwarten oder un¬
entschlossen sich lediglich um die materiellen Interessen kümmern, wenn einmal
die Hvffnttng ans Frankreich geschwunden sein wird, zu der Erkenntnis kommen
wird, daß es die Leitung seines Geschickes längst verloren Hut.




Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und
Bürgerrechte in Frankreich
Bernhard Heinzig von

as Jahr 1^8!), wo Frankreich die Jahrhundertfeier der großen
Revolution in glänzender Weise beging, hat in der zivilisirten
Welt eine Hochflut von Arbeiten hervorgerufen, die die Ur¬
sachen und den Verlauf des weltbewegenden Ereignisses, wie die
Bedeutung der vor und während desselben auftretenden ma߬
gebenden Personen dem Leser vor die Seele zu führen bestimmt waren. Aber
nicht allenthalben ist klar zu lesen gewesen, wie neben den Ausbrüchen der
Gewalt, die gleich einem Gewitterstürme Frankreich verwüsteten, ein Kampf der
Ideen herging, der, nachdem er dort zum Austrage gebracht worden war, ganz
Europa ergriff. Die Idee der absoluten Volkssouveränität im Staate ge¬
staltete das bis dahin herrschende teilweise in Absolutismus ausgeartete Lehns-
wesen Frankreichs zum konstitutionellen Staatsshstem um, und darin liegt be¬
kanntlich die eigentliche Thatsache der Revolution, die sich später, ohne den von
Menschenblut und Feuersglut geröteten Hintergrund zu haben, auch in den
übrigen Ländern des West- und mitteleuropäischen Festlandes vollzog. Wie
der ti«zi'8-6t,At, im eignen Lande gegen die bevorzugten Stände vorging, so
drangen die Sanskulvttenheere mit der Parole „Friede den Hütten, Krieg den
Palästen" in die Nachbarländer ein, die Feudalsysteme zu Voden werfend,
ähnlich wie einst die Phalanx Alexanders der griechischen Kultur eine Gasse
dnrch ganz Vorder- und Zentralasieu schuf. Bei Jdeenkümpfen, die mit der
Energie der Begeisterung und schwer zu versöhnender Bitterkeit geführt werden,
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[0270] Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich Mehrheit bilden. Die deutsche Einwanderung hat aber auch das Interesse, daß das Land in irgend einer Weise staatliche Gleichberechtigung im Bunde erwerbe. Und so wird es sich wohl fügen, daß das Reichsland, während seine Führer von Frankreich die Entscheidung über die Zukunft erwarten oder un¬ entschlossen sich lediglich um die materiellen Interessen kümmern, wenn einmal die Hvffnttng ans Frankreich geschwunden sein wird, zu der Erkenntnis kommen wird, daß es die Leitung seines Geschickes längst verloren Hut. Die Erklärung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich Bernhard Heinzig von as Jahr 1^8!), wo Frankreich die Jahrhundertfeier der großen Revolution in glänzender Weise beging, hat in der zivilisirten Welt eine Hochflut von Arbeiten hervorgerufen, die die Ur¬ sachen und den Verlauf des weltbewegenden Ereignisses, wie die Bedeutung der vor und während desselben auftretenden ma߬ gebenden Personen dem Leser vor die Seele zu führen bestimmt waren. Aber nicht allenthalben ist klar zu lesen gewesen, wie neben den Ausbrüchen der Gewalt, die gleich einem Gewitterstürme Frankreich verwüsteten, ein Kampf der Ideen herging, der, nachdem er dort zum Austrage gebracht worden war, ganz Europa ergriff. Die Idee der absoluten Volkssouveränität im Staate ge¬ staltete das bis dahin herrschende teilweise in Absolutismus ausgeartete Lehns- wesen Frankreichs zum konstitutionellen Staatsshstem um, und darin liegt be¬ kanntlich die eigentliche Thatsache der Revolution, die sich später, ohne den von Menschenblut und Feuersglut geröteten Hintergrund zu haben, auch in den übrigen Ländern des West- und mitteleuropäischen Festlandes vollzog. Wie der ti«zi'8-6t,At, im eignen Lande gegen die bevorzugten Stände vorging, so drangen die Sanskulvttenheere mit der Parole „Friede den Hütten, Krieg den Palästen" in die Nachbarländer ein, die Feudalsysteme zu Voden werfend, ähnlich wie einst die Phalanx Alexanders der griechischen Kultur eine Gasse dnrch ganz Vorder- und Zentralasieu schuf. Bei Jdeenkümpfen, die mit der Energie der Begeisterung und schwer zu versöhnender Bitterkeit geführt werden, ist erst nach Herbeiführung fester rechtlicher Verhältnisse an das Ende zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/270>, abgerufen am 28.04.2024.