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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Lottaische 'Iluseiialnuinach für ^89^

kehren"? Vielleicht finden wir den Schlüssel, wenn wir uns erinnern, das;
Personen, die sonst der Wahrheit wenig zugänglich waren, die in Grobheit
oder in derben Spaß gehüllte ruhig hinnahmen. Hofnarren und Kanzelredner
haben dies Mittel oft genug benutzt. Die Hofnarren des Volkes stehen jetzt
auf der Bühne; einen Abraham a Santa Clara ans der Kanzel würden sich
die Gebildeten von heute uicht gefallen lassen, aber in Büchern und Zeitschriften
darf er sein Wesen treiben, vorausgesetzt, daß er "geistreich" ist. Die Bücher
von Max Nvrdau haben ja auch ein großes Publikum; mit ihm soll sonst der
"Deutsche" nicht auf eine Linie gestellt werden.




Der (Lottaische Musenalmanach für ^89^

cum der Cottaische "Musenalmanach" genau ein Jahrhundert nach
einem ersten Hervortreten seine Wiedernnferstehnng hätte feiern
wollen, so hätte er bis zum Jahre 1897 und bis zur Säkular¬
feier der Schiller-Goethischen "deinen" warten müssen. Denn
der erste Schillersche "Musenalmanach," in dem "Die Macht des
gauges" und "Die Ideale" zum erstenmal gedruckt wurden, war bei dem
Hofbnchhändler Michaelis in Neustrelitz erschienen, der zweite, der ,^'enieu-
almanach, war thatsächlich der erste, der bei dem schwäbischen Vnchhändler-
fürsten herauskam. Aber wenn einmal die Neubelebung gewagt sein sollte,
so war es besser ein paar Jahre früher zu beginnen und dein Vergleich des
erneuerten Cvttaischen Musenalmanachs mit dem Schiller-Goethischen auszu¬
weichen. Ein Jahrfünft lang braucht sich der neue Musenalmanach nnr mit den
von Herrn Professor G. A. Bürger in Göttingen und Herrn Rektor I. H. Voß
in Eutin herausgegebenen "Museualmauncheu" zu messen, und wenn der
treffliche Herausgeber^Herr Otto Vrnnn in München auch schwerlich voraus¬
setzen wird, daß bis zum Jahre 1896 und 1897 neue Schiller und
Goethe, ja mich nnr neue August Wilhelm Schlegel und Hölderlin erwachsen
werden, so darf er doch allenfalls hoffen, daß ihm, sofern sich nur ein teil¬
nehmendes Publikum um die alte Fahne sammelt, gute Kräfte, die sie hoch¬
halten und lustig flattern lassen, uicht fehlen werden. Einstweilen ist, wie gesagt,
nur der Vergleich mit den poetischen Sammelwerken von Bürger und Boß heraus¬
gefordert, und das ist uicht allzu kühn. Denn Bürger wie Voß hatten 1791 ihre beste


Der Lottaische 'Iluseiialnuinach für ^89^

kehren"? Vielleicht finden wir den Schlüssel, wenn wir uns erinnern, das;
Personen, die sonst der Wahrheit wenig zugänglich waren, die in Grobheit
oder in derben Spaß gehüllte ruhig hinnahmen. Hofnarren und Kanzelredner
haben dies Mittel oft genug benutzt. Die Hofnarren des Volkes stehen jetzt
auf der Bühne; einen Abraham a Santa Clara ans der Kanzel würden sich
die Gebildeten von heute uicht gefallen lassen, aber in Büchern und Zeitschriften
darf er sein Wesen treiben, vorausgesetzt, daß er „geistreich" ist. Die Bücher
von Max Nvrdau haben ja auch ein großes Publikum; mit ihm soll sonst der
„Deutsche" nicht auf eine Linie gestellt werden.




Der (Lottaische Musenalmanach für ^89^

cum der Cottaische „Musenalmanach" genau ein Jahrhundert nach
einem ersten Hervortreten seine Wiedernnferstehnng hätte feiern
wollen, so hätte er bis zum Jahre 1897 und bis zur Säkular¬
feier der Schiller-Goethischen „deinen" warten müssen. Denn
der erste Schillersche „Musenalmanach," in dem „Die Macht des
gauges" und „Die Ideale" zum erstenmal gedruckt wurden, war bei dem
Hofbnchhändler Michaelis in Neustrelitz erschienen, der zweite, der ,^'enieu-
almanach, war thatsächlich der erste, der bei dem schwäbischen Vnchhändler-
fürsten herauskam. Aber wenn einmal die Neubelebung gewagt sein sollte,
so war es besser ein paar Jahre früher zu beginnen und dein Vergleich des
erneuerten Cvttaischen Musenalmanachs mit dem Schiller-Goethischen auszu¬
weichen. Ein Jahrfünft lang braucht sich der neue Musenalmanach nnr mit den
von Herrn Professor G. A. Bürger in Göttingen und Herrn Rektor I. H. Voß
in Eutin herausgegebenen „Museualmauncheu" zu messen, und wenn der
treffliche Herausgeber^Herr Otto Vrnnn in München auch schwerlich voraus¬
setzen wird, daß bis zum Jahre 1896 und 1897 neue Schiller und
Goethe, ja mich nnr neue August Wilhelm Schlegel und Hölderlin erwachsen
werden, so darf er doch allenfalls hoffen, daß ihm, sofern sich nur ein teil¬
nehmendes Publikum um die alte Fahne sammelt, gute Kräfte, die sie hoch¬
halten und lustig flattern lassen, uicht fehlen werden. Einstweilen ist, wie gesagt,
nur der Vergleich mit den poetischen Sammelwerken von Bürger und Boß heraus¬
gefordert, und das ist uicht allzu kühn. Denn Bürger wie Voß hatten 1791 ihre beste


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[0614] Der Lottaische 'Iluseiialnuinach für ^89^ kehren"? Vielleicht finden wir den Schlüssel, wenn wir uns erinnern, das; Personen, die sonst der Wahrheit wenig zugänglich waren, die in Grobheit oder in derben Spaß gehüllte ruhig hinnahmen. Hofnarren und Kanzelredner haben dies Mittel oft genug benutzt. Die Hofnarren des Volkes stehen jetzt auf der Bühne; einen Abraham a Santa Clara ans der Kanzel würden sich die Gebildeten von heute uicht gefallen lassen, aber in Büchern und Zeitschriften darf er sein Wesen treiben, vorausgesetzt, daß er „geistreich" ist. Die Bücher von Max Nvrdau haben ja auch ein großes Publikum; mit ihm soll sonst der „Deutsche" nicht auf eine Linie gestellt werden. Der (Lottaische Musenalmanach für ^89^ cum der Cottaische „Musenalmanach" genau ein Jahrhundert nach einem ersten Hervortreten seine Wiedernnferstehnng hätte feiern wollen, so hätte er bis zum Jahre 1897 und bis zur Säkular¬ feier der Schiller-Goethischen „deinen" warten müssen. Denn der erste Schillersche „Musenalmanach," in dem „Die Macht des gauges" und „Die Ideale" zum erstenmal gedruckt wurden, war bei dem Hofbnchhändler Michaelis in Neustrelitz erschienen, der zweite, der ,^'enieu- almanach, war thatsächlich der erste, der bei dem schwäbischen Vnchhändler- fürsten herauskam. Aber wenn einmal die Neubelebung gewagt sein sollte, so war es besser ein paar Jahre früher zu beginnen und dein Vergleich des erneuerten Cvttaischen Musenalmanachs mit dem Schiller-Goethischen auszu¬ weichen. Ein Jahrfünft lang braucht sich der neue Musenalmanach nnr mit den von Herrn Professor G. A. Bürger in Göttingen und Herrn Rektor I. H. Voß in Eutin herausgegebenen „Museualmauncheu" zu messen, und wenn der treffliche Herausgeber^Herr Otto Vrnnn in München auch schwerlich voraus¬ setzen wird, daß bis zum Jahre 1896 und 1897 neue Schiller und Goethe, ja mich nnr neue August Wilhelm Schlegel und Hölderlin erwachsen werden, so darf er doch allenfalls hoffen, daß ihm, sofern sich nur ein teil¬ nehmendes Publikum um die alte Fahne sammelt, gute Kräfte, die sie hoch¬ halten und lustig flattern lassen, uicht fehlen werden. Einstweilen ist, wie gesagt, nur der Vergleich mit den poetischen Sammelwerken von Bürger und Boß heraus¬ gefordert, und das ist uicht allzu kühn. Denn Bürger wie Voß hatten 1791 ihre beste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/614>, abgerufen am 28.04.2024.