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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Hauptsache, den Erzeugnissen der Industrie und der Kunst, hören wir über¬
haupt nur, was der "Nundreisende" von solchen Dingen zu erzählen pflegt,
wogegeli Speise- und Kaffeehäuser, echte und falsche Vertreter der weniger
zivilisirteu Nationen, Gaukler und dergleichen ziemlich umständlich geschildert
werden. Aber die Verfasserin ist zum erstenmal in Paris gewesen, ganze vier
Wochen lang, und fühlt sich nun gedrungen, wieder alles das zu beschreibe",
was ach schon viele tausendmal! -- beschriebe" worden ist: die möblirte
Wohnung, deu Concierge, die Straßenverkäufer u. s. w. Über ihre Person
erfahren Nur, daß sie einen Reisegefährten, einen Levantiner gehabt hat (an¬
fangs hielten Nur ihn für ihren Gatten und zerbrachen uns den Kopf, welcher
von den beiden Namen auf dein Titelblatte wohl ans der Levante stammen
möge), daß sie "gut," "fließend" französisch spricht und daher erst als Deutsche
erkannt worden ist, wenn sie sich ihrer Muttersprache bediente (dieser schmeichel¬
haften Selbsttäilschnng sind Damen besonders leicht ausgesetzt), und daß sie
schon früher "unschuldige Federthnten" verrichtet hat. Sie scheint eine kleine
Schwäche für Ethnographie zu haben, macht eine Rumänin zur Slawin, was
diese hoffentlich nicht erfahren wird, die "LMl-i. (sprich tscharda) zur (Wlrcl-l
(sprich znrda), deu Feustervvrba" an orieiitatischen Hällserii niusvInn-Adi zu
eitler wouc'Jto-urilbiä, bei welcher Wortbildung vielleicht die Vorstellung mit-
tyätig gewesen ist, daß das Gitter zugleich die Fliegen abhalten solle, und
ähnliches mehr. Aber wer kann es so genau nehmen, wenn nach ausdrücklicher
Versicherung nicht belehrt, sonder" nur geplaudert werden soll! Der Verfasserin
hat eS sicherlich Vergnügen gemacht, diese Neiscerilmcrungeu zu Papier zu
bringen, lind so hätte das Buch wenigstens einen Zweck erfüllt.

^. Eghptische Straßenbilder.

Plaudereien über das Land des
Kurbatsch und Bakschisch vou Theodor sourdent (Basel, B. Schwabe).
Auch Ägypten ist längst kein unbekanntes Land mehr, aber der Verfasser,
wohl ein Schweizer, hat sieben Jahre dort zugebracht, da muß er doch
Gelegenheit gehabt haben, weiter und tiefer zu sehen, als andre ans einer
Gesellschaftsreise oder während einiger Monate Aufenthalts in Kairo. Und
ans jeden Fall uuterscheidet er sich vou solche" flüchtigen Besucher" durch
Sprnchkenutuis, falls er die mehr als zwei Druckbogen füllende Übersetzung
ans dein Volksrvmane vom Helden Antar selbst gemacht hat. Auch die ge¬
legentlich eingestreuten Bemerkungen über das Ungeschick der Engländer, ein
Land zu verwalten, das nicht von Engländern bewohnt ist, über das Schul-
wesen, über Tewfil Pascha und seine Familie scheinen Ergebnisse längerer
Beobachtung zu sein. Aber was wir eigentlich erhalte" solle", Straßeubildcr,
erhebt sich sachlich nicht im mindesten über die Reisenotizen jedes Touristen
nud ermangelt überdies der Anschaulichkeit und Farbenfrische, dnrch die sich
beispielsweise die Schilderungen von Moritz Busch ("Eine Wallfahrt nach
Jerusalem") auszeichnen. Dann und wann wird uns zu Mute, als hörten


Hauptsache, den Erzeugnissen der Industrie und der Kunst, hören wir über¬
haupt nur, was der „Nundreisende" von solchen Dingen zu erzählen pflegt,
wogegeli Speise- und Kaffeehäuser, echte und falsche Vertreter der weniger
zivilisirteu Nationen, Gaukler und dergleichen ziemlich umständlich geschildert
werden. Aber die Verfasserin ist zum erstenmal in Paris gewesen, ganze vier
Wochen lang, und fühlt sich nun gedrungen, wieder alles das zu beschreibe»,
was ach schon viele tausendmal! — beschriebe« worden ist: die möblirte
Wohnung, deu Concierge, die Straßenverkäufer u. s. w. Über ihre Person
erfahren Nur, daß sie einen Reisegefährten, einen Levantiner gehabt hat (an¬
fangs hielten Nur ihn für ihren Gatten und zerbrachen uns den Kopf, welcher
von den beiden Namen auf dein Titelblatte wohl ans der Levante stammen
möge), daß sie „gut," „fließend" französisch spricht und daher erst als Deutsche
erkannt worden ist, wenn sie sich ihrer Muttersprache bediente (dieser schmeichel¬
haften Selbsttäilschnng sind Damen besonders leicht ausgesetzt), und daß sie
schon früher „unschuldige Federthnten" verrichtet hat. Sie scheint eine kleine
Schwäche für Ethnographie zu haben, macht eine Rumänin zur Slawin, was
diese hoffentlich nicht erfahren wird, die «LMl-i. (sprich tscharda) zur (Wlrcl-l
(sprich znrda), deu Feustervvrba» an orieiitatischen Hällserii niusvInn-Adi zu
eitler wouc'Jto-urilbiä, bei welcher Wortbildung vielleicht die Vorstellung mit-
tyätig gewesen ist, daß das Gitter zugleich die Fliegen abhalten solle, und
ähnliches mehr. Aber wer kann es so genau nehmen, wenn nach ausdrücklicher
Versicherung nicht belehrt, sonder» nur geplaudert werden soll! Der Verfasserin
hat eS sicherlich Vergnügen gemacht, diese Neiscerilmcrungeu zu Papier zu
bringen, lind so hätte das Buch wenigstens einen Zweck erfüllt.

^. Eghptische Straßenbilder.

Plaudereien über das Land des
Kurbatsch und Bakschisch vou Theodor sourdent (Basel, B. Schwabe).
Auch Ägypten ist längst kein unbekanntes Land mehr, aber der Verfasser,
wohl ein Schweizer, hat sieben Jahre dort zugebracht, da muß er doch
Gelegenheit gehabt haben, weiter und tiefer zu sehen, als andre ans einer
Gesellschaftsreise oder während einiger Monate Aufenthalts in Kairo. Und
ans jeden Fall uuterscheidet er sich vou solche» flüchtigen Besucher« durch
Sprnchkenutuis, falls er die mehr als zwei Druckbogen füllende Übersetzung
ans dein Volksrvmane vom Helden Antar selbst gemacht hat. Auch die ge¬
legentlich eingestreuten Bemerkungen über das Ungeschick der Engländer, ein
Land zu verwalten, das nicht von Engländern bewohnt ist, über das Schul-
wesen, über Tewfil Pascha und seine Familie scheinen Ergebnisse längerer
Beobachtung zu sein. Aber was wir eigentlich erhalte» solle», Straßeubildcr,
erhebt sich sachlich nicht im mindesten über die Reisenotizen jedes Touristen
nud ermangelt überdies der Anschaulichkeit und Farbenfrische, dnrch die sich
beispielsweise die Schilderungen von Moritz Busch („Eine Wallfahrt nach
Jerusalem") auszeichnen. Dann und wann wird uns zu Mute, als hörten


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[0462] Hauptsache, den Erzeugnissen der Industrie und der Kunst, hören wir über¬ haupt nur, was der „Nundreisende" von solchen Dingen zu erzählen pflegt, wogegeli Speise- und Kaffeehäuser, echte und falsche Vertreter der weniger zivilisirteu Nationen, Gaukler und dergleichen ziemlich umständlich geschildert werden. Aber die Verfasserin ist zum erstenmal in Paris gewesen, ganze vier Wochen lang, und fühlt sich nun gedrungen, wieder alles das zu beschreibe», was ach schon viele tausendmal! — beschriebe« worden ist: die möblirte Wohnung, deu Concierge, die Straßenverkäufer u. s. w. Über ihre Person erfahren Nur, daß sie einen Reisegefährten, einen Levantiner gehabt hat (an¬ fangs hielten Nur ihn für ihren Gatten und zerbrachen uns den Kopf, welcher von den beiden Namen auf dein Titelblatte wohl ans der Levante stammen möge), daß sie „gut," „fließend" französisch spricht und daher erst als Deutsche erkannt worden ist, wenn sie sich ihrer Muttersprache bediente (dieser schmeichel¬ haften Selbsttäilschnng sind Damen besonders leicht ausgesetzt), und daß sie schon früher „unschuldige Federthnten" verrichtet hat. Sie scheint eine kleine Schwäche für Ethnographie zu haben, macht eine Rumänin zur Slawin, was diese hoffentlich nicht erfahren wird, die «LMl-i. (sprich tscharda) zur (Wlrcl-l (sprich znrda), deu Feustervvrba» an orieiitatischen Hällserii niusvInn-Adi zu eitler wouc'Jto-urilbiä, bei welcher Wortbildung vielleicht die Vorstellung mit- tyätig gewesen ist, daß das Gitter zugleich die Fliegen abhalten solle, und ähnliches mehr. Aber wer kann es so genau nehmen, wenn nach ausdrücklicher Versicherung nicht belehrt, sonder» nur geplaudert werden soll! Der Verfasserin hat eS sicherlich Vergnügen gemacht, diese Neiscerilmcrungeu zu Papier zu bringen, lind so hätte das Buch wenigstens einen Zweck erfüllt. ^. Eghptische Straßenbilder. Plaudereien über das Land des Kurbatsch und Bakschisch vou Theodor sourdent (Basel, B. Schwabe). Auch Ägypten ist längst kein unbekanntes Land mehr, aber der Verfasser, wohl ein Schweizer, hat sieben Jahre dort zugebracht, da muß er doch Gelegenheit gehabt haben, weiter und tiefer zu sehen, als andre ans einer Gesellschaftsreise oder während einiger Monate Aufenthalts in Kairo. Und ans jeden Fall uuterscheidet er sich vou solche» flüchtigen Besucher« durch Sprnchkenutuis, falls er die mehr als zwei Druckbogen füllende Übersetzung ans dein Volksrvmane vom Helden Antar selbst gemacht hat. Auch die ge¬ legentlich eingestreuten Bemerkungen über das Ungeschick der Engländer, ein Land zu verwalten, das nicht von Engländern bewohnt ist, über das Schul- wesen, über Tewfil Pascha und seine Familie scheinen Ergebnisse längerer Beobachtung zu sein. Aber was wir eigentlich erhalte» solle», Straßeubildcr, erhebt sich sachlich nicht im mindesten über die Reisenotizen jedes Touristen nud ermangelt überdies der Anschaulichkeit und Farbenfrische, dnrch die sich beispielsweise die Schilderungen von Moritz Busch („Eine Wallfahrt nach Jerusalem") auszeichnen. Dann und wann wird uns zu Mute, als hörten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/462>, abgerufen am 06.05.2024.