Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Wirkungen der Mac Kinley-Bill in Amerika

le Bestürzung und Aufregung, die sich der mit den Vereinigten
Staaten Nordamerikas handeltreibenden Geschäftswelt am Ende
des vorigen Jahres beim Erscheinen der Mac Kinley-Bill be¬
mächtigte, hat bei uns in Deutschland allmählich einer ruhigen
Erwägung Platz gemacht. Die schlimmen Befürchtungen? haben
sich glücklicherweise nicht in dem Maße erfüllt, wie man anfänglich dachte.
Nur wenige Fabriken, deren Markt die Vereinigten Staaten ausschließlich
waren, haben schwer gelitten. Aber die Folgen dieses Gesetzes sind noch
keineswegs zu Ende und werden wahrscheinlich noch lange Jahre die Staats¬
männer und Parlamente beschäftigen. Eine der Folgen des Gesetzes sind die
zollpolitischen Verhandlungen, die angenblicklich noch mit Österreich-Ungarn
schweben. Für die Fürsorge, den Erzeugnissen deutschen Gewerbfleißes einen
neuen Markt zu sichern, gebührt unserm Reichskanzler aller Dank, wie dies
ja in Ur. 7 der Grenzboten von sachkundiger Feder bereits ausgeführt worden
ist. Auch der deutsche Kaufmann beginnt schon eine reiche Thätigkeit zu ent¬
falten, um neue Absatzgebiete an Stelle des Verlornen oder doch in einiger
Zeit verlorengehenden nordamerikanischen Marktes zu gewinnen, und zwar
wendet sich jetzt zu unsrer großen Freude der kaufmännische Unternehmungs¬
geist unsern Kolonien zu.

Aber nicht uur auf Deutschland und Europa hat die Erhöhung der nord¬
amerikanischen Zölle ungünstig gewirkt, sie hat auch viele Staaten Amerikas, ja
selbst den Westen und die Binnenländer der Union aufs empfindlichste getroffen.

In Deutschland Pflegt man in dein Gesetze nur eine handelspolitische
Maßregel zu sehen, die ihren Ursprung der heißsporuig schutzzöllnerischen
Richtung verdanke. Das ist aber keineswegs allein der Fall, vielmehr wurde
das Gesetz durch politische Gründe veranlaßt, und zwar verdankt es seinen
Ursprung der großamerikanischen Idee, die den Staatssekretär des Auswärtigen
in Washington, Mr. Blaine, ganz und gar beherrscht.

Im vorigen Jahre lud der Staatssekretär, wie bekannt, die amerikanischen
Staaten zu einem großamerikanischen Kongresse ein. Es wurde viel über das
reichhaltige Programm gespöttelt, das dem Kongreß vorgelegt wurde, selbst
vou Leuten, die der großamerikauischeu Idee huldigten, denn die Ideen Vlaines




Die Wirkungen der Mac Kinley-Bill in Amerika

le Bestürzung und Aufregung, die sich der mit den Vereinigten
Staaten Nordamerikas handeltreibenden Geschäftswelt am Ende
des vorigen Jahres beim Erscheinen der Mac Kinley-Bill be¬
mächtigte, hat bei uns in Deutschland allmählich einer ruhigen
Erwägung Platz gemacht. Die schlimmen Befürchtungen? haben
sich glücklicherweise nicht in dem Maße erfüllt, wie man anfänglich dachte.
Nur wenige Fabriken, deren Markt die Vereinigten Staaten ausschließlich
waren, haben schwer gelitten. Aber die Folgen dieses Gesetzes sind noch
keineswegs zu Ende und werden wahrscheinlich noch lange Jahre die Staats¬
männer und Parlamente beschäftigen. Eine der Folgen des Gesetzes sind die
zollpolitischen Verhandlungen, die angenblicklich noch mit Österreich-Ungarn
schweben. Für die Fürsorge, den Erzeugnissen deutschen Gewerbfleißes einen
neuen Markt zu sichern, gebührt unserm Reichskanzler aller Dank, wie dies
ja in Ur. 7 der Grenzboten von sachkundiger Feder bereits ausgeführt worden
ist. Auch der deutsche Kaufmann beginnt schon eine reiche Thätigkeit zu ent¬
falten, um neue Absatzgebiete an Stelle des Verlornen oder doch in einiger
Zeit verlorengehenden nordamerikanischen Marktes zu gewinnen, und zwar
wendet sich jetzt zu unsrer großen Freude der kaufmännische Unternehmungs¬
geist unsern Kolonien zu.

Aber nicht uur auf Deutschland und Europa hat die Erhöhung der nord¬
amerikanischen Zölle ungünstig gewirkt, sie hat auch viele Staaten Amerikas, ja
selbst den Westen und die Binnenländer der Union aufs empfindlichste getroffen.

In Deutschland Pflegt man in dein Gesetze nur eine handelspolitische
Maßregel zu sehen, die ihren Ursprung der heißsporuig schutzzöllnerischen
Richtung verdanke. Das ist aber keineswegs allein der Fall, vielmehr wurde
das Gesetz durch politische Gründe veranlaßt, und zwar verdankt es seinen
Ursprung der großamerikanischen Idee, die den Staatssekretär des Auswärtigen
in Washington, Mr. Blaine, ganz und gar beherrscht.

Im vorigen Jahre lud der Staatssekretär, wie bekannt, die amerikanischen
Staaten zu einem großamerikanischen Kongresse ein. Es wurde viel über das
reichhaltige Programm gespöttelt, das dem Kongreß vorgelegt wurde, selbst
vou Leuten, die der großamerikauischeu Idee huldigten, denn die Ideen Vlaines


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210082"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341853_209866/figures/grenzboten_341853_209866_210082_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Wirkungen der Mac Kinley-Bill in Amerika</head><lb/>
          <p xml:id="ID_565"> le Bestürzung und Aufregung, die sich der mit den Vereinigten<lb/>
Staaten Nordamerikas handeltreibenden Geschäftswelt am Ende<lb/>
des vorigen Jahres beim Erscheinen der Mac Kinley-Bill be¬<lb/>
mächtigte, hat bei uns in Deutschland allmählich einer ruhigen<lb/>
Erwägung Platz gemacht. Die schlimmen Befürchtungen? haben<lb/>
sich glücklicherweise nicht in dem Maße erfüllt, wie man anfänglich dachte.<lb/>
Nur wenige Fabriken, deren Markt die Vereinigten Staaten ausschließlich<lb/>
waren, haben schwer gelitten. Aber die Folgen dieses Gesetzes sind noch<lb/>
keineswegs zu Ende und werden wahrscheinlich noch lange Jahre die Staats¬<lb/>
männer und Parlamente beschäftigen. Eine der Folgen des Gesetzes sind die<lb/>
zollpolitischen Verhandlungen, die angenblicklich noch mit Österreich-Ungarn<lb/>
schweben. Für die Fürsorge, den Erzeugnissen deutschen Gewerbfleißes einen<lb/>
neuen Markt zu sichern, gebührt unserm Reichskanzler aller Dank, wie dies<lb/>
ja in Ur. 7 der Grenzboten von sachkundiger Feder bereits ausgeführt worden<lb/>
ist. Auch der deutsche Kaufmann beginnt schon eine reiche Thätigkeit zu ent¬<lb/>
falten, um neue Absatzgebiete an Stelle des Verlornen oder doch in einiger<lb/>
Zeit verlorengehenden nordamerikanischen Marktes zu gewinnen, und zwar<lb/>
wendet sich jetzt zu unsrer großen Freude der kaufmännische Unternehmungs¬<lb/>
geist unsern Kolonien zu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_566"> Aber nicht uur auf Deutschland und Europa hat die Erhöhung der nord¬<lb/>
amerikanischen Zölle ungünstig gewirkt, sie hat auch viele Staaten Amerikas, ja<lb/>
selbst den Westen und die Binnenländer der Union aufs empfindlichste getroffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_567"> In Deutschland Pflegt man in dein Gesetze nur eine handelspolitische<lb/>
Maßregel zu sehen, die ihren Ursprung der heißsporuig schutzzöllnerischen<lb/>
Richtung verdanke. Das ist aber keineswegs allein der Fall, vielmehr wurde<lb/>
das Gesetz durch politische Gründe veranlaßt, und zwar verdankt es seinen<lb/>
Ursprung der großamerikanischen Idee, die den Staatssekretär des Auswärtigen<lb/>
in Washington, Mr. Blaine, ganz und gar beherrscht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_568" next="#ID_569"> Im vorigen Jahre lud der Staatssekretär, wie bekannt, die amerikanischen<lb/>
Staaten zu einem großamerikanischen Kongresse ein. Es wurde viel über das<lb/>
reichhaltige Programm gespöttelt, das dem Kongreß vorgelegt wurde, selbst<lb/>
vou Leuten, die der großamerikauischeu Idee huldigten, denn die Ideen Vlaines</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] [Abbildung] Die Wirkungen der Mac Kinley-Bill in Amerika le Bestürzung und Aufregung, die sich der mit den Vereinigten Staaten Nordamerikas handeltreibenden Geschäftswelt am Ende des vorigen Jahres beim Erscheinen der Mac Kinley-Bill be¬ mächtigte, hat bei uns in Deutschland allmählich einer ruhigen Erwägung Platz gemacht. Die schlimmen Befürchtungen? haben sich glücklicherweise nicht in dem Maße erfüllt, wie man anfänglich dachte. Nur wenige Fabriken, deren Markt die Vereinigten Staaten ausschließlich waren, haben schwer gelitten. Aber die Folgen dieses Gesetzes sind noch keineswegs zu Ende und werden wahrscheinlich noch lange Jahre die Staats¬ männer und Parlamente beschäftigen. Eine der Folgen des Gesetzes sind die zollpolitischen Verhandlungen, die angenblicklich noch mit Österreich-Ungarn schweben. Für die Fürsorge, den Erzeugnissen deutschen Gewerbfleißes einen neuen Markt zu sichern, gebührt unserm Reichskanzler aller Dank, wie dies ja in Ur. 7 der Grenzboten von sachkundiger Feder bereits ausgeführt worden ist. Auch der deutsche Kaufmann beginnt schon eine reiche Thätigkeit zu ent¬ falten, um neue Absatzgebiete an Stelle des Verlornen oder doch in einiger Zeit verlorengehenden nordamerikanischen Marktes zu gewinnen, und zwar wendet sich jetzt zu unsrer großen Freude der kaufmännische Unternehmungs¬ geist unsern Kolonien zu. Aber nicht uur auf Deutschland und Europa hat die Erhöhung der nord¬ amerikanischen Zölle ungünstig gewirkt, sie hat auch viele Staaten Amerikas, ja selbst den Westen und die Binnenländer der Union aufs empfindlichste getroffen. In Deutschland Pflegt man in dein Gesetze nur eine handelspolitische Maßregel zu sehen, die ihren Ursprung der heißsporuig schutzzöllnerischen Richtung verdanke. Das ist aber keineswegs allein der Fall, vielmehr wurde das Gesetz durch politische Gründe veranlaßt, und zwar verdankt es seinen Ursprung der großamerikanischen Idee, die den Staatssekretär des Auswärtigen in Washington, Mr. Blaine, ganz und gar beherrscht. Im vorigen Jahre lud der Staatssekretär, wie bekannt, die amerikanischen Staaten zu einem großamerikanischen Kongresse ein. Es wurde viel über das reichhaltige Programm gespöttelt, das dem Kongreß vorgelegt wurde, selbst vou Leuten, die der großamerikauischeu Idee huldigten, denn die Ideen Vlaines

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/215
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/215>, abgerufen am 03.05.2024.