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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der (Offiziersgehalte
Arnold von Senfft von

eilt nach dein Bekanntwerden des kaiserlichen Erlasses, der die
preußischen kommandirenden Generale anwies, hervortretenden
Auswüchsen in der Lebensführung der Offizierkorps entgegen¬
zuwirken, bezeichnete es die Natioualzeitung deu Auslassungen
eines Wiener Blattes gegenüber als eine mißverständliche Aus¬
legung des Erlasses, wenn man daraus folgern wollte, daß der deutsche
Offizierstand sich durch eine besonders verschwenderische Lebensführung vor
andern Gesellschaftsklassen hervorthue. In durchaus zutreffender Weise wurde
vielmehr als Kern des Erlasses die Forderung hervorgehoben, daß der Offizier-
stand im Interesse seiner Ergänzung eine ganz besondre Einfachheit seiner
Lebensgewohnheiten anzustreben habe.

Die Richtigkeit dieser Ausführungen mußte jeder Leser anerkennen, der
sich die Mühe nahm, sie an der Hand des Erlasses selbst zu prüfen; bei denen,
die mit den einschlägige" Verhältnissen aus eigner Anschauung vertraut waren,
konnte ein Zweifel von vornherein nicht bestehen. In den einzelnen Haus¬
haltungen der verheirateten Offiziere wird die Höhe des Aufwandes natürlich
ebenso verschieden sein wie der Familienwohlstand in andern Berufszweigen.
Was aber den durchschnittlichen Aufwand der Offizierkorps als Gesamtheiten
betrifft -- und ihn allein hatte der Erlaß König Wilhelms im Auge --, so
bietet für dessen Ermittelung das Leben im Offizierkasino zwar nicht deu
einzigen, aber doch unzweifelhaft den zuverlässigsten Maßstab: auch im bürger¬
lichen Leben gestattet der Mittagstisch des Junggesellen den sichersten Schluß
auf den Durchschnittsstand seiner täglichen Allsgaben. Es ist eben eine auf
völlig gesetzmäßigen Vorgängen beruhende Erscheinung, daß der Mensch, der
eine Flasche Bier zum Mittagessen trinkt, sich keine Equipage hält, und daß
der, dessen tägliche Hauptmahlzeit in zwei einfachen Gerichten besteht, sich nicht
durch ein Frühstück von Austern und Hummern den Appetit zu verderben
Pflegt. Nun weiß aber jeder, der Gelegenheit gehabt hat, verschiedne Offiziers¬
speiseanstalten kennen zu lernen, daß dort -- und zwar bei allen Waffen --
die Zusammenstellung des Mittagessens aus zwei Gängen und der Preis vou
1 Mk. oder 1 Mk. 25 Pf. für das Gedeck durchaus die Regel bilden, daß


Grenzboten IV 1390 A


Zur Erhöhung der (Offiziersgehalte
Arnold von Senfft von

eilt nach dein Bekanntwerden des kaiserlichen Erlasses, der die
preußischen kommandirenden Generale anwies, hervortretenden
Auswüchsen in der Lebensführung der Offizierkorps entgegen¬
zuwirken, bezeichnete es die Natioualzeitung deu Auslassungen
eines Wiener Blattes gegenüber als eine mißverständliche Aus¬
legung des Erlasses, wenn man daraus folgern wollte, daß der deutsche
Offizierstand sich durch eine besonders verschwenderische Lebensführung vor
andern Gesellschaftsklassen hervorthue. In durchaus zutreffender Weise wurde
vielmehr als Kern des Erlasses die Forderung hervorgehoben, daß der Offizier-
stand im Interesse seiner Ergänzung eine ganz besondre Einfachheit seiner
Lebensgewohnheiten anzustreben habe.

Die Richtigkeit dieser Ausführungen mußte jeder Leser anerkennen, der
sich die Mühe nahm, sie an der Hand des Erlasses selbst zu prüfen; bei denen,
die mit den einschlägige» Verhältnissen aus eigner Anschauung vertraut waren,
konnte ein Zweifel von vornherein nicht bestehen. In den einzelnen Haus¬
haltungen der verheirateten Offiziere wird die Höhe des Aufwandes natürlich
ebenso verschieden sein wie der Familienwohlstand in andern Berufszweigen.
Was aber den durchschnittlichen Aufwand der Offizierkorps als Gesamtheiten
betrifft — und ihn allein hatte der Erlaß König Wilhelms im Auge —, so
bietet für dessen Ermittelung das Leben im Offizierkasino zwar nicht deu
einzigen, aber doch unzweifelhaft den zuverlässigsten Maßstab: auch im bürger¬
lichen Leben gestattet der Mittagstisch des Junggesellen den sichersten Schluß
auf den Durchschnittsstand seiner täglichen Allsgaben. Es ist eben eine auf
völlig gesetzmäßigen Vorgängen beruhende Erscheinung, daß der Mensch, der
eine Flasche Bier zum Mittagessen trinkt, sich keine Equipage hält, und daß
der, dessen tägliche Hauptmahlzeit in zwei einfachen Gerichten besteht, sich nicht
durch ein Frühstück von Austern und Hummern den Appetit zu verderben
Pflegt. Nun weiß aber jeder, der Gelegenheit gehabt hat, verschiedne Offiziers¬
speiseanstalten kennen zu lernen, daß dort — und zwar bei allen Waffen —
die Zusammenstellung des Mittagessens aus zwei Gängen und der Preis vou
1 Mk. oder 1 Mk. 25 Pf. für das Gedeck durchaus die Regel bilden, daß


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[0017] [Abbildung] Zur Erhöhung der (Offiziersgehalte Arnold von Senfft von eilt nach dein Bekanntwerden des kaiserlichen Erlasses, der die preußischen kommandirenden Generale anwies, hervortretenden Auswüchsen in der Lebensführung der Offizierkorps entgegen¬ zuwirken, bezeichnete es die Natioualzeitung deu Auslassungen eines Wiener Blattes gegenüber als eine mißverständliche Aus¬ legung des Erlasses, wenn man daraus folgern wollte, daß der deutsche Offizierstand sich durch eine besonders verschwenderische Lebensführung vor andern Gesellschaftsklassen hervorthue. In durchaus zutreffender Weise wurde vielmehr als Kern des Erlasses die Forderung hervorgehoben, daß der Offizier- stand im Interesse seiner Ergänzung eine ganz besondre Einfachheit seiner Lebensgewohnheiten anzustreben habe. Die Richtigkeit dieser Ausführungen mußte jeder Leser anerkennen, der sich die Mühe nahm, sie an der Hand des Erlasses selbst zu prüfen; bei denen, die mit den einschlägige» Verhältnissen aus eigner Anschauung vertraut waren, konnte ein Zweifel von vornherein nicht bestehen. In den einzelnen Haus¬ haltungen der verheirateten Offiziere wird die Höhe des Aufwandes natürlich ebenso verschieden sein wie der Familienwohlstand in andern Berufszweigen. Was aber den durchschnittlichen Aufwand der Offizierkorps als Gesamtheiten betrifft — und ihn allein hatte der Erlaß König Wilhelms im Auge —, so bietet für dessen Ermittelung das Leben im Offizierkasino zwar nicht deu einzigen, aber doch unzweifelhaft den zuverlässigsten Maßstab: auch im bürger¬ lichen Leben gestattet der Mittagstisch des Junggesellen den sichersten Schluß auf den Durchschnittsstand seiner täglichen Allsgaben. Es ist eben eine auf völlig gesetzmäßigen Vorgängen beruhende Erscheinung, daß der Mensch, der eine Flasche Bier zum Mittagessen trinkt, sich keine Equipage hält, und daß der, dessen tägliche Hauptmahlzeit in zwei einfachen Gerichten besteht, sich nicht durch ein Frühstück von Austern und Hummern den Appetit zu verderben Pflegt. Nun weiß aber jeder, der Gelegenheit gehabt hat, verschiedne Offiziers¬ speiseanstalten kennen zu lernen, daß dort — und zwar bei allen Waffen — die Zusammenstellung des Mittagessens aus zwei Gängen und der Preis vou 1 Mk. oder 1 Mk. 25 Pf. für das Gedeck durchaus die Regel bilden, daß Grenzboten IV 1390 A

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/17>, abgerufen am 28.04.2024.