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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wahrhaftige Geschichte von den drei wünschen

Herzigkeit geheiratet. Zweitens aber ist es die Charakteristik dieses unglücklichen
Geschöpfes selbst, die das neue Buch auszeichnet und über diese oder jene
Schwäche, bestehend in bisweilen ermüdender moralischer Reflexion, hinweg¬
sehen läßt. Ich erinnere mich keines Seelengemäldes in den Stindischen
Schriften, das so ergreifend, mit solcher Faßlichkeit und annähernd gleichem
psychologischen Verständnis ausgeführt wäre, wie diese Zeichnung des ge¬
ängsteten Mädchenherzens. Zu diesem Kunstwerke war aber Sünde nur
fähig dank seinem tief empfindenden Gemüte, das ihn zum Humoristen machen
würde, auch wenn er nie ein Lächeln auf die Lippen seiner Leser gezaubert hätte,


Georg Hoffmann


Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen
V Gelo Ludwig on
lFvrtsetzung)

ußtest du Unseliger, fuhr der zweite Litterat sort, wußtest du
Unseliger in den drei Mohren vier Gläser Grog trinken? Daß
dn dem, der innen schwärzer ist, als drei Mohren zusammen¬
genommen von außen, daß dn dem Straßburger, der uicht be¬
greifen konnte, woher dir, dem armen Schneiderjungen, die feinen
Kleider kamen, die elegante Eguipage, der in seinein schwarzen Herzen um alles
dieses dich beneidete, erzählen, wie du dazu gekommen warst? Mußtest du
seine Einflüsterungen anhören? Mußtest du ihm nicht bei dein ersten zwei¬
deutigen Worte, das deine Frau betraf, eine stechen? Beim zweiten ihn
massakriren? Nein! So renne ich wütend in meinen Wagen; wie mein Kutscher
auf die Pferde schlagen muß, so schlägt im Wagen der Teufel, der mich reitet,
auf mich; so stürze ich aus dem Wagen, die Treppe hinauf; so zertrümmre
ich die Thüre zu ihrem Zimmer in meiner Wild; so -- Gott im Himmel! wie
schnell kam mir die Besinnung zurück, da ich nun beschämt vor ihr stand, die
erstaunt, dann schmerzlich zürnend zu mir aufsah! Gott im Himmel! wie strich
die Reue wie mit einer Feile über mein Herz, wie sie von dem Sofa aufstand
und, jeden Augenblick vom Schluchzen unterbrochen, ausrief: So seis Gott
geklagt, wie du mir lohnst für meine Liebe! So seis Gott geklagt, wie du
mich stürzest in die Tiefe des Jammers! So seis Gott geklagt, wie du mich
zwingst, dich unglücklich zu sehen! So seis Gott geklagt, wie du mich zwingst,
dich-zu lassen, ohne dir helfen zu können! Ach nur "och el" Jahr, einen


Grmzbvwi IV 1890 "ti
Die wahrhaftige Geschichte von den drei wünschen

Herzigkeit geheiratet. Zweitens aber ist es die Charakteristik dieses unglücklichen
Geschöpfes selbst, die das neue Buch auszeichnet und über diese oder jene
Schwäche, bestehend in bisweilen ermüdender moralischer Reflexion, hinweg¬
sehen läßt. Ich erinnere mich keines Seelengemäldes in den Stindischen
Schriften, das so ergreifend, mit solcher Faßlichkeit und annähernd gleichem
psychologischen Verständnis ausgeführt wäre, wie diese Zeichnung des ge¬
ängsteten Mädchenherzens. Zu diesem Kunstwerke war aber Sünde nur
fähig dank seinem tief empfindenden Gemüte, das ihn zum Humoristen machen
würde, auch wenn er nie ein Lächeln auf die Lippen seiner Leser gezaubert hätte,


Georg Hoffmann


Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen
V Gelo Ludwig on
lFvrtsetzung)

ußtest du Unseliger, fuhr der zweite Litterat sort, wußtest du
Unseliger in den drei Mohren vier Gläser Grog trinken? Daß
dn dem, der innen schwärzer ist, als drei Mohren zusammen¬
genommen von außen, daß dn dem Straßburger, der uicht be¬
greifen konnte, woher dir, dem armen Schneiderjungen, die feinen
Kleider kamen, die elegante Eguipage, der in seinein schwarzen Herzen um alles
dieses dich beneidete, erzählen, wie du dazu gekommen warst? Mußtest du
seine Einflüsterungen anhören? Mußtest du ihm nicht bei dein ersten zwei¬
deutigen Worte, das deine Frau betraf, eine stechen? Beim zweiten ihn
massakriren? Nein! So renne ich wütend in meinen Wagen; wie mein Kutscher
auf die Pferde schlagen muß, so schlägt im Wagen der Teufel, der mich reitet,
auf mich; so stürze ich aus dem Wagen, die Treppe hinauf; so zertrümmre
ich die Thüre zu ihrem Zimmer in meiner Wild; so — Gott im Himmel! wie
schnell kam mir die Besinnung zurück, da ich nun beschämt vor ihr stand, die
erstaunt, dann schmerzlich zürnend zu mir aufsah! Gott im Himmel! wie strich
die Reue wie mit einer Feile über mein Herz, wie sie von dem Sofa aufstand
und, jeden Augenblick vom Schluchzen unterbrochen, ausrief: So seis Gott
geklagt, wie du mir lohnst für meine Liebe! So seis Gott geklagt, wie du
mich stürzest in die Tiefe des Jammers! So seis Gott geklagt, wie du mich
zwingst, dich unglücklich zu sehen! So seis Gott geklagt, wie du mich zwingst,
dich-zu lassen, ohne dir helfen zu können! Ach nur »och el» Jahr, einen


Grmzbvwi IV 1890 «ti
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[0529] Die wahrhaftige Geschichte von den drei wünschen Herzigkeit geheiratet. Zweitens aber ist es die Charakteristik dieses unglücklichen Geschöpfes selbst, die das neue Buch auszeichnet und über diese oder jene Schwäche, bestehend in bisweilen ermüdender moralischer Reflexion, hinweg¬ sehen läßt. Ich erinnere mich keines Seelengemäldes in den Stindischen Schriften, das so ergreifend, mit solcher Faßlichkeit und annähernd gleichem psychologischen Verständnis ausgeführt wäre, wie diese Zeichnung des ge¬ ängsteten Mädchenherzens. Zu diesem Kunstwerke war aber Sünde nur fähig dank seinem tief empfindenden Gemüte, das ihn zum Humoristen machen würde, auch wenn er nie ein Lächeln auf die Lippen seiner Leser gezaubert hätte, Georg Hoffmann Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen V Gelo Ludwig on lFvrtsetzung) ußtest du Unseliger, fuhr der zweite Litterat sort, wußtest du Unseliger in den drei Mohren vier Gläser Grog trinken? Daß dn dem, der innen schwärzer ist, als drei Mohren zusammen¬ genommen von außen, daß dn dem Straßburger, der uicht be¬ greifen konnte, woher dir, dem armen Schneiderjungen, die feinen Kleider kamen, die elegante Eguipage, der in seinein schwarzen Herzen um alles dieses dich beneidete, erzählen, wie du dazu gekommen warst? Mußtest du seine Einflüsterungen anhören? Mußtest du ihm nicht bei dein ersten zwei¬ deutigen Worte, das deine Frau betraf, eine stechen? Beim zweiten ihn massakriren? Nein! So renne ich wütend in meinen Wagen; wie mein Kutscher auf die Pferde schlagen muß, so schlägt im Wagen der Teufel, der mich reitet, auf mich; so stürze ich aus dem Wagen, die Treppe hinauf; so zertrümmre ich die Thüre zu ihrem Zimmer in meiner Wild; so — Gott im Himmel! wie schnell kam mir die Besinnung zurück, da ich nun beschämt vor ihr stand, die erstaunt, dann schmerzlich zürnend zu mir aufsah! Gott im Himmel! wie strich die Reue wie mit einer Feile über mein Herz, wie sie von dem Sofa aufstand und, jeden Augenblick vom Schluchzen unterbrochen, ausrief: So seis Gott geklagt, wie du mir lohnst für meine Liebe! So seis Gott geklagt, wie du mich stürzest in die Tiefe des Jammers! So seis Gott geklagt, wie du mich zwingst, dich unglücklich zu sehen! So seis Gott geklagt, wie du mich zwingst, dich-zu lassen, ohne dir helfen zu können! Ach nur »och el» Jahr, einen Grmzbvwi IV 1890 «ti

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/529>, abgerufen am 27.04.2024.