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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Rokokostudien
Z. Das LHombre

W e r t h g e s es ä ez t e r Gönner!

i
n können mir heute ein sonderbares Merkmal von Dero Gewogen¬
heit blicken lassen, wenn ich dessen nicht ganz unwürdig bin. Ein
Schalgen Kaffee und mein Lombertisch erwartet um fünf Uhr Dero
Gegenwart in meinem Zimmer. Dero angenehmes Wesen und
artiger Umgang macht Ihnen alle diejenigen verbindlich, die einmal
mit Ihnen zu sprechen das Glück haben. Ich kann versichern, daß
ich auch ans dieser Zahl bin und nur eine Ehre daraus machen werde, wenn Sie
um bestimmte Zeit Ihren Zuspruch gönnen Dero ergebensten ^. ^

Diese Form einer Einladung bietet Gottsched in seinen "Vernünftigen
Tadleriuuen" als Muster einfacher und gefälliger deutscher Schreibweise. Es
kam ihm darauf an, zu zeigen, daß auch ohne die modische Verbrämung mit
französischen Nedezierat die Muttersprache des zierlichen Ausdruckes, wie ihn
die wichtige Veranlassung erforderte, recht wohl fähig sei.

Der junge Sprachmeister, der sich eben erst vor deu Fangarmen preußi¬
scher Werber aus Königsberg nach dem artigen und galanten Leipzig gerettet
hatte, that mit dieser Stilprvbe einen glücklichen Griff in das volle Gesell¬
schaftsleben seiner Zeit und besonders der Stadt, die ihm die zweite Heimat
werden, in der er die Tage höchsten Ruhmes, aber auch schnöder Vergessen¬
heit durchkosten sollte. Das, Verdienst, eine Aufforderung zum L'Hombre als
Gegenstand sprachlicher Belehrung gewühlt zu haben, muß ihm umso höher
angerechnet werden, als er persönlich ein erklärter Gegner des Kartenspiels
war. Er bezeichnete es einmal "als ein Überbleibsel von den ungereimten
Einfällen der allen Gothen, Celten und Langobarden, dessen wir uns heute
billig schämen sollten." Gleichwohl hat er sich überwunden und den Neigungen
seiner Zeit Rechnung getragen. Der Spieltisch hatte nun einmal für das
gesellige Leben des achtzehnten Jahrhunderts einen Zauber, an dessen Kraft
der grillige Widerspruch des Einzelnen uicht zu rütteln vermochte. "Hundert¬
tausend Eitelkeiten wählt die Welt zum Zeitvertreib," beginnt ein vielgesungenes
Lied jeuer Tage. Unter diesen Eitelkeiten nahmen die Kartenblätter die erste
Stelle ein.




Rokokostudien
Z. Das LHombre

W e r t h g e s es ä ez t e r Gönner!

i
n können mir heute ein sonderbares Merkmal von Dero Gewogen¬
heit blicken lassen, wenn ich dessen nicht ganz unwürdig bin. Ein
Schalgen Kaffee und mein Lombertisch erwartet um fünf Uhr Dero
Gegenwart in meinem Zimmer. Dero angenehmes Wesen und
artiger Umgang macht Ihnen alle diejenigen verbindlich, die einmal
mit Ihnen zu sprechen das Glück haben. Ich kann versichern, daß
ich auch ans dieser Zahl bin und nur eine Ehre daraus machen werde, wenn Sie
um bestimmte Zeit Ihren Zuspruch gönnen Dero ergebensten ^. ^

Diese Form einer Einladung bietet Gottsched in seinen „Vernünftigen
Tadleriuuen" als Muster einfacher und gefälliger deutscher Schreibweise. Es
kam ihm darauf an, zu zeigen, daß auch ohne die modische Verbrämung mit
französischen Nedezierat die Muttersprache des zierlichen Ausdruckes, wie ihn
die wichtige Veranlassung erforderte, recht wohl fähig sei.

Der junge Sprachmeister, der sich eben erst vor deu Fangarmen preußi¬
scher Werber aus Königsberg nach dem artigen und galanten Leipzig gerettet
hatte, that mit dieser Stilprvbe einen glücklichen Griff in das volle Gesell¬
schaftsleben seiner Zeit und besonders der Stadt, die ihm die zweite Heimat
werden, in der er die Tage höchsten Ruhmes, aber auch schnöder Vergessen¬
heit durchkosten sollte. Das, Verdienst, eine Aufforderung zum L'Hombre als
Gegenstand sprachlicher Belehrung gewühlt zu haben, muß ihm umso höher
angerechnet werden, als er persönlich ein erklärter Gegner des Kartenspiels
war. Er bezeichnete es einmal „als ein Überbleibsel von den ungereimten
Einfällen der allen Gothen, Celten und Langobarden, dessen wir uns heute
billig schämen sollten." Gleichwohl hat er sich überwunden und den Neigungen
seiner Zeit Rechnung getragen. Der Spieltisch hatte nun einmal für das
gesellige Leben des achtzehnten Jahrhunderts einen Zauber, an dessen Kraft
der grillige Widerspruch des Einzelnen uicht zu rütteln vermochte. „Hundert¬
tausend Eitelkeiten wählt die Welt zum Zeitvertreib," beginnt ein vielgesungenes
Lied jeuer Tage. Unter diesen Eitelkeiten nahmen die Kartenblätter die erste
Stelle ein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/200>, abgerufen am 04.05.2024.