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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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dahin zu bringen, daß sie sich solidarisch und familiär fühlen, und ich sagte
deshalb: Guten Abend, Blau! und fügte hinzu, es sei ein Hundewetter.

Ja, so kann man es dreist nennen, sagte er; aber es ist immerhin kein
Wetter, einen Hund draußen zu lassen! Deshalb bin ich auch dabei, das Tier
hereinzubringen. Komm doch, Caro, oder Phylax, oder wie du sonst heißt --
er sieht mir fast darnach aus, als könnte er Bätz heißen, wie? Komm Vatz, komm!

Wissen Sie nicht, wie er heißt? fragte ich.

Nein, woher sollte ich das denn wissen!

Gehört er nicht Ihnen?

Nein, dann wüßte ich doch wahrscheinlich, wie er heißt!

Er lachte über mich -- ein Helles, ansteckendes Lachen --, ich lachte mit,
und der Hund, der möglicherweise wirklich Bätz hieß, ging, nachdem er seinen
Rufnamen gehört hatte, ruhig zur Thür hinein und schwänzelte vergnügt.

Ich gehe mitunter einen Gang durch die Straßen, ehe ich mich niederlege,
sagte Blau, und wenn ich dann einen solchen herrenlosen Hund antreffe, der
ausgesperrt ist, und das Wetter ist so niederträchtig wie heute Nacht, so Pflege
ich ihn bis zum nächsten Morgen mit mir zu nehmen; aber Bätz dort hat
offenbar fo viel Zartgefühl, daß es ihn genirt, Wohlthaten von einem Fremden
anzunehmen.

Ja, es scheint fast so! Na, gute Nacht, Blau! Erwachen Sie nur morgen
nicht mit einem Kater, nachdem Sie mit einem Bären zu Bett gegangen sind!

O, Sie sollten lieber mit hinaufkommen, um eine Pfeife zu rauchen, als
in so früher Morgenstunde schlechte Witze zu machen.

Nein, herzlichen Dank, die Uhr ist schon über zwei.

Was schadet das? sie schlägt wohl auch noch drei! Kommen Sie nur!

Ich weiß nicht, ob es das Überzeugende seiner Argumentation oder das
Ungewöhnliche der Einladung zu einer'solchen Zeit war, aber ich ließ mich
ohne weitere Einwendungen freundschaftlich in die Thür ziehen und die Treppe
hinauf lotsen, und ehe ich mirs versah, saß ich in einer hellen, warmen Stube,
während Bätz sichs vor dem Ofen bequem machte, wo ein paar große Holz¬
scheite nach Herzenslust knisterten und flammten-

Ich erlaubte mir die Bemerkung, es sei eine Seltenheit hier in der Haupt¬
stadt, daß jemand mit Holz heize. Blau entgegnete: Ja, aber es ist gemütlich,
nicht wahr? Ich kann mich nicht an Kohlen gewöhnen, sie geben eine so brutale
Wärme, und man beschmutzt sich, sobald man nur in ihre Nähe kommt. Aber
nun vor allem eine Pfeife -- Sie können natürlich ebenso gut Zigarren be¬
kommen, aber sie ziehen wohl Porzellan oder Weichselrohr um diese Nach¬
mittagsstunde vor? Nun, das konnte ich nur denken! Bitte, greifen Sie zu!
Ah, entschuldigen Sie mich für einen Augenblick, aber es fällt mir eben ein,
daß das Tier vielleicht hungrig sein könnte; ich null nnr nach der Speise-
kammer laufen und sehen, ob sich etwas findet. Sind Sie nicht auch hungrig?


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dahin zu bringen, daß sie sich solidarisch und familiär fühlen, und ich sagte
deshalb: Guten Abend, Blau! und fügte hinzu, es sei ein Hundewetter.

Ja, so kann man es dreist nennen, sagte er; aber es ist immerhin kein
Wetter, einen Hund draußen zu lassen! Deshalb bin ich auch dabei, das Tier
hereinzubringen. Komm doch, Caro, oder Phylax, oder wie du sonst heißt —
er sieht mir fast darnach aus, als könnte er Bätz heißen, wie? Komm Vatz, komm!

Wissen Sie nicht, wie er heißt? fragte ich.

Nein, woher sollte ich das denn wissen!

Gehört er nicht Ihnen?

Nein, dann wüßte ich doch wahrscheinlich, wie er heißt!

Er lachte über mich — ein Helles, ansteckendes Lachen —, ich lachte mit,
und der Hund, der möglicherweise wirklich Bätz hieß, ging, nachdem er seinen
Rufnamen gehört hatte, ruhig zur Thür hinein und schwänzelte vergnügt.

Ich gehe mitunter einen Gang durch die Straßen, ehe ich mich niederlege,
sagte Blau, und wenn ich dann einen solchen herrenlosen Hund antreffe, der
ausgesperrt ist, und das Wetter ist so niederträchtig wie heute Nacht, so Pflege
ich ihn bis zum nächsten Morgen mit mir zu nehmen; aber Bätz dort hat
offenbar fo viel Zartgefühl, daß es ihn genirt, Wohlthaten von einem Fremden
anzunehmen.

Ja, es scheint fast so! Na, gute Nacht, Blau! Erwachen Sie nur morgen
nicht mit einem Kater, nachdem Sie mit einem Bären zu Bett gegangen sind!

O, Sie sollten lieber mit hinaufkommen, um eine Pfeife zu rauchen, als
in so früher Morgenstunde schlechte Witze zu machen.

Nein, herzlichen Dank, die Uhr ist schon über zwei.

Was schadet das? sie schlägt wohl auch noch drei! Kommen Sie nur!

Ich weiß nicht, ob es das Überzeugende seiner Argumentation oder das
Ungewöhnliche der Einladung zu einer'solchen Zeit war, aber ich ließ mich
ohne weitere Einwendungen freundschaftlich in die Thür ziehen und die Treppe
hinauf lotsen, und ehe ich mirs versah, saß ich in einer hellen, warmen Stube,
während Bätz sichs vor dem Ofen bequem machte, wo ein paar große Holz¬
scheite nach Herzenslust knisterten und flammten-

Ich erlaubte mir die Bemerkung, es sei eine Seltenheit hier in der Haupt¬
stadt, daß jemand mit Holz heize. Blau entgegnete: Ja, aber es ist gemütlich,
nicht wahr? Ich kann mich nicht an Kohlen gewöhnen, sie geben eine so brutale
Wärme, und man beschmutzt sich, sobald man nur in ihre Nähe kommt. Aber
nun vor allem eine Pfeife — Sie können natürlich ebenso gut Zigarren be¬
kommen, aber sie ziehen wohl Porzellan oder Weichselrohr um diese Nach¬
mittagsstunde vor? Nun, das konnte ich nur denken! Bitte, greifen Sie zu!
Ah, entschuldigen Sie mich für einen Augenblick, aber es fällt mir eben ein,
daß das Tier vielleicht hungrig sein könnte; ich null nnr nach der Speise-
kammer laufen und sehen, ob sich etwas findet. Sind Sie nicht auch hungrig?


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[0287] I'raya n-kehrn dahin zu bringen, daß sie sich solidarisch und familiär fühlen, und ich sagte deshalb: Guten Abend, Blau! und fügte hinzu, es sei ein Hundewetter. Ja, so kann man es dreist nennen, sagte er; aber es ist immerhin kein Wetter, einen Hund draußen zu lassen! Deshalb bin ich auch dabei, das Tier hereinzubringen. Komm doch, Caro, oder Phylax, oder wie du sonst heißt — er sieht mir fast darnach aus, als könnte er Bätz heißen, wie? Komm Vatz, komm! Wissen Sie nicht, wie er heißt? fragte ich. Nein, woher sollte ich das denn wissen! Gehört er nicht Ihnen? Nein, dann wüßte ich doch wahrscheinlich, wie er heißt! Er lachte über mich — ein Helles, ansteckendes Lachen —, ich lachte mit, und der Hund, der möglicherweise wirklich Bätz hieß, ging, nachdem er seinen Rufnamen gehört hatte, ruhig zur Thür hinein und schwänzelte vergnügt. Ich gehe mitunter einen Gang durch die Straßen, ehe ich mich niederlege, sagte Blau, und wenn ich dann einen solchen herrenlosen Hund antreffe, der ausgesperrt ist, und das Wetter ist so niederträchtig wie heute Nacht, so Pflege ich ihn bis zum nächsten Morgen mit mir zu nehmen; aber Bätz dort hat offenbar fo viel Zartgefühl, daß es ihn genirt, Wohlthaten von einem Fremden anzunehmen. Ja, es scheint fast so! Na, gute Nacht, Blau! Erwachen Sie nur morgen nicht mit einem Kater, nachdem Sie mit einem Bären zu Bett gegangen sind! O, Sie sollten lieber mit hinaufkommen, um eine Pfeife zu rauchen, als in so früher Morgenstunde schlechte Witze zu machen. Nein, herzlichen Dank, die Uhr ist schon über zwei. Was schadet das? sie schlägt wohl auch noch drei! Kommen Sie nur! Ich weiß nicht, ob es das Überzeugende seiner Argumentation oder das Ungewöhnliche der Einladung zu einer'solchen Zeit war, aber ich ließ mich ohne weitere Einwendungen freundschaftlich in die Thür ziehen und die Treppe hinauf lotsen, und ehe ich mirs versah, saß ich in einer hellen, warmen Stube, während Bätz sichs vor dem Ofen bequem machte, wo ein paar große Holz¬ scheite nach Herzenslust knisterten und flammten- Ich erlaubte mir die Bemerkung, es sei eine Seltenheit hier in der Haupt¬ stadt, daß jemand mit Holz heize. Blau entgegnete: Ja, aber es ist gemütlich, nicht wahr? Ich kann mich nicht an Kohlen gewöhnen, sie geben eine so brutale Wärme, und man beschmutzt sich, sobald man nur in ihre Nähe kommt. Aber nun vor allem eine Pfeife — Sie können natürlich ebenso gut Zigarren be¬ kommen, aber sie ziehen wohl Porzellan oder Weichselrohr um diese Nach¬ mittagsstunde vor? Nun, das konnte ich nur denken! Bitte, greifen Sie zu! Ah, entschuldigen Sie mich für einen Augenblick, aber es fällt mir eben ein, daß das Tier vielleicht hungrig sein könnte; ich null nnr nach der Speise- kammer laufen und sehen, ob sich etwas findet. Sind Sie nicht auch hungrig?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/287>, abgerufen am 12.05.2024.