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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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I^x Z.e^U0

n der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die
kürzlich in Frankfurt a. M. abgehalten worden ist, hatte in der
zweiten Sitzung, die sich mit den Arbeitseinstellungen beschäftigte,
Professor Brentano das Referat übernommen. Darin verlangte
er eine Organisation der Arbeiter und Arbeitgeber, durch die
die Gleichberechtigung zwischen beiden so hergestellt werde, daß der Arbeiter
mit dein Arbeitgeber ex aoauo, mit gleichem Rechte und auf gleichen: Fuße,
verhandeln könne.

Es geht doch nichts über eine schöne Phrase, vollends wenn sie den
Anspruch eines Prinzips erheben kann. Wie menschenwürdig klingt dieses ex
ki-ociuo! Zwar daß infolge einer solchen Organisation ex aequo "die Kämpfe
zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eine Verschärfung erfahren" würden, sagt
Herr Professor Brentano selbst; anderseits aber wäre, so belehrt er uns weiter,
"doch eine Grundlage für eine Einigung über etwaige Streitpunkte geschaffen."
Wie diese beiden Aussagen neben einander bestehen sollen, das legt sich wohl
nur im Kopfe eiues deutschen Professors zurecht, der es versteht, mit seinen
Theorien dem praktischen Leben ein Schnippchen zu schlagen; in dem Kopfe
gewöhnlicher Sterblichen vertragen sich die beiden Sätze nicht neben einander.
Da sagt sich jedermann, daß, wenn der Kampf verschürft wird, auch die Grund¬
lage für eine Einigung immer mehr zerstört werden muß. Was darum dem
Herrn Referenten als ein s-eMum erscheint, das erscheint dem, der das Leben
kennt und die Menschen so nimmt, wie sie sind, als das schlimmste iniquum;
deshalb wird er auch die Vorschläge des Herrn Professors mit einigem Mi߬
trauen betrachten.

Diese Vorschläge gingen nämlich dahin, die Organisationen der Arbeiter,
die sich verpflichteten, sich bei Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unter-


Greuzboten IV 1890 13


I^x Z.e^U0

n der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die
kürzlich in Frankfurt a. M. abgehalten worden ist, hatte in der
zweiten Sitzung, die sich mit den Arbeitseinstellungen beschäftigte,
Professor Brentano das Referat übernommen. Darin verlangte
er eine Organisation der Arbeiter und Arbeitgeber, durch die
die Gleichberechtigung zwischen beiden so hergestellt werde, daß der Arbeiter
mit dein Arbeitgeber ex aoauo, mit gleichem Rechte und auf gleichen: Fuße,
verhandeln könne.

Es geht doch nichts über eine schöne Phrase, vollends wenn sie den
Anspruch eines Prinzips erheben kann. Wie menschenwürdig klingt dieses ex
ki-ociuo! Zwar daß infolge einer solchen Organisation ex aequo „die Kämpfe
zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eine Verschärfung erfahren" würden, sagt
Herr Professor Brentano selbst; anderseits aber wäre, so belehrt er uns weiter,
„doch eine Grundlage für eine Einigung über etwaige Streitpunkte geschaffen."
Wie diese beiden Aussagen neben einander bestehen sollen, das legt sich wohl
nur im Kopfe eiues deutschen Professors zurecht, der es versteht, mit seinen
Theorien dem praktischen Leben ein Schnippchen zu schlagen; in dem Kopfe
gewöhnlicher Sterblichen vertragen sich die beiden Sätze nicht neben einander.
Da sagt sich jedermann, daß, wenn der Kampf verschürft wird, auch die Grund¬
lage für eine Einigung immer mehr zerstört werden muß. Was darum dem
Herrn Referenten als ein s-eMum erscheint, das erscheint dem, der das Leben
kennt und die Menschen so nimmt, wie sie sind, als das schlimmste iniquum;
deshalb wird er auch die Vorschläge des Herrn Professors mit einigem Mi߬
trauen betrachten.

Diese Vorschläge gingen nämlich dahin, die Organisationen der Arbeiter,
die sich verpflichteten, sich bei Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unter-


Greuzboten IV 1890 13
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[0105] [Abbildung] I^x Z.e^U0 n der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, die kürzlich in Frankfurt a. M. abgehalten worden ist, hatte in der zweiten Sitzung, die sich mit den Arbeitseinstellungen beschäftigte, Professor Brentano das Referat übernommen. Darin verlangte er eine Organisation der Arbeiter und Arbeitgeber, durch die die Gleichberechtigung zwischen beiden so hergestellt werde, daß der Arbeiter mit dein Arbeitgeber ex aoauo, mit gleichem Rechte und auf gleichen: Fuße, verhandeln könne. Es geht doch nichts über eine schöne Phrase, vollends wenn sie den Anspruch eines Prinzips erheben kann. Wie menschenwürdig klingt dieses ex ki-ociuo! Zwar daß infolge einer solchen Organisation ex aequo „die Kämpfe zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eine Verschärfung erfahren" würden, sagt Herr Professor Brentano selbst; anderseits aber wäre, so belehrt er uns weiter, „doch eine Grundlage für eine Einigung über etwaige Streitpunkte geschaffen." Wie diese beiden Aussagen neben einander bestehen sollen, das legt sich wohl nur im Kopfe eiues deutschen Professors zurecht, der es versteht, mit seinen Theorien dem praktischen Leben ein Schnippchen zu schlagen; in dem Kopfe gewöhnlicher Sterblichen vertragen sich die beiden Sätze nicht neben einander. Da sagt sich jedermann, daß, wenn der Kampf verschürft wird, auch die Grund¬ lage für eine Einigung immer mehr zerstört werden muß. Was darum dem Herrn Referenten als ein s-eMum erscheint, das erscheint dem, der das Leben kennt und die Menschen so nimmt, wie sie sind, als das schlimmste iniquum; deshalb wird er auch die Vorschläge des Herrn Professors mit einigem Mi߬ trauen betrachten. Diese Vorschläge gingen nämlich dahin, die Organisationen der Arbeiter, die sich verpflichteten, sich bei Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unter- Greuzboten IV 1890 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/105>, abgerufen am 28.04.2024.