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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

bewillige", der seinem Dienstalter entspricht. So blieben noch die Gehalts-,
die Rang- und die Titelfrage. Gegen die Art, wie die beiden ersten Punkte
geordnet werden sollen, wird niemand etwas Ernstliches einzuwenden haben, der
nicht etwa eiuen Ehrenpunkt für die Juristen darin erblickt, in diesen Beziehungen
besser gestellt zu sein; es wird ja ohnehin für die Lehrer nur Gleichstellung
mit den Richtern unterster Instanz vorgeschlagen. Die Titelfrage hängt mit
der Rangfrage eng zusammen; wer die Art, wie diese geordnet werden soll,
grundsätzlich billigt, kann grundsätzliche Einwendungen auch gegen die vor¬
geschlagene Regelung der Titelfrage nicht machen. Davon unabhängig ist die
andre Frage, ob die einzelnen Titel glücklich gewählt sind. Bei den meisten
kann uralt das zugeben; die Ausdrücke "Schulrefereudar" und "Schulassessor"
wollen nur freilich ebenso wenig behagen, wie vielen andern. Sie sind wohl
nur aus einer gewissen Verlegenheit, aus Mangel an Passendern Titeln vor¬
geschlagen worden; ich weiß auch keinen bessern Vorschlag zu machen. Man
könnte sagen, sür uoch nicht fest angestellte Lehrer sei kein Titel nötig, und
auch viele Lehrer werden für ihre Person zu dieser Anschauung neigen. Aber
aus praktischen Gesichtspunkten ist doch unter den heutigen deutschen Verhält¬
nissen für einen Beamten ein Titel immerhin wünschenswert: der jetzige Ge¬
brauch aber, Gymnasiallehrer, die noch keine Oberlehrerstelle bekleiden, mit
"Doktor" anzureden, auch wenn ihnen dieser Titel gar nicht zukommt, ist doch
auch nicht gerade schön.

Über den dritten Abschnitt (These 27 bis 29) können wir trotz seiner Wichtig¬
keit hier kurz hinweggehen. Daß ein Unterrichtsgesetz ein dringendes Bedürfnis
sei, leugnet niemand; jedenfalls kann es nichts schaden, wenn das immer wieder
betont wird. Der weitere Inhalt der These 27 hat nur den Wert einer Über¬
gangsbestimmung; ihr Inhalt unterliegt keinerlei Bedenken. Die Forderung,
daß in den Proviuzialschnlkollegien künftig der Vorsitzende und die meisten
Mitglieder Schulmänner sein sollen, ist gleichfalls durchaus berechtigt. Der
jetzige Zustand ist eigentlich nur ein Rest aus alter Zeit, wo es eine Unter¬
richtsverwaltung im heutigen Sinne nicht gab. Man sollte meinen, es wäre
den Oberprüsidenten oder Regierungspräsidenten selbst damit gedient, wen"
ihnen mit dem formellen Vorsitz auch die formelle Verantwortung für vieles
abgenommen würde, was ihnen in der Regel recht fern liegt. Übrigens erinnere
ich an die entsprechende Bewegung in der Eisenbahnverwaltung u. s. w. Die
Errichtung eines besondern Unterrichtsministeriums endlich werden sicherlich
auch die meisten Nichtfachmänner für wünschenswert halten. Die Geldfrage
kommt allerdings auch in Betracht; trotzdem ist die Erfüllung dieses Wunsches
wohl nur eine Frage der Zeit.

Ich bin zu Ende mit meinem Versuche, den Lesern dieser Zeitschrift klar
zu macheu, wie es kommt, daß die neunundzwanzig Thesen sich auf einem so
beschränkte" Gebiete bewegen, lind kurz zu zeigen, daß sie innerhalb dieses engen


Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen

bewillige», der seinem Dienstalter entspricht. So blieben noch die Gehalts-,
die Rang- und die Titelfrage. Gegen die Art, wie die beiden ersten Punkte
geordnet werden sollen, wird niemand etwas Ernstliches einzuwenden haben, der
nicht etwa eiuen Ehrenpunkt für die Juristen darin erblickt, in diesen Beziehungen
besser gestellt zu sein; es wird ja ohnehin für die Lehrer nur Gleichstellung
mit den Richtern unterster Instanz vorgeschlagen. Die Titelfrage hängt mit
der Rangfrage eng zusammen; wer die Art, wie diese geordnet werden soll,
grundsätzlich billigt, kann grundsätzliche Einwendungen auch gegen die vor¬
geschlagene Regelung der Titelfrage nicht machen. Davon unabhängig ist die
andre Frage, ob die einzelnen Titel glücklich gewählt sind. Bei den meisten
kann uralt das zugeben; die Ausdrücke „Schulrefereudar" und „Schulassessor"
wollen nur freilich ebenso wenig behagen, wie vielen andern. Sie sind wohl
nur aus einer gewissen Verlegenheit, aus Mangel an Passendern Titeln vor¬
geschlagen worden; ich weiß auch keinen bessern Vorschlag zu machen. Man
könnte sagen, sür uoch nicht fest angestellte Lehrer sei kein Titel nötig, und
auch viele Lehrer werden für ihre Person zu dieser Anschauung neigen. Aber
aus praktischen Gesichtspunkten ist doch unter den heutigen deutschen Verhält¬
nissen für einen Beamten ein Titel immerhin wünschenswert: der jetzige Ge¬
brauch aber, Gymnasiallehrer, die noch keine Oberlehrerstelle bekleiden, mit
„Doktor" anzureden, auch wenn ihnen dieser Titel gar nicht zukommt, ist doch
auch nicht gerade schön.

Über den dritten Abschnitt (These 27 bis 29) können wir trotz seiner Wichtig¬
keit hier kurz hinweggehen. Daß ein Unterrichtsgesetz ein dringendes Bedürfnis
sei, leugnet niemand; jedenfalls kann es nichts schaden, wenn das immer wieder
betont wird. Der weitere Inhalt der These 27 hat nur den Wert einer Über¬
gangsbestimmung; ihr Inhalt unterliegt keinerlei Bedenken. Die Forderung,
daß in den Proviuzialschnlkollegien künftig der Vorsitzende und die meisten
Mitglieder Schulmänner sein sollen, ist gleichfalls durchaus berechtigt. Der
jetzige Zustand ist eigentlich nur ein Rest aus alter Zeit, wo es eine Unter¬
richtsverwaltung im heutigen Sinne nicht gab. Man sollte meinen, es wäre
den Oberprüsidenten oder Regierungspräsidenten selbst damit gedient, wen»
ihnen mit dem formellen Vorsitz auch die formelle Verantwortung für vieles
abgenommen würde, was ihnen in der Regel recht fern liegt. Übrigens erinnere
ich an die entsprechende Bewegung in der Eisenbahnverwaltung u. s. w. Die
Errichtung eines besondern Unterrichtsministeriums endlich werden sicherlich
auch die meisten Nichtfachmänner für wünschenswert halten. Die Geldfrage
kommt allerdings auch in Betracht; trotzdem ist die Erfüllung dieses Wunsches
wohl nur eine Frage der Zeit.

Ich bin zu Ende mit meinem Versuche, den Lesern dieser Zeitschrift klar
zu macheu, wie es kommt, daß die neunundzwanzig Thesen sich auf einem so
beschränkte» Gebiete bewegen, lind kurz zu zeigen, daß sie innerhalb dieses engen


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[0168] Die wünsche des höhern Lehrerstandes in Preußen bewillige», der seinem Dienstalter entspricht. So blieben noch die Gehalts-, die Rang- und die Titelfrage. Gegen die Art, wie die beiden ersten Punkte geordnet werden sollen, wird niemand etwas Ernstliches einzuwenden haben, der nicht etwa eiuen Ehrenpunkt für die Juristen darin erblickt, in diesen Beziehungen besser gestellt zu sein; es wird ja ohnehin für die Lehrer nur Gleichstellung mit den Richtern unterster Instanz vorgeschlagen. Die Titelfrage hängt mit der Rangfrage eng zusammen; wer die Art, wie diese geordnet werden soll, grundsätzlich billigt, kann grundsätzliche Einwendungen auch gegen die vor¬ geschlagene Regelung der Titelfrage nicht machen. Davon unabhängig ist die andre Frage, ob die einzelnen Titel glücklich gewählt sind. Bei den meisten kann uralt das zugeben; die Ausdrücke „Schulrefereudar" und „Schulassessor" wollen nur freilich ebenso wenig behagen, wie vielen andern. Sie sind wohl nur aus einer gewissen Verlegenheit, aus Mangel an Passendern Titeln vor¬ geschlagen worden; ich weiß auch keinen bessern Vorschlag zu machen. Man könnte sagen, sür uoch nicht fest angestellte Lehrer sei kein Titel nötig, und auch viele Lehrer werden für ihre Person zu dieser Anschauung neigen. Aber aus praktischen Gesichtspunkten ist doch unter den heutigen deutschen Verhält¬ nissen für einen Beamten ein Titel immerhin wünschenswert: der jetzige Ge¬ brauch aber, Gymnasiallehrer, die noch keine Oberlehrerstelle bekleiden, mit „Doktor" anzureden, auch wenn ihnen dieser Titel gar nicht zukommt, ist doch auch nicht gerade schön. Über den dritten Abschnitt (These 27 bis 29) können wir trotz seiner Wichtig¬ keit hier kurz hinweggehen. Daß ein Unterrichtsgesetz ein dringendes Bedürfnis sei, leugnet niemand; jedenfalls kann es nichts schaden, wenn das immer wieder betont wird. Der weitere Inhalt der These 27 hat nur den Wert einer Über¬ gangsbestimmung; ihr Inhalt unterliegt keinerlei Bedenken. Die Forderung, daß in den Proviuzialschnlkollegien künftig der Vorsitzende und die meisten Mitglieder Schulmänner sein sollen, ist gleichfalls durchaus berechtigt. Der jetzige Zustand ist eigentlich nur ein Rest aus alter Zeit, wo es eine Unter¬ richtsverwaltung im heutigen Sinne nicht gab. Man sollte meinen, es wäre den Oberprüsidenten oder Regierungspräsidenten selbst damit gedient, wen» ihnen mit dem formellen Vorsitz auch die formelle Verantwortung für vieles abgenommen würde, was ihnen in der Regel recht fern liegt. Übrigens erinnere ich an die entsprechende Bewegung in der Eisenbahnverwaltung u. s. w. Die Errichtung eines besondern Unterrichtsministeriums endlich werden sicherlich auch die meisten Nichtfachmänner für wünschenswert halten. Die Geldfrage kommt allerdings auch in Betracht; trotzdem ist die Erfüllung dieses Wunsches wohl nur eine Frage der Zeit. Ich bin zu Ende mit meinem Versuche, den Lesern dieser Zeitschrift klar zu macheu, wie es kommt, daß die neunundzwanzig Thesen sich auf einem so beschränkte» Gebiete bewegen, lind kurz zu zeigen, daß sie innerhalb dieses engen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/168>, abgerufen am 13.05.2024.