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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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reform ist das Schild, wohinter sich neben den reinsten und uneigennützigsten
Bestrebungen auch die unlauterste" verkriechen, und schon jetzt wird der Hinweis
auf das arbeiterfreundliche Programm des Kaisers zu Reklamezwecken niedrigster
Art von gewissen Vertretern der sogenannten realistischen Bewegung in der
Litteratur gemißbraucht. Wir dürfen uns, wenn die jugendlichen Schwarm¬
geister, die heute noch auf ihre wenigen und nur von einem kleinen Publikum
gelesene" Zeitungen angewiesen sind, nach dem 1. Oktober in den öffentlichen
Versammlungen zu Worte kommen werden, auf einen Hexensabbath gefaßt
machen, vou dem uus die beiden zur Gründung der "Freien Volksbühne" ab¬
gehaltenen Versammlungen vom 29. Juli und 8. August einen kleinen Vor¬
geschmack gegeben haben. Es wird in diesem Schauspiele voraussichtlich uicht
an ernsten Szenen fehlen; im Anfange, in der Zeit des ersten Freudenlärmes,
werden aber vermutlich die burlesken überwiegen. Und es würde nus nicht
Wunder nehmen, wenn gelegentlich Herr I)r. Otto Brahm von seinen
sozialdemokratischen Freunden gezwungen werden sollte, in Sack und Asche
Buße zu thun, weil er eine Biographie Schillers geschrieben hat, dessen
begeisterte Verherrlichung der Vaterlandsliebe mit dem politischen Pro¬
gramm der internationalen Sozialdemokratie ebenso wenig in Einklang zu
bringen ist, wie sein leidenschaftlicher Schönhcitskultus mit dem litterarischen
Ideal der Naturalisten.




"I^ÄPA NÄtÄNZ
Sophus Bauditz Line Erzählung von
Übersetzt von Therese Lorck
(Fortsetzung)

mes Tages im Juni ging ich zu Blau hinauf. Er empfing
mich mit den Worten: Es ist gut, daß du kommst, denn ich
habe gerade mit dir zu sprechen. Siehst du, in nächster Woche
ist mein Geburtstag, da werde ich mündig, wie du weißt. Morgen
reise ich inzwischen nach Fünen. Drüben in der Umgebung
von Asiens lebt nämlich ein Halbvnkel von mir, ein Vetter meiner Mutter,
wohl der nächste Verwandte, den ich habe. Es war meines Vaters Wunsch,


Q^t^us

reform ist das Schild, wohinter sich neben den reinsten und uneigennützigsten
Bestrebungen auch die unlauterste» verkriechen, und schon jetzt wird der Hinweis
auf das arbeiterfreundliche Programm des Kaisers zu Reklamezwecken niedrigster
Art von gewissen Vertretern der sogenannten realistischen Bewegung in der
Litteratur gemißbraucht. Wir dürfen uns, wenn die jugendlichen Schwarm¬
geister, die heute noch auf ihre wenigen und nur von einem kleinen Publikum
gelesene« Zeitungen angewiesen sind, nach dem 1. Oktober in den öffentlichen
Versammlungen zu Worte kommen werden, auf einen Hexensabbath gefaßt
machen, vou dem uus die beiden zur Gründung der „Freien Volksbühne" ab¬
gehaltenen Versammlungen vom 29. Juli und 8. August einen kleinen Vor¬
geschmack gegeben haben. Es wird in diesem Schauspiele voraussichtlich uicht
an ernsten Szenen fehlen; im Anfange, in der Zeit des ersten Freudenlärmes,
werden aber vermutlich die burlesken überwiegen. Und es würde nus nicht
Wunder nehmen, wenn gelegentlich Herr I)r. Otto Brahm von seinen
sozialdemokratischen Freunden gezwungen werden sollte, in Sack und Asche
Buße zu thun, weil er eine Biographie Schillers geschrieben hat, dessen
begeisterte Verherrlichung der Vaterlandsliebe mit dem politischen Pro¬
gramm der internationalen Sozialdemokratie ebenso wenig in Einklang zu
bringen ist, wie sein leidenschaftlicher Schönhcitskultus mit dem litterarischen
Ideal der Naturalisten.




"I^ÄPA NÄtÄNZ
Sophus Bauditz Line Erzählung von
Übersetzt von Therese Lorck
(Fortsetzung)

mes Tages im Juni ging ich zu Blau hinauf. Er empfing
mich mit den Worten: Es ist gut, daß du kommst, denn ich
habe gerade mit dir zu sprechen. Siehst du, in nächster Woche
ist mein Geburtstag, da werde ich mündig, wie du weißt. Morgen
reise ich inzwischen nach Fünen. Drüben in der Umgebung
von Asiens lebt nämlich ein Halbvnkel von mir, ein Vetter meiner Mutter,
wohl der nächste Verwandte, den ich habe. Es war meines Vaters Wunsch,


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[0334] Q^t^us reform ist das Schild, wohinter sich neben den reinsten und uneigennützigsten Bestrebungen auch die unlauterste» verkriechen, und schon jetzt wird der Hinweis auf das arbeiterfreundliche Programm des Kaisers zu Reklamezwecken niedrigster Art von gewissen Vertretern der sogenannten realistischen Bewegung in der Litteratur gemißbraucht. Wir dürfen uns, wenn die jugendlichen Schwarm¬ geister, die heute noch auf ihre wenigen und nur von einem kleinen Publikum gelesene« Zeitungen angewiesen sind, nach dem 1. Oktober in den öffentlichen Versammlungen zu Worte kommen werden, auf einen Hexensabbath gefaßt machen, vou dem uus die beiden zur Gründung der „Freien Volksbühne" ab¬ gehaltenen Versammlungen vom 29. Juli und 8. August einen kleinen Vor¬ geschmack gegeben haben. Es wird in diesem Schauspiele voraussichtlich uicht an ernsten Szenen fehlen; im Anfange, in der Zeit des ersten Freudenlärmes, werden aber vermutlich die burlesken überwiegen. Und es würde nus nicht Wunder nehmen, wenn gelegentlich Herr I)r. Otto Brahm von seinen sozialdemokratischen Freunden gezwungen werden sollte, in Sack und Asche Buße zu thun, weil er eine Biographie Schillers geschrieben hat, dessen begeisterte Verherrlichung der Vaterlandsliebe mit dem politischen Pro¬ gramm der internationalen Sozialdemokratie ebenso wenig in Einklang zu bringen ist, wie sein leidenschaftlicher Schönhcitskultus mit dem litterarischen Ideal der Naturalisten. "I^ÄPA NÄtÄNZ Sophus Bauditz Line Erzählung von Übersetzt von Therese Lorck (Fortsetzung) mes Tages im Juni ging ich zu Blau hinauf. Er empfing mich mit den Worten: Es ist gut, daß du kommst, denn ich habe gerade mit dir zu sprechen. Siehst du, in nächster Woche ist mein Geburtstag, da werde ich mündig, wie du weißt. Morgen reise ich inzwischen nach Fünen. Drüben in der Umgebung von Asiens lebt nämlich ein Halbvnkel von mir, ein Vetter meiner Mutter, wohl der nächste Verwandte, den ich habe. Es war meines Vaters Wunsch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/334>, abgerufen am 28.04.2024.