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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der deutsche Alassiter des Socialismus

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"Boden, K^apital und das unmittelbare materielle Arbeitsprodutt ^ sagt
Rodbertus -- durften und dürfe" auch niemals dem Arbeiter zu eigen ge¬
hören, mindestens nicht, wenn die Teilung der Arbeit entstehen, bestehen, sich
entwickeln, erweitern nud damit über die Gesellschaft das Füllhorn ihrer
wunderbaren Schätze soll ausgießen können/' Man vergegenwärtige sich nur,
wie viel Arbeiter verschiedner Berufsarten bei Herstellung einer Stecknadel zu¬
sammenwirken und frage sich, wie sie es anstellen sollten, ihre Ansprüche an
die Nadel zu berechnen, Nur ans der Stufe des Jägerlebens füllt der Be¬
sitzer mit dem Arbeiter zusammen. Dein Jäger gehört der Bogen wie das
Wild, das er damit erlegt. Der Bogen, den er sich schmilzt, bildet sein
Capital; die Jagdbeute, sein Arbeitsprodukt, bildet sei" Einkommen. Ans
dieser Stufe ist Sklaverei noch nicht möglich. Ließe der Herr den Sklaven
mit jagen, so würde das die Freiheit bedeuten; legte er ihn in Fesseln, so
müßte er, der Herr, ihn mit seiner Arbeit ernähren, es bleibt also nichts übrig,
als den überwundenen Gegner zu töten.

Mit dem Ackerbau beginnt die Arbeitsteilung und hört die Möglich¬
keit ans, daß jeder Arbeiter selbst Eigentümer seiner Produktionsmittel
und Produkte sei. Der Herr des Grundstückes, wie immer er in dessen
Besitz gelangt sein mag, läßt es zuerst dnrch seine Weiber und Kinder,
dann dnrch seine Sklaven bestellen. Einen vom Grundbesitz getrennten
Kapitalbesitz giebt es anfänglich noch nicht, die Gütererzeugung vollzieht sich
in der Form der Naturalwirtschaft. Der Besitzer läßt nicht allein das Holz
zu seinem Hause und seinen Gerätschaften fällen, sondern er läßt auch durch
einige seiner Sklaven das Haus bauen und durch andre die Geräte und Werk¬
zeuge anfertigen. Er läßt nicht allein Getreide bauen, sondern auch das Ge¬
treide zu Mehl mahlen und aus dein Mehle Brot backen. Er läßt nicht allein
Schafe züchten, aus deren Fellen ihm Wolle wächst, sonder" auch diese Wolle
zu Gewändern verarbeiten. Weder sein Vermögen noch sein Einkommen wird
nach Geld geschätzt, weil kein Tausch vorkommt, demnach kein Tauschwert als
Maßstab entsteht, Bon einem Betriebskapital zur Ergänzung der Werkzeuge
und Löhnung der Arbeiter ist keine Rede, denn von außen kommt nichts in
die Wirtschaft hinein. Die Arbeiter empfangen nicht Geldlohn, den sie in die
Stadt tragen könnten, um dort damit zu kaufe", was sie brmichen, sondern
sie werden mit den Guter" gespeist und gekleidet, die ans dem Grundstücke
gewachsen oder ans darauf gewachsenen Rohstoff bereitet sind. Ein Teil ihrer
Arbeitskraft und der gewachsenen Rohstoffe wird zur Ergänzung, Wiederher¬
stellung und Berinehrnng der Werkzeuge und Lagerräume, zur Verbesserung
und Erweiterung des Anbaues, also zur Kapitalbilduug verwendet. Brächten
nun die Sklaven mit ihrer Arbeit nicht mehr hervor, als sie zur Frist""g
ihres eignen Lebens brauchen, so müßte der Herr verhungern und hätte nichts


Der deutsche Alassiter des Socialismus

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„Boden, K^apital und das unmittelbare materielle Arbeitsprodutt ^ sagt
Rodbertus — durften und dürfe» auch niemals dem Arbeiter zu eigen ge¬
hören, mindestens nicht, wenn die Teilung der Arbeit entstehen, bestehen, sich
entwickeln, erweitern nud damit über die Gesellschaft das Füllhorn ihrer
wunderbaren Schätze soll ausgießen können/' Man vergegenwärtige sich nur,
wie viel Arbeiter verschiedner Berufsarten bei Herstellung einer Stecknadel zu¬
sammenwirken und frage sich, wie sie es anstellen sollten, ihre Ansprüche an
die Nadel zu berechnen, Nur ans der Stufe des Jägerlebens füllt der Be¬
sitzer mit dem Arbeiter zusammen. Dein Jäger gehört der Bogen wie das
Wild, das er damit erlegt. Der Bogen, den er sich schmilzt, bildet sein
Capital; die Jagdbeute, sein Arbeitsprodukt, bildet sei» Einkommen. Ans
dieser Stufe ist Sklaverei noch nicht möglich. Ließe der Herr den Sklaven
mit jagen, so würde das die Freiheit bedeuten; legte er ihn in Fesseln, so
müßte er, der Herr, ihn mit seiner Arbeit ernähren, es bleibt also nichts übrig,
als den überwundenen Gegner zu töten.

Mit dem Ackerbau beginnt die Arbeitsteilung und hört die Möglich¬
keit ans, daß jeder Arbeiter selbst Eigentümer seiner Produktionsmittel
und Produkte sei. Der Herr des Grundstückes, wie immer er in dessen
Besitz gelangt sein mag, läßt es zuerst dnrch seine Weiber und Kinder,
dann dnrch seine Sklaven bestellen. Einen vom Grundbesitz getrennten
Kapitalbesitz giebt es anfänglich noch nicht, die Gütererzeugung vollzieht sich
in der Form der Naturalwirtschaft. Der Besitzer läßt nicht allein das Holz
zu seinem Hause und seinen Gerätschaften fällen, sondern er läßt auch durch
einige seiner Sklaven das Haus bauen und durch andre die Geräte und Werk¬
zeuge anfertigen. Er läßt nicht allein Getreide bauen, sondern auch das Ge¬
treide zu Mehl mahlen und aus dein Mehle Brot backen. Er läßt nicht allein
Schafe züchten, aus deren Fellen ihm Wolle wächst, sonder» auch diese Wolle
zu Gewändern verarbeiten. Weder sein Vermögen noch sein Einkommen wird
nach Geld geschätzt, weil kein Tausch vorkommt, demnach kein Tauschwert als
Maßstab entsteht, Bon einem Betriebskapital zur Ergänzung der Werkzeuge
und Löhnung der Arbeiter ist keine Rede, denn von außen kommt nichts in
die Wirtschaft hinein. Die Arbeiter empfangen nicht Geldlohn, den sie in die
Stadt tragen könnten, um dort damit zu kaufe», was sie brmichen, sondern
sie werden mit den Guter» gespeist und gekleidet, die ans dem Grundstücke
gewachsen oder ans darauf gewachsenen Rohstoff bereitet sind. Ein Teil ihrer
Arbeitskraft und der gewachsenen Rohstoffe wird zur Ergänzung, Wiederher¬
stellung und Berinehrnng der Werkzeuge und Lagerräume, zur Verbesserung
und Erweiterung des Anbaues, also zur Kapitalbilduug verwendet. Brächten
nun die Sklaven mit ihrer Arbeit nicht mehr hervor, als sie zur Frist»»g
ihres eignen Lebens brauchen, so müßte der Herr verhungern und hätte nichts


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[0268] Der deutsche Alassiter des Socialismus 2 „Boden, K^apital und das unmittelbare materielle Arbeitsprodutt ^ sagt Rodbertus — durften und dürfe» auch niemals dem Arbeiter zu eigen ge¬ hören, mindestens nicht, wenn die Teilung der Arbeit entstehen, bestehen, sich entwickeln, erweitern nud damit über die Gesellschaft das Füllhorn ihrer wunderbaren Schätze soll ausgießen können/' Man vergegenwärtige sich nur, wie viel Arbeiter verschiedner Berufsarten bei Herstellung einer Stecknadel zu¬ sammenwirken und frage sich, wie sie es anstellen sollten, ihre Ansprüche an die Nadel zu berechnen, Nur ans der Stufe des Jägerlebens füllt der Be¬ sitzer mit dem Arbeiter zusammen. Dein Jäger gehört der Bogen wie das Wild, das er damit erlegt. Der Bogen, den er sich schmilzt, bildet sein Capital; die Jagdbeute, sein Arbeitsprodukt, bildet sei» Einkommen. Ans dieser Stufe ist Sklaverei noch nicht möglich. Ließe der Herr den Sklaven mit jagen, so würde das die Freiheit bedeuten; legte er ihn in Fesseln, so müßte er, der Herr, ihn mit seiner Arbeit ernähren, es bleibt also nichts übrig, als den überwundenen Gegner zu töten. Mit dem Ackerbau beginnt die Arbeitsteilung und hört die Möglich¬ keit ans, daß jeder Arbeiter selbst Eigentümer seiner Produktionsmittel und Produkte sei. Der Herr des Grundstückes, wie immer er in dessen Besitz gelangt sein mag, läßt es zuerst dnrch seine Weiber und Kinder, dann dnrch seine Sklaven bestellen. Einen vom Grundbesitz getrennten Kapitalbesitz giebt es anfänglich noch nicht, die Gütererzeugung vollzieht sich in der Form der Naturalwirtschaft. Der Besitzer läßt nicht allein das Holz zu seinem Hause und seinen Gerätschaften fällen, sondern er läßt auch durch einige seiner Sklaven das Haus bauen und durch andre die Geräte und Werk¬ zeuge anfertigen. Er läßt nicht allein Getreide bauen, sondern auch das Ge¬ treide zu Mehl mahlen und aus dein Mehle Brot backen. Er läßt nicht allein Schafe züchten, aus deren Fellen ihm Wolle wächst, sonder» auch diese Wolle zu Gewändern verarbeiten. Weder sein Vermögen noch sein Einkommen wird nach Geld geschätzt, weil kein Tausch vorkommt, demnach kein Tauschwert als Maßstab entsteht, Bon einem Betriebskapital zur Ergänzung der Werkzeuge und Löhnung der Arbeiter ist keine Rede, denn von außen kommt nichts in die Wirtschaft hinein. Die Arbeiter empfangen nicht Geldlohn, den sie in die Stadt tragen könnten, um dort damit zu kaufe», was sie brmichen, sondern sie werden mit den Guter» gespeist und gekleidet, die ans dem Grundstücke gewachsen oder ans darauf gewachsenen Rohstoff bereitet sind. Ein Teil ihrer Arbeitskraft und der gewachsenen Rohstoffe wird zur Ergänzung, Wiederher¬ stellung und Berinehrnng der Werkzeuge und Lagerräume, zur Verbesserung und Erweiterung des Anbaues, also zur Kapitalbilduug verwendet. Brächten nun die Sklaven mit ihrer Arbeit nicht mehr hervor, als sie zur Frist»»g ihres eignen Lebens brauchen, so müßte der Herr verhungern und hätte nichts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/268>, abgerufen am 27.04.2024.