Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Rembrandt, Breughel, Dürer als Lrzieher eine -- Auster, die man gern schlürft. Für das ungeordnete Denken ließen Übrigens kann ans eine Gegellschrift verwiesen werden. Daß ein so an- Eine ernstere Arbeit ist Billige Weisheit. Antidotvn gegen Rentbrandt Und nun lege ich mir die Frage vor: Worauf gründet sich der große Rembrandt, Breughel, Dürer als Lrzieher eine — Auster, die man gern schlürft. Für das ungeordnete Denken ließen Übrigens kann ans eine Gegellschrift verwiesen werden. Daß ein so an- Eine ernstere Arbeit ist Billige Weisheit. Antidotvn gegen Rentbrandt Und nun lege ich mir die Frage vor: Worauf gründet sich der große <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209192"/> <fw type="header" place="top"> Rembrandt, Breughel, Dürer als Lrzieher</fw><lb/> <p xml:id="ID_1816" prev="#ID_1815"> eine — Auster, die man gern schlürft. Für das ungeordnete Denken ließen<lb/> sich zahllose Beispiele anführen; im Grunde genügt es schon, das Inhalts¬<lb/> verzeichnis durchzusehe»: „Lebenslust, Vornehmheit, Abtönung, Zola, Bildnngs-<lb/> aristokratismns, Venedig, Rembrandt als Philosoph" — das ist der Inhalt<lb/> von siebzehn Seiten!</p><lb/> <p xml:id="ID_1817"> Übrigens kann ans eine Gegellschrift verwiesen werden. Daß ein so an-<lb/> spruchsvoll auftretendes Buch solche hervorrufen werde, war vorauszusehen.<lb/> Zwei sind nur bekannt geworden. Höllenbreughel als Erzieher ist natürlich<lb/> in satirischer Absicht geschrieben, aber der Verfasser ist kein guter Satiriker.<lb/> Er kopirt den Verfasser des „Rembrandt" zu viel, dehnt den auf wenigen<lb/> Seiten abzumacheudeu Scherz zu weit aus und wird damit langweiliger (mau<lb/> wäre versucht, den alten Stndentenspaß „langstielig und langbeinig" anzu-<lb/> wenden) als sein Vorbild, das doch immer die Originalität voraus hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> Eine ernstere Arbeit ist Billige Weisheit. Antidotvn gegen Rentbrandt<lb/> als Erzieher. Von Nautilus (mit Dürers Selbstbildnis von 1493). Nicht<lb/> jedes Wort darin möchte ich unterschreiben. Nautilus hat sich in einen ehr¬<lb/> lichen Zorn hiueingelesen und übersieht in dieser Stimmung des Angegriffenen<lb/> gute Seiten, die zu berühren ich mir für diesen Anlaß aufgespart habe. Der<lb/> „Deutsche" hat uicht bloß „Geist, was mau so nennt"; mau kaun ihm eigne<lb/> und gute Gedanken nicht gänzlich absprechen, wenn er sie auch meist in gesucht<lb/> dunkler oder gezierter Einkleidung oder zusammenhanglos vorbringt; seine<lb/> Angriffe auf das Professvrentum im allgemeinen und einzelne berühmte Ver¬<lb/> treter desselben sind sehr übertrieben, aber Wahrheit enthalten sie doch, ebenso<lb/> einzelne Bemerkungen über Presse, Judentum, „Gebildete" u. a. in. Wenn<lb/> Nautilus bestreitet, daß der Nadelwald melancholisch stimme, und eine solche<lb/> Wirkuug uur dem entblätterten oder herbstlich gefärbten Laubwalde Umschreibt,<lb/> so streitet er über etwas, worüber sich nicht streiten läßt, weil es von der<lb/> Individualität jedes Einzelnen abhängt. Doch dringend zu empfehlen ist diese<lb/> scharfe, den stets zu Seitensprüugen geneigten Verfasser unerbittlich bei seinen<lb/> Worten festhaltende Kritik den Lesern des „Rembrandt," denen kritische Anlage<lb/> und Zucht mangelt. Wer einmal bis zur Abführung der Behauptung, der<lb/> Ungeschliffenste sei besonders bildungsfähig (nicht bildungsbedürftig!), und zur<lb/> Auflösung des Rätsels vom Adagio in Nembrnndts Bildern vorgedrungen ist,<lb/> wird die kleine Schrift nicht ans der Hand legen, ohne sie zu Ende gelesen<lb/> zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1819" next="#ID_1820"> Und nun lege ich mir die Frage vor: Worauf gründet sich der große<lb/> „änßere Erfolg" (wie die Theaterkritiker zu sage» pflegen)? Den Verfasser<lb/> muß er förmlich erschreckt haben. Denn über den Beifall der großen Menge<lb/> denkt er ja wie wir andern auch, uur druckt er seine Meinung mit uicht all¬<lb/> täglicher Deutlichkeit aus. Oder erkennt er in dem großen Absätze seines<lb/> Buches etwa ein Zeichen, daß das Publikum anfange, „zur Natur zurückzu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Rembrandt, Breughel, Dürer als Lrzieher
eine — Auster, die man gern schlürft. Für das ungeordnete Denken ließen
sich zahllose Beispiele anführen; im Grunde genügt es schon, das Inhalts¬
verzeichnis durchzusehe»: „Lebenslust, Vornehmheit, Abtönung, Zola, Bildnngs-
aristokratismns, Venedig, Rembrandt als Philosoph" — das ist der Inhalt
von siebzehn Seiten!
Übrigens kann ans eine Gegellschrift verwiesen werden. Daß ein so an-
spruchsvoll auftretendes Buch solche hervorrufen werde, war vorauszusehen.
Zwei sind nur bekannt geworden. Höllenbreughel als Erzieher ist natürlich
in satirischer Absicht geschrieben, aber der Verfasser ist kein guter Satiriker.
Er kopirt den Verfasser des „Rembrandt" zu viel, dehnt den auf wenigen
Seiten abzumacheudeu Scherz zu weit aus und wird damit langweiliger (mau
wäre versucht, den alten Stndentenspaß „langstielig und langbeinig" anzu-
wenden) als sein Vorbild, das doch immer die Originalität voraus hat.
Eine ernstere Arbeit ist Billige Weisheit. Antidotvn gegen Rentbrandt
als Erzieher. Von Nautilus (mit Dürers Selbstbildnis von 1493). Nicht
jedes Wort darin möchte ich unterschreiben. Nautilus hat sich in einen ehr¬
lichen Zorn hiueingelesen und übersieht in dieser Stimmung des Angegriffenen
gute Seiten, die zu berühren ich mir für diesen Anlaß aufgespart habe. Der
„Deutsche" hat uicht bloß „Geist, was mau so nennt"; mau kaun ihm eigne
und gute Gedanken nicht gänzlich absprechen, wenn er sie auch meist in gesucht
dunkler oder gezierter Einkleidung oder zusammenhanglos vorbringt; seine
Angriffe auf das Professvrentum im allgemeinen und einzelne berühmte Ver¬
treter desselben sind sehr übertrieben, aber Wahrheit enthalten sie doch, ebenso
einzelne Bemerkungen über Presse, Judentum, „Gebildete" u. a. in. Wenn
Nautilus bestreitet, daß der Nadelwald melancholisch stimme, und eine solche
Wirkuug uur dem entblätterten oder herbstlich gefärbten Laubwalde Umschreibt,
so streitet er über etwas, worüber sich nicht streiten läßt, weil es von der
Individualität jedes Einzelnen abhängt. Doch dringend zu empfehlen ist diese
scharfe, den stets zu Seitensprüugen geneigten Verfasser unerbittlich bei seinen
Worten festhaltende Kritik den Lesern des „Rembrandt," denen kritische Anlage
und Zucht mangelt. Wer einmal bis zur Abführung der Behauptung, der
Ungeschliffenste sei besonders bildungsfähig (nicht bildungsbedürftig!), und zur
Auflösung des Rätsels vom Adagio in Nembrnndts Bildern vorgedrungen ist,
wird die kleine Schrift nicht ans der Hand legen, ohne sie zu Ende gelesen
zu haben.
Und nun lege ich mir die Frage vor: Worauf gründet sich der große
„änßere Erfolg" (wie die Theaterkritiker zu sage» pflegen)? Den Verfasser
muß er förmlich erschreckt haben. Denn über den Beifall der großen Menge
denkt er ja wie wir andern auch, uur druckt er seine Meinung mit uicht all¬
täglicher Deutlichkeit aus. Oder erkennt er in dem großen Absätze seines
Buches etwa ein Zeichen, daß das Publikum anfange, „zur Natur zurückzu-
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