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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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n^wils
Sophus Bauditz Line Erzählung von
Übersetzt von Therese Lorck

s war an einem Winterabend in den filnfziger Jahren, oder
richtiger gesagt, in einer Winternacht, denn die Uhr hatte schon,
wie man sagt eins oder das andre geschlagen. Ich hatte bei
einem Kameraden L'hombre gespielt -- es war in meinen ersten
Studentenjahren -- und ging nun in starker Kälte und Schnee-
sturm durch Kopenhagens Straßen heim.

Ab und zu kam ein starker Windstoß, und dann kreischten die Schilder
in ihren Angeln, und die Scheiben in den Laternen klirrten, sonst hörte man
keinen Laut und begegnete keinem Menschen, den Wächter ausgenommen, der
es vermutlich zu kalt fand, in einem Kellerschlund zu schlafen.

Ich war deshalb nicht wenig erstaunt, plötzlich ein innees Sprechen an
einer der nächsten Hausthüren zu hören. Sei so gut und komm herein, die
Thür ist auf! erklang es, und einen Augenblick später wurde hinzugefügt:
Na, herein mit dir! Soll ich dich vielleicht beim Schöpfe nehmen und die
Treppen hinauftragen, du Köter!

Neugierig, zu sehen, wer es wäre, der seiner Gastfreiheit auf diese etwas
eigentümliche Weise Ausdruck gab, ging ich auf die andre Seite der Straße
und erblickte einen jungen Mann, der einen großen schwarzen Hund ins Haus
hinein bekomplimentirte. Indem er eine Wendung machte, fiel der Schein der
nächsten Laterne auf sein Gesicht, und ich sah nun, daß es Otus Blau war,
"Blau, der Nabob," wie er gewöhnlich genannt wurde. Ich hatte bisher
kaum ein paar Worte mit ihm ausgetauscht, aber obgleich er einige Jahre
älter war als ich, waren wir doch gleichzeitig Studenten geworden, und jeder
aus diesem Jahrgange kannte ihn wenigstens dem Namen nach oder von An¬
sehen. Außerdem ist es ja eine Thatsache, daß, gleich wie Krieg, Pestilenz
und andre Landplagen, so auch starke Kälte und Schneesturm, namentlich zur
Nachtzeit, die Eigenschaft haben, Menschen, die sich sonst gänzlich fremd sind,




n^wils
Sophus Bauditz Line Erzählung von
Übersetzt von Therese Lorck

s war an einem Winterabend in den filnfziger Jahren, oder
richtiger gesagt, in einer Winternacht, denn die Uhr hatte schon,
wie man sagt eins oder das andre geschlagen. Ich hatte bei
einem Kameraden L'hombre gespielt — es war in meinen ersten
Studentenjahren — und ging nun in starker Kälte und Schnee-
sturm durch Kopenhagens Straßen heim.

Ab und zu kam ein starker Windstoß, und dann kreischten die Schilder
in ihren Angeln, und die Scheiben in den Laternen klirrten, sonst hörte man
keinen Laut und begegnete keinem Menschen, den Wächter ausgenommen, der
es vermutlich zu kalt fand, in einem Kellerschlund zu schlafen.

Ich war deshalb nicht wenig erstaunt, plötzlich ein innees Sprechen an
einer der nächsten Hausthüren zu hören. Sei so gut und komm herein, die
Thür ist auf! erklang es, und einen Augenblick später wurde hinzugefügt:
Na, herein mit dir! Soll ich dich vielleicht beim Schöpfe nehmen und die
Treppen hinauftragen, du Köter!

Neugierig, zu sehen, wer es wäre, der seiner Gastfreiheit auf diese etwas
eigentümliche Weise Ausdruck gab, ging ich auf die andre Seite der Straße
und erblickte einen jungen Mann, der einen großen schwarzen Hund ins Haus
hinein bekomplimentirte. Indem er eine Wendung machte, fiel der Schein der
nächsten Laterne auf sein Gesicht, und ich sah nun, daß es Otus Blau war,
„Blau, der Nabob," wie er gewöhnlich genannt wurde. Ich hatte bisher
kaum ein paar Worte mit ihm ausgetauscht, aber obgleich er einige Jahre
älter war als ich, waren wir doch gleichzeitig Studenten geworden, und jeder
aus diesem Jahrgange kannte ihn wenigstens dem Namen nach oder von An¬
sehen. Außerdem ist es ja eine Thatsache, daß, gleich wie Krieg, Pestilenz
und andre Landplagen, so auch starke Kälte und Schneesturm, namentlich zur
Nachtzeit, die Eigenschaft haben, Menschen, die sich sonst gänzlich fremd sind,


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[0286] [Abbildung] n^wils Sophus Bauditz Line Erzählung von Übersetzt von Therese Lorck s war an einem Winterabend in den filnfziger Jahren, oder richtiger gesagt, in einer Winternacht, denn die Uhr hatte schon, wie man sagt eins oder das andre geschlagen. Ich hatte bei einem Kameraden L'hombre gespielt — es war in meinen ersten Studentenjahren — und ging nun in starker Kälte und Schnee- sturm durch Kopenhagens Straßen heim. Ab und zu kam ein starker Windstoß, und dann kreischten die Schilder in ihren Angeln, und die Scheiben in den Laternen klirrten, sonst hörte man keinen Laut und begegnete keinem Menschen, den Wächter ausgenommen, der es vermutlich zu kalt fand, in einem Kellerschlund zu schlafen. Ich war deshalb nicht wenig erstaunt, plötzlich ein innees Sprechen an einer der nächsten Hausthüren zu hören. Sei so gut und komm herein, die Thür ist auf! erklang es, und einen Augenblick später wurde hinzugefügt: Na, herein mit dir! Soll ich dich vielleicht beim Schöpfe nehmen und die Treppen hinauftragen, du Köter! Neugierig, zu sehen, wer es wäre, der seiner Gastfreiheit auf diese etwas eigentümliche Weise Ausdruck gab, ging ich auf die andre Seite der Straße und erblickte einen jungen Mann, der einen großen schwarzen Hund ins Haus hinein bekomplimentirte. Indem er eine Wendung machte, fiel der Schein der nächsten Laterne auf sein Gesicht, und ich sah nun, daß es Otus Blau war, „Blau, der Nabob," wie er gewöhnlich genannt wurde. Ich hatte bisher kaum ein paar Worte mit ihm ausgetauscht, aber obgleich er einige Jahre älter war als ich, waren wir doch gleichzeitig Studenten geworden, und jeder aus diesem Jahrgange kannte ihn wenigstens dem Namen nach oder von An¬ sehen. Außerdem ist es ja eine Thatsache, daß, gleich wie Krieg, Pestilenz und andre Landplagen, so auch starke Kälte und Schneesturm, namentlich zur Nachtzeit, die Eigenschaft haben, Menschen, die sich sonst gänzlich fremd sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/286>, abgerufen am 28.04.2024.