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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Woher, wohin?

stören, erwidert Schmoller: "Es mag ausnahmsweise einem Organisationsgenie
mit ^von!^ selten ^ wohlwollendem Charakter gelingen, mit Dutzenden und
Hunderten von Arbeitern einen persönlichen Rapport zu unterhalten. Im
ganzen ist es eine einfache Unmöglichkeit; in jedem gewöhnlichen ganz großen
Geschäft ist dieses sogenannte persönliche Verhältnis eine Phrase, so unwahr
als das vermessene von Friedrich Wilhelm IV. gegen die Verfassung gerichtete
Wort, es solle sich zwischen ihn und sein Volk kein Blatt Papier und keine
Volksvertretung drängen." Und Herrn von Stumms Wort, große Unter¬
nehmungen müßten militärisch, nicht parlamentarisch organisirt sein, stellt er
das andre entgegen: weder militärisch noch parlamentarisch, sondern nach Art
einer Gemeinde. Daneben empfiehlt er Zurückverwandlung der jugendlichen
Arbeiter in Lehrlinge, hierarchische Abstufung der erwachsenen Arbeiter, die
jetzt mit fünfzig Jahren kein größeres Einkommen beziehen als mit zwanzig,
damit sie wieder ein festes und erreichbares, wenn auch bescheidenes Lebensziel
vor Augen haben (als Vorbild wird die königlich sächsische Porzellanmannfaktur
zu Meißen aufgestellt), die Gewinnbeteiligung u. a.

Für den gedeihlichen Fortgang der verschiednen, dem einen Ziele zu¬
strebenden Reformversuche und Unternehmungen bürgt die Haltung des Kaisers.
"Wie er im Sommer 1889 energisch vermittelnd und versöhnend eingriff,
einerseits dem westfälischen Bergarbeiterstand ebenso sympathisch seine Teilnahme
zeigte und das ganze Volk daran erinnerte, daß der König von Preußen immer
noch der roi ass ^ueux sei, anderseits den gährenden Elementen seinen festen
Willen kund gab, unbarmherzig für Ruhe und Ordnung zu sorgen, so hat er
nunmehr in den beiden Erlassen vom 4. Februar seine eigenste persönliche
Willensmeinung in klarer, deutlicher Sprache kundgegeben. Indem er ohne
Gegenzeichnung eines Ministers sich aussprach, hat er sich und sein königliches
Wort dafür verpfändet, das große Erbe seiner Väter anzutreten, die sozial¬
politische monarchische Reform seines Großvaters ohne Zögern mit Energie
fortzusetzen, in dem Geiste Friedrichs des Großen zu regieren, der in sein
Testament von 1768 die ewig denkwürdigen Worte setzte: Li'ost an xriinzs ac
tenir 1a o^Ig-roe entrv le Zentilnoinine et 1<z ni"nut'!iowri6r. Ja es ist Sache
des Fürsten, der Monarchie, das Gleichgewicht zu halten zwischen Stadt und
Land, zwischen obern und untern Klassen, nicht im Sinne eines staatssozialisti¬
schen Polizeiregiments, sondern im Sinne eines letzten obersten Regulators im
Sinne der öffentlichen Gewalten und Einrichtungen. Deutschlands Stern war
unter Kaiser Wilhelm und Bismarck in glänzendem Aufschwünge. Daß er es
auch unter Kaiser Wilhelm II. sein wird, dafür haben wir jetzt die Sicherheit,
trotz aller innern und äußern Kämpfe, denen wir noch entgegengehen mögen."

Möge dem scharfsinnigen Nationalökonomen die weitere Entwicklung der
Dinge Recht geben, wie ihm die bisherige seit 1872 Recht gegeben hat.




Woher, wohin?

stören, erwidert Schmoller: „Es mag ausnahmsweise einem Organisationsgenie
mit ^von!^ selten ^ wohlwollendem Charakter gelingen, mit Dutzenden und
Hunderten von Arbeitern einen persönlichen Rapport zu unterhalten. Im
ganzen ist es eine einfache Unmöglichkeit; in jedem gewöhnlichen ganz großen
Geschäft ist dieses sogenannte persönliche Verhältnis eine Phrase, so unwahr
als das vermessene von Friedrich Wilhelm IV. gegen die Verfassung gerichtete
Wort, es solle sich zwischen ihn und sein Volk kein Blatt Papier und keine
Volksvertretung drängen." Und Herrn von Stumms Wort, große Unter¬
nehmungen müßten militärisch, nicht parlamentarisch organisirt sein, stellt er
das andre entgegen: weder militärisch noch parlamentarisch, sondern nach Art
einer Gemeinde. Daneben empfiehlt er Zurückverwandlung der jugendlichen
Arbeiter in Lehrlinge, hierarchische Abstufung der erwachsenen Arbeiter, die
jetzt mit fünfzig Jahren kein größeres Einkommen beziehen als mit zwanzig,
damit sie wieder ein festes und erreichbares, wenn auch bescheidenes Lebensziel
vor Augen haben (als Vorbild wird die königlich sächsische Porzellanmannfaktur
zu Meißen aufgestellt), die Gewinnbeteiligung u. a.

Für den gedeihlichen Fortgang der verschiednen, dem einen Ziele zu¬
strebenden Reformversuche und Unternehmungen bürgt die Haltung des Kaisers.
„Wie er im Sommer 1889 energisch vermittelnd und versöhnend eingriff,
einerseits dem westfälischen Bergarbeiterstand ebenso sympathisch seine Teilnahme
zeigte und das ganze Volk daran erinnerte, daß der König von Preußen immer
noch der roi ass ^ueux sei, anderseits den gährenden Elementen seinen festen
Willen kund gab, unbarmherzig für Ruhe und Ordnung zu sorgen, so hat er
nunmehr in den beiden Erlassen vom 4. Februar seine eigenste persönliche
Willensmeinung in klarer, deutlicher Sprache kundgegeben. Indem er ohne
Gegenzeichnung eines Ministers sich aussprach, hat er sich und sein königliches
Wort dafür verpfändet, das große Erbe seiner Väter anzutreten, die sozial¬
politische monarchische Reform seines Großvaters ohne Zögern mit Energie
fortzusetzen, in dem Geiste Friedrichs des Großen zu regieren, der in sein
Testament von 1768 die ewig denkwürdigen Worte setzte: Li'ost an xriinzs ac
tenir 1a o^Ig-roe entrv le Zentilnoinine et 1<z ni»nut'!iowri6r. Ja es ist Sache
des Fürsten, der Monarchie, das Gleichgewicht zu halten zwischen Stadt und
Land, zwischen obern und untern Klassen, nicht im Sinne eines staatssozialisti¬
schen Polizeiregiments, sondern im Sinne eines letzten obersten Regulators im
Sinne der öffentlichen Gewalten und Einrichtungen. Deutschlands Stern war
unter Kaiser Wilhelm und Bismarck in glänzendem Aufschwünge. Daß er es
auch unter Kaiser Wilhelm II. sein wird, dafür haben wir jetzt die Sicherheit,
trotz aller innern und äußern Kämpfe, denen wir noch entgegengehen mögen."

Möge dem scharfsinnigen Nationalökonomen die weitere Entwicklung der
Dinge Recht geben, wie ihm die bisherige seit 1872 Recht gegeben hat.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/16>, abgerufen am 11.05.2024.