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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Frauenverein Reform

eimar, die friedliche Stadt der Erinnerungen ein eine große
litterarische Vergangenheit, steht im Begriff, sich in ein gewappnetes
Heerlager kriegerischer Amazonen zu verwandeln. An: März
1888 ist dort ein "Deutscher Frauenverein "Reform" für Er¬
öffnung wissenschaftlicher Berufe für die Frauenwelt" gegründet
worden, dessen Leitung sich seitdem in den Händen seiner angriffslustiger Ur¬
heberin Fran I. Kettler zu Weimar befindet. Nach den Satzungen ist der
Verein von der Pflicht durchdrungen, das gesamte gewerbliche, kaufmännische,
künstlerische und wissenschaftliche Gebiet anch den Frauen zugänglich zu machen,
beschränkt sich aber aus Zweckmäßigkeitsgrüudeu zunächst uoch darauf, den Ban
von oben zu beginnen, d. h. die Berufsarten, die wissenschaftliche Studien zur
Voraussetzung haben (und zwar alle, nicht bloß den ärztlichen Beruf), dnrch Er-
kämpfung vou Gymnasium, Hochschule, Staatsprüfung und Anstellung für die
Frauen zu erobern. Als Kampfmittel sollen öffentliche Vortrage. Flugschriften,
Petitionen und Geldsammlungen zur Gründung eiues "Parthenagoginms" dienen.
Auch eine eigne Zeitschrift "Frauenberuf," redigirt und herausgegeben von der¬
selben Fran I. Kettlcr, arbeitet an dem Emanzipationswerke.

Von den Petitionen des Vereins an den Reichstag und an die Landtage
der deutschen Einzelstaaten hat man wiederholt in den Tagesblättern gelesen, sie
sind als schätzbares Material zu deu Akten gekommen und haben den Parlaments¬
präsidien Gelegenheit gegeben, sich den Damen gegenüber in höflich ab¬
lehnende" Antworten als Gentlemen zu erweisen. Welche Summen sür das
"Parthenagogium" bisher gezahlt oder gezeichnet worden sind, darüber vermögen
wir keine Auskunft zu geben, weil uns Bekanntmachungen darüber nicht zu
Gesicht gekommen sind. Desto häufiger machen die Vorträge des Vereins von
sich reden. Bald hier bald da in verschiednen Gegenden Deutschlands taucht
eine Wanderreduerin allein oder in Gesellschaft der Fran Kettler ans, um durch
die Fluten ihrer Beredsamkeit die Gegner der Bewegung zu ertränken. Da
wird denn auch manchmal über Frage" gehandelt, die ans dem Nahmen der
umgrenzten Zwecke des Vereins herausfallen und das weitere Gebiet der Franen-
emcinzipation beireffen. Man kann bei diesen Vorträgen und bei deu sich an-




Der deutsche Frauenverein Reform

eimar, die friedliche Stadt der Erinnerungen ein eine große
litterarische Vergangenheit, steht im Begriff, sich in ein gewappnetes
Heerlager kriegerischer Amazonen zu verwandeln. An: März
1888 ist dort ein „Deutscher Frauenverein «Reform« für Er¬
öffnung wissenschaftlicher Berufe für die Frauenwelt" gegründet
worden, dessen Leitung sich seitdem in den Händen seiner angriffslustiger Ur¬
heberin Fran I. Kettler zu Weimar befindet. Nach den Satzungen ist der
Verein von der Pflicht durchdrungen, das gesamte gewerbliche, kaufmännische,
künstlerische und wissenschaftliche Gebiet anch den Frauen zugänglich zu machen,
beschränkt sich aber aus Zweckmäßigkeitsgrüudeu zunächst uoch darauf, den Ban
von oben zu beginnen, d. h. die Berufsarten, die wissenschaftliche Studien zur
Voraussetzung haben (und zwar alle, nicht bloß den ärztlichen Beruf), dnrch Er-
kämpfung vou Gymnasium, Hochschule, Staatsprüfung und Anstellung für die
Frauen zu erobern. Als Kampfmittel sollen öffentliche Vortrage. Flugschriften,
Petitionen und Geldsammlungen zur Gründung eiues „Parthenagoginms" dienen.
Auch eine eigne Zeitschrift „Frauenberuf," redigirt und herausgegeben von der¬
selben Fran I. Kettlcr, arbeitet an dem Emanzipationswerke.

Von den Petitionen des Vereins an den Reichstag und an die Landtage
der deutschen Einzelstaaten hat man wiederholt in den Tagesblättern gelesen, sie
sind als schätzbares Material zu deu Akten gekommen und haben den Parlaments¬
präsidien Gelegenheit gegeben, sich den Damen gegenüber in höflich ab¬
lehnende» Antworten als Gentlemen zu erweisen. Welche Summen sür das
„Parthenagogium" bisher gezahlt oder gezeichnet worden sind, darüber vermögen
wir keine Auskunft zu geben, weil uns Bekanntmachungen darüber nicht zu
Gesicht gekommen sind. Desto häufiger machen die Vorträge des Vereins von
sich reden. Bald hier bald da in verschiednen Gegenden Deutschlands taucht
eine Wanderreduerin allein oder in Gesellschaft der Fran Kettler ans, um durch
die Fluten ihrer Beredsamkeit die Gegner der Bewegung zu ertränken. Da
wird denn auch manchmal über Frage» gehandelt, die ans dem Nahmen der
umgrenzten Zwecke des Vereins herausfallen und das weitere Gebiet der Franen-
emcinzipation beireffen. Man kann bei diesen Vorträgen und bei deu sich an-


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[0082] [Abbildung] Der deutsche Frauenverein Reform eimar, die friedliche Stadt der Erinnerungen ein eine große litterarische Vergangenheit, steht im Begriff, sich in ein gewappnetes Heerlager kriegerischer Amazonen zu verwandeln. An: März 1888 ist dort ein „Deutscher Frauenverein «Reform« für Er¬ öffnung wissenschaftlicher Berufe für die Frauenwelt" gegründet worden, dessen Leitung sich seitdem in den Händen seiner angriffslustiger Ur¬ heberin Fran I. Kettler zu Weimar befindet. Nach den Satzungen ist der Verein von der Pflicht durchdrungen, das gesamte gewerbliche, kaufmännische, künstlerische und wissenschaftliche Gebiet anch den Frauen zugänglich zu machen, beschränkt sich aber aus Zweckmäßigkeitsgrüudeu zunächst uoch darauf, den Ban von oben zu beginnen, d. h. die Berufsarten, die wissenschaftliche Studien zur Voraussetzung haben (und zwar alle, nicht bloß den ärztlichen Beruf), dnrch Er- kämpfung vou Gymnasium, Hochschule, Staatsprüfung und Anstellung für die Frauen zu erobern. Als Kampfmittel sollen öffentliche Vortrage. Flugschriften, Petitionen und Geldsammlungen zur Gründung eiues „Parthenagoginms" dienen. Auch eine eigne Zeitschrift „Frauenberuf," redigirt und herausgegeben von der¬ selben Fran I. Kettlcr, arbeitet an dem Emanzipationswerke. Von den Petitionen des Vereins an den Reichstag und an die Landtage der deutschen Einzelstaaten hat man wiederholt in den Tagesblättern gelesen, sie sind als schätzbares Material zu deu Akten gekommen und haben den Parlaments¬ präsidien Gelegenheit gegeben, sich den Damen gegenüber in höflich ab¬ lehnende» Antworten als Gentlemen zu erweisen. Welche Summen sür das „Parthenagogium" bisher gezahlt oder gezeichnet worden sind, darüber vermögen wir keine Auskunft zu geben, weil uns Bekanntmachungen darüber nicht zu Gesicht gekommen sind. Desto häufiger machen die Vorträge des Vereins von sich reden. Bald hier bald da in verschiednen Gegenden Deutschlands taucht eine Wanderreduerin allein oder in Gesellschaft der Fran Kettler ans, um durch die Fluten ihrer Beredsamkeit die Gegner der Bewegung zu ertränken. Da wird denn auch manchmal über Frage» gehandelt, die ans dem Nahmen der umgrenzten Zwecke des Vereins herausfallen und das weitere Gebiet der Franen- emcinzipation beireffen. Man kann bei diesen Vorträgen und bei deu sich an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/82>, abgerufen am 06.05.2024.