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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

Rahmens im großen und ganzen nnr billige Forderungen stellen. Über einen
Punkt, der nicht erwähnt ist, wäre wohl noch eine Einigung in den Haupt¬
sachen zu erzielen gewesen: über die Dringlichkeit einer Neuregelung des Be-
rechtiguugswesens. Aber eine These darüber Hütte einerseits dem Inhalte nach
ganz vereinzelt neben den andern gestanden, anderseits war ihre Aufnahme
nicht notwendig, weil es feststeht, daß die Regierung ohnehin eine solche Neu¬
regelung plant.


2

Die Klagen des höhern preußischen Lehrerstandes über unzureichende Be¬
soldung und mangelhafte Rechtsstellung beim Aufrücken in eine bessere Stelle
sind sehr alt. Sie haben sich aber meines Wissens erst in dein letzten Jahr¬
zehnt in scharfer Weise dahin zugespitzt, daß man neben der Hauptsache, d. i.
der auskömmlichen Gehaltsbemessung und der Sicherung eines höhern Gehalts
nach einer bestimmten Reihe von Dienstjahren, in gleich nachdrücklicher Weise,
wenn nicht mit noch stärkerer Betonung die Nangstellnng und hierbei ins¬
besondre die Gleichstellung mit den "Juristen" hervorhebt. Unsre Tagesblätter,
an deren Spitze meist Personen stehen, die nach ihrer Vorbildung mit
den: Lehrerstande weit engere Fühlung haben als mit dem Richterstande, haben
solchen Auslassungen in der Regel bereitwillig Aufnahme gewährt. Es ist
mir aber kein Fall bekannt geworden, daß man jemals die Berechtigung des
Verlangens näher untersucht hätte, oder daß etwa auch von den "Juristen"
diese Frage in der Presse erörtert worden wäre. Eine solche Auseinandersetzung
hat ja in der That auch manches Mißliche, da Nur uns, namentlich in kleinern
Orten, wo die verschiednen Gesellschaftskreise mit einander in nähere Berührung
treten als in der Großstadt, meist eines herzlichen Einvernehmens des Lehrer-
uud des Nichterstandes erfreuen. Beide sind den andern Klassen gegenüber
gesellschaftlich gewissermaßen auf einander angewiesen, sodaß ich im persönlichen
Verkehr der Aussprache über die heikle Frage immer gern aus dem Wege ge¬
gangen bin, selbst ans die Gefahr hin, durch Stillschweigen ans gegnerische
Ausführungen den Anschein zu erwecken, als wären diese ganz und gar be¬
rechtigt. Ich kenne sogar die Fran eines Professors, die es nicht unterlassen
kann, fast in jeder Kaffeegesellschaft die Richterfranen mit dem alten Klagelied
anzuzapfen. Jedenfalls ist es, wenn man in einem Glashause wohnt, am
besten, uicht mit Steinen zu werfen, denn der gesellige Verkehr kann sich durch
solche die Entscheidung gar nicht herbeiführende Auslassungen leicht in das
Gegenteil der Geselligkeit verwandeln.

Neuerdings sind um aber die Abgeordneten der Provinzialvereiuc des
preußischen Lehrerstandes wieder mit ihren Forderungen durch Aufstellung eiuer
Anzahl bestimmter Thesen hervorgetreten, die der großen Unterrichtserhebungs¬
kommission vorgelegt werden solle", und die es mir nahe legen, im folgenden


Grenzboten IV 1890 21
Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

Rahmens im großen und ganzen nnr billige Forderungen stellen. Über einen
Punkt, der nicht erwähnt ist, wäre wohl noch eine Einigung in den Haupt¬
sachen zu erzielen gewesen: über die Dringlichkeit einer Neuregelung des Be-
rechtiguugswesens. Aber eine These darüber Hütte einerseits dem Inhalte nach
ganz vereinzelt neben den andern gestanden, anderseits war ihre Aufnahme
nicht notwendig, weil es feststeht, daß die Regierung ohnehin eine solche Neu¬
regelung plant.


2

Die Klagen des höhern preußischen Lehrerstandes über unzureichende Be¬
soldung und mangelhafte Rechtsstellung beim Aufrücken in eine bessere Stelle
sind sehr alt. Sie haben sich aber meines Wissens erst in dein letzten Jahr¬
zehnt in scharfer Weise dahin zugespitzt, daß man neben der Hauptsache, d. i.
der auskömmlichen Gehaltsbemessung und der Sicherung eines höhern Gehalts
nach einer bestimmten Reihe von Dienstjahren, in gleich nachdrücklicher Weise,
wenn nicht mit noch stärkerer Betonung die Nangstellnng und hierbei ins¬
besondre die Gleichstellung mit den „Juristen" hervorhebt. Unsre Tagesblätter,
an deren Spitze meist Personen stehen, die nach ihrer Vorbildung mit
den: Lehrerstande weit engere Fühlung haben als mit dem Richterstande, haben
solchen Auslassungen in der Regel bereitwillig Aufnahme gewährt. Es ist
mir aber kein Fall bekannt geworden, daß man jemals die Berechtigung des
Verlangens näher untersucht hätte, oder daß etwa auch von den „Juristen"
diese Frage in der Presse erörtert worden wäre. Eine solche Auseinandersetzung
hat ja in der That auch manches Mißliche, da Nur uns, namentlich in kleinern
Orten, wo die verschiednen Gesellschaftskreise mit einander in nähere Berührung
treten als in der Großstadt, meist eines herzlichen Einvernehmens des Lehrer-
uud des Nichterstandes erfreuen. Beide sind den andern Klassen gegenüber
gesellschaftlich gewissermaßen auf einander angewiesen, sodaß ich im persönlichen
Verkehr der Aussprache über die heikle Frage immer gern aus dem Wege ge¬
gangen bin, selbst ans die Gefahr hin, durch Stillschweigen ans gegnerische
Ausführungen den Anschein zu erwecken, als wären diese ganz und gar be¬
rechtigt. Ich kenne sogar die Fran eines Professors, die es nicht unterlassen
kann, fast in jeder Kaffeegesellschaft die Richterfranen mit dem alten Klagelied
anzuzapfen. Jedenfalls ist es, wenn man in einem Glashause wohnt, am
besten, uicht mit Steinen zu werfen, denn der gesellige Verkehr kann sich durch
solche die Entscheidung gar nicht herbeiführende Auslassungen leicht in das
Gegenteil der Geselligkeit verwandeln.

Neuerdings sind um aber die Abgeordneten der Provinzialvereiuc des
preußischen Lehrerstandes wieder mit ihren Forderungen durch Aufstellung eiuer
Anzahl bestimmter Thesen hervorgetreten, die der großen Unterrichtserhebungs¬
kommission vorgelegt werden solle«, und die es mir nahe legen, im folgenden


Grenzboten IV 1890 21
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[0169] Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen Rahmens im großen und ganzen nnr billige Forderungen stellen. Über einen Punkt, der nicht erwähnt ist, wäre wohl noch eine Einigung in den Haupt¬ sachen zu erzielen gewesen: über die Dringlichkeit einer Neuregelung des Be- rechtiguugswesens. Aber eine These darüber Hütte einerseits dem Inhalte nach ganz vereinzelt neben den andern gestanden, anderseits war ihre Aufnahme nicht notwendig, weil es feststeht, daß die Regierung ohnehin eine solche Neu¬ regelung plant. 2 Die Klagen des höhern preußischen Lehrerstandes über unzureichende Be¬ soldung und mangelhafte Rechtsstellung beim Aufrücken in eine bessere Stelle sind sehr alt. Sie haben sich aber meines Wissens erst in dein letzten Jahr¬ zehnt in scharfer Weise dahin zugespitzt, daß man neben der Hauptsache, d. i. der auskömmlichen Gehaltsbemessung und der Sicherung eines höhern Gehalts nach einer bestimmten Reihe von Dienstjahren, in gleich nachdrücklicher Weise, wenn nicht mit noch stärkerer Betonung die Nangstellnng und hierbei ins¬ besondre die Gleichstellung mit den „Juristen" hervorhebt. Unsre Tagesblätter, an deren Spitze meist Personen stehen, die nach ihrer Vorbildung mit den: Lehrerstande weit engere Fühlung haben als mit dem Richterstande, haben solchen Auslassungen in der Regel bereitwillig Aufnahme gewährt. Es ist mir aber kein Fall bekannt geworden, daß man jemals die Berechtigung des Verlangens näher untersucht hätte, oder daß etwa auch von den „Juristen" diese Frage in der Presse erörtert worden wäre. Eine solche Auseinandersetzung hat ja in der That auch manches Mißliche, da Nur uns, namentlich in kleinern Orten, wo die verschiednen Gesellschaftskreise mit einander in nähere Berührung treten als in der Großstadt, meist eines herzlichen Einvernehmens des Lehrer- uud des Nichterstandes erfreuen. Beide sind den andern Klassen gegenüber gesellschaftlich gewissermaßen auf einander angewiesen, sodaß ich im persönlichen Verkehr der Aussprache über die heikle Frage immer gern aus dem Wege ge¬ gangen bin, selbst ans die Gefahr hin, durch Stillschweigen ans gegnerische Ausführungen den Anschein zu erwecken, als wären diese ganz und gar be¬ rechtigt. Ich kenne sogar die Fran eines Professors, die es nicht unterlassen kann, fast in jeder Kaffeegesellschaft die Richterfranen mit dem alten Klagelied anzuzapfen. Jedenfalls ist es, wenn man in einem Glashause wohnt, am besten, uicht mit Steinen zu werfen, denn der gesellige Verkehr kann sich durch solche die Entscheidung gar nicht herbeiführende Auslassungen leicht in das Gegenteil der Geselligkeit verwandeln. Neuerdings sind um aber die Abgeordneten der Provinzialvereiuc des preußischen Lehrerstandes wieder mit ihren Forderungen durch Aufstellung eiuer Anzahl bestimmter Thesen hervorgetreten, die der großen Unterrichtserhebungs¬ kommission vorgelegt werden solle«, und die es mir nahe legen, im folgenden Grenzboten IV 1890 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/169>, abgerufen am 28.04.2024.